Auf den Spuren Sarrazins

Asyl- und Islamkritik der AfD

Die verschiedenen rechten Strömungen, die sich in der AfD zusammenfinden, bergen ein erhebliches Streitpotenzial. Daher sind Konsensthemen, um die sich die unterschiedlichen Positionen gruppieren lassen, umso wichtiger. Nachdem die Eurorettungspolitik kaum noch eine Rolle auf der politischen Bühne spielte, fand die AfD fand im September 2015 ihr nächstes verbindendes Thema: die Kritik an der Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin. Auch das Thema Islam soll mediale Aufmerksamkeit bringen.

Die verschiedenen rechten Strömungen, die sich in der AfD zusammenfinden, bergen ein erhebliches Streitpotenzial. Daher sind Konsensthemen, um die sich die unterschiedlichen Positionen gruppieren lassen, umso wichtiger. Nachdem die Eurorettungspolitik kaum noch eine Rolle auf der politischen Bühne spielte, fand die AfD fand im September 2015 ihr nächstes verbindendes Thema: die Kritik an der Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin. Auch das Thema Islam soll mediale Aufmerksamkeit bringen.

„Wir fordern, [...] den früheren Status Quo des Abstammungsprinzips (galt bis 2000) wieder einzuführen“, heißt es lapidar in einem Nebensatz auf Seite 26 des im Mai 2016 veröffentlichten Grundsatzprogramms der AfD. Dahinter verbirgt sich jedoch die Idee von der Nation als biologischer Gemeinschaft: Volk im biologistischen Sinne und Nation fallen hier zusammen. Diese Vorstellung zieht sich durch viele programmatische Äußerungen innerhalb der Partei.

Orientierung an Nützlichkeitskriterien

Die AfD spricht sich in ihrem Programm deutlich gegen „Masseneinwanderung“ aus. Diese helfe auch nicht, um dem demografischen Wandel zu begegnen, stattdessen müsse durch eine „aktivierende Familienpolitik eine höhere Geburtenrate der einheimischen Bevölkerung als mittel- und langfristig einzig tragfähige Lösung erreicht werden“. Die Partei sorgt sich hier vor allem um die „von Bedarf und Qualifikation abgekoppelte Masseneinwanderung hauptsächlich aus islamischen Staaten“. Nicht die strukturelle Ungleichheit als Folge einer auf Konkurrenz basierenden kapitalistischen Produktionsweise ist Thema der AfD, sondern das angeblich falsche Kollektivverhalten einer vermeintlich homogenen Gruppe der (migrantischen) „Unterschicht“. Die AfD teilt wie die meisten etablierten Parteien das Mantra, Einwanderung müsse in erster Linie entlang von ökonomischen Nützlichkeitskriterien bewertet werden.

„Echte Flüchtlinge“ will die AfD zwar weiterhin schützen; der angeblich unkontrollierten Zuwanderung müsse jedoch ein Riegel vorgeschoben werden. Auf den Internet- und Facebookseiten aller Gliederungen der AfD sind Meldungen zum Thema Flucht mit einem Duktus des Kampfes gegen das „Versagen der Altparteien“ durchzogen. Der Politik wird unterstellt, Fakten umzudeuten, zu verschweigen oder direkt zu lügen: in Anbetracht des herrschenden „Asyldrangs“ steige die „Kriminalitätsrate [...] für die Menschen spürbar an, nur offizielle Zahlen verzerren augenscheinlich aufgrund politischer Interessen die Realität“, behauptet der Landesverband NRW kurz nach den Silvesterübergriffen 2015/2016.

Hier setzt die Partei auf „Grenzen dicht“-Parolen. Entsprechende Forderungen werden auch in die Kommunalpolitik eingebracht. In einem Ratsantrag forderte die Kölner AfD „angesichts der fortgesetzten Unwilligkeit der Bundesregierung, den anhaltenden Zustrom einwandernder Menschen zu stoppen“ die Kommune dazu auf, einen „kompletten Aufnahmestopp weiterer Asylbewerber in Köln“ zu verlangen.

„Unsere Kultur“

Werden in Köln als Begründung für einen „Aufnahmestopp“ die Kosten angeführt, sieht vor allem die völkische Strömung in der AfD eine „elementare Bedrohung unserer deutschen Nation“ durch den „immense[n] Zustrom von massenhaft integrationsunwilligen Migranten“ aus einem „uns völlig fremden Kulturkreis“. Dabei gehe es um „unsere Lebensweise, Wertvorstellungen, Ordnung, Kultur“, so der AfD-Bezirksverband Detmold im Oktober 2015 in einem Brief an Kommunal- und Landespolitiker.

Zwar gibt es unterschiedliche Vorstellungen der verschiedensten Flügel, was denn unter „deutscher Kultur“ tatsächlich zu verstehen sei, Einigkeit besteht indes in der Ablehnung der „Ideologie des Multikulturalismus“. Neben Forderungen zum Erhalt der deutschen Sprache und zur Abschaffung der GEZ befasst sich die AfD im Kapitel „Kultur“ ihres Grundsatzprogramms vor allem mit der Stellung des Islams in Deutschland. Die klare Botschaft: Der Islam gehört nicht zu Deutschland. „Man kommt auch nicht umhin festzustellen, dass im Islam verwurzelte Vorstellungen, wie z. B. der Dschihad, das Märtyrerwesen, das Verhalten gegenüber Ungläubigen und das Verhältnis von Mann und Frau, sich sehr von christlich europäischen Vorstellungen unterscheiden“, schreibt beispielhaft die AfD Euskirchen. Der Islam, so der NRW-Landesvorsitzender Marcus Pretzell, sei „mit seinem politischen Anspruch […] dem Grundgesetz nicht vereinbar.“

Die Behauptung der AfD einer „Islamisierung“ wird sich in dieser Vehemenz kaum in den Programmatiken von CDU/CSU und SPD finden lassen. Allerdings bemüht sich die AfD, an die verbreitete Trennung von „guter Muslim“ vs. „schlechter Muslim“ anzuknüpfen, wenn sie betont, dass viele Muslime „rechtstreu sowie integriert“ leben und „akzeptierte und geschätzte Mitglieder unserer Gesellschaft“ sind.

Nicht nur die AfD ist das Problem

Unabhängig davon, ob die AfD jemals in Regierungsverantwortung kommt, gelingt es ihr bereits jetzt, den Diskurs um Einwanderung, Flucht und Integration anzuheizen - so etwa Ende Januar 2016, als AfD-Spitzenpolitikerinnen öffentlich über den Einsatz von Schusswaffen an deutschen Außengrenzen nachdachten. Die Parteivorsitzende Frauke Petry sagte in einem Interview, die Grenzpolizei müsse illegale Grenzübertritte verhindern und „notfalls auch von der Schusswaffe Gebrauch machen“. Beatrix von Storch legte kurz darauf nach. Auf ihrer Facebook-Seite wurde sie gefragt, ob Frauen und Kinder auch mit Waffengewalt am Grenzübertritt gehindert werden sollten. Ihre Antwort: „Ja“.

Beide mussten sich von ihren Äußerungen distanzieren, dennoch erreichten sie ihr Ziel —- die AfD im Gespräch zu halten. Die Schusswaffen-Debatte brachte den erwünschten Effekt: Die Partei war Topthema auf den Nachrichtenseiten und in den Fernsehsendungen. Indem weite Teile der Medien und der etablierten Politik auf die AfD reagieren und die Partei somit die Diskussionen vorstrukturieren kann, verschiebt sich die Debatte um Geflüchtete und Einwanderung immer weiter nach rechts. Von Tagesschau über FAZ bis BILD dominierte Ende Januar 2016 die Frage, ob es legal sei, auf Flüchtlinge zu schießen. So gelingt es der AfD, sagbar zu machen, was zuvor unmöglich gewesen wäre. Die rechte Diskursmaschinerie läuft auf Hochtouren: Die AfD rennt mit ihren Vorstößen einst geschlossene Türen ein, entschuldigt sich anschließend dafür, doch ist das Schloss ist einmal kaputt, bleibt die Tür offen.

Hinzu kommt, dass der Fokus auf die AfD und die von ihr gesetzten Themen ablenkt von der Politik der Bundesregierung, die bewusst den Tod von unzähligen Menschen in Kauf nimmt. Zwar sterben an den deutschen Grenzen bisher keine Menschen, doch die erweiterte deutsche Grenze, die EU-Außengrenze, ist immer noch ein Massengrab für Migrant_innen und Geflüchtete. Was im Sommer 2015 selbst konservative Tageszeitungen empörte, ist in der Öffentlichkeit längst in Vergessenheit geraten: Im Jahr 2016 sind auf dem Mittelmeer UN-Schätzungen zufolge über 5.000 Menschen ums Leben gekommen. Ganz ohne Schießbefehl.