„Spieleabende“ und „Rassenkunde“

Der Prozess gegen das Aktionsbüro Mittelrhein

Seiner Meinung nach sei das Aktionsbüro Mittelrhein (ABM) eine „Bürgerinitiative“, von Straftaten sei ihm nichts bekannt und er habe auch keine begangen. Dies ließ einer der Angeklagten im laufenden Prozess gegen das ABM durch einen seiner Anwälte verlesen. Nachfragen wollte er dann keine mehr beantworten.

Seiner Meinung nach sei das Aktionsbüro Mittelrhein (ABM) eine „Bürgerinitiative“, von Straftaten sei ihm nichts bekannt und er habe auch keine begangen. Dies ließ einer der Angeklagten im laufenden Prozess gegen das ABM durch einen seiner Anwälte verlesen. Nachfragen wollte er dann keine mehr beantworten.

Die Staatsanwaltschaft Koblenz hält das ABM ganz und gar nicht für eine „Bürgerinitiative“. Den 26 Angeklagten wird die Bildung bzw. Unterstützung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Knapp 1.000 Seiten umfasst die Anklageschrift, vorgeworfen werden den Angeklagten unter anderem Sachbeschädigungen und Gewalttaten. Damit sollen sie ein Klima der Angst erzeugt haben und auf die Errichtung eines Staates nach NS-Vorbild hingearbeitet haben.

Plauderstimmung im Gerichtssaal

Die Stimmung ist meist locker im Saal 128 des Koblenzer Landgerichts. Man kennt sich mittlerweile, die Anwält_innen – 52 an der Zahl, wenn alle anwesend wären, zwei pro Angeklagtem – plaudern und scherzen miteinander und mit den Angeklagten. Unter ihnen sind auch solche, die das Weltbild ihrer Mandanten teilen dürften. Nur zwischen ihnen und Oberstaatsanwalt Walter Schmengler ist die Stimmung nicht so gut, es wird gestichelt und sich beschwert.

Weit vorangeschritten ist das Verfahren noch nicht. Wegen zahlreicher Anträge der Verteidiger_innen konnte die Anklage erst am zweiten Tag verlesen werden. Seither folgt die Befragung der aussagewilligen Angeklagten, zuerst durch den Richter Hans-Georg Göttgen, dann durch den Staatsanwalt, im Anschluss durch die Verteidiger_innen.

Den Anfang des Aussagemarathons macht David Herrmann. Auch er wohnte im „Braunen Haus“, das als Zentrale des ABM gilt. Dann folgen Tim Schumacher und Florian Scholl.

Spiele- und Met-Abende

Es geht auch um die Struktur des ABM. Für interne Planungen gab es den „Spiele-Abend“, an dem nur die engsten Mitglieder teilnahmen. Treffen im erweiterten Kreis fanden im Rahmen der NPD-Kreisverbandsitzungen statt, auch wenn nicht alle Mitglieder des ABM in der NPD waren. Geleitet wurden die Sitzungen vom Kreisvorsitzenden Alexander Herr, neben Christian Häger einer der führenden Köpfe des ABM. Wenn er verhindert war, übernahm Andreas Wirtz die Leitung.

Es wurden auch Rechtsschulungen sowie Vorträge zu „Rassenkunde“ oder zum „NS damals und heute“ organisiert und gemeinsam Verteidigungs- und Angriffstechniken trainiert.

Neben den bekannten Pullovern mit der Aufschrift „Rhein Ahrische Jugend“ orderte das ABM auch Braunhemden für seine Mitglieder. Diese sollten einen Aufnäher mit Hammer und Schwert haben und bei den „Met-Abenden“ getragen werden. Allerdings entschied man dann, dazu doch lieber weiße Hemden zu tragen.

Immer wieder Dresden

Auch zu gemeinsam begangenen Straftaten werden Aussagen gemacht. Wer an welchen Sprühaktionen beteiligt war, wer wann loszog, um politischen Gegner_innen die Autoreifen zu zerstechen und/oder die Scheiben einzuschlagen.

Doch immer wieder kehren die Fragen zu Dresden 2011 und dem Überfall auf das alternative Wohnprojekt Praxis am 19. Februar zurück. Hier sollen Mitglieder des ABM maßgeblich beteiligt gewesen sein. Die Aussagenden identifizieren auf Fotos und Videos vom Angriff auch einzelne Angeklagte, die Steine geworfen haben.

Distanzierung?

Alle drei Aussagenden wollen sich von ihrem neonazistischen Weltbild und ihren damit verbundenen Handlungen distanziert haben. Natürlich habe dies nichts mit Entlassung aus der U-Haft oder möglicher Strafverringerung zu tun, es seien Gewissensentscheidungen gewesen. In den Aussagen holpert es jedoch immer wieder mit der Distanzierung. Schumacher, der mit VS-Betreuung „aussteigt“, ist jetzt beispielsweise ganz geläutert der Meinung, der „Volkstod“ könne durch Zuwanderung verhindert werden (sic!). Dass er nach seiner Distanzierung in einem T-Shirt mit dem Aufdruck „Arier – nicht nur sauber sondern rein“ (in Anlehnung an die Ariel-Werbung) posierte, sei kein Widerspruch. Er finde das eben immer noch lustig.