Guido Reil (r.) beim Wahlkampfauftakt in Essen

Die Marke Guido Reil

AfD-Zugpferd bei Arbeitnehmern

Professorenpartei war gestern. Die Partei der kleinen Leute soll die AfD sein, hat ihr Vize Alexander Gauland dekretiert. Einer wie das Ex-SPD- und Immer-noch-Gewerkschaftsmitglied Guido Reil kann dabei helfen.

Professorenpartei war gestern. Die Partei der kleinen Leute soll die AfD sein, hat ihr Vize Alexander Gauland dekretiert. Einer wie das Ex-SPD- und Immer-noch-Gewerkschaftsmitglied Guido Reil kann dabei helfen.

Die NRW-Wahlen gewinnt oder verliert die AfD an der Ruhr. „Ich glaube, dass das Ruhrgebiet deutlich unsere stärksten Ergebnisse haben wird“, meint Landeschef Marcus Pretzell. „Ich kann mir vorstellen, dass wir in einzelnen Städten auch die 20 Prozent knacken.“ Vor allem auf ehemalige SPD-Wähler hat er es abgesehen. „Das ist ein bisschen martialisch ausgedrückt. Aber hätte von mir sein können“, sagt er auf die Frage, ob man der SPD im Ruhrgebiet — einst „Herzkammer der Sozialdemokratie“ — das Herz herausreißen wolle.

Die AfD ist auf dem Weg, unter Arbeitnehmern stärkste Partei zu werden, schon ein gehöriges Stück vorangekommen. Bei der Abgeordnetenhauswahl im September in Berlin, wo sie insgesamt auf 14 Prozent kam, waren es unter den Arbeitern 28 und unter den Arbeitslosen 22 Prozent. Ähnlich im März, als die Partei in Baden-Württemberg insgesamt 15 Prozent erreichte, unter den Arbeitern aber 30 und den Arbeitslosen 32 Prozent.

Reil ist bei diesem Versuch ein Glücksfall für die AfD. „Guido Reil hat sich inzwischen zu einer Marke entwickelt: Ein ehemaliger Vorzeige-Sozi, Gewerkschafter, Arbeiter auf einer der letzten Steinkohlenzechen in Deutschland, Steiger und sozial engagiert. Dieser Mann wechselt plötzlich die Seite. Ein Mann, der Volkes Sprache spricht, der hilft, die Vorurteile gegen die AfD aufzubrechen und Probleme ohne ,political correctness’ beim Namen nennt“, jubelt Stefan Keuter, Chef der AfD in Reils Heimatstadt Essen.

Sein Parteiwechsel war nicht zuletzt ein Mediencoup. Talkshow-Redakteure wollten ihn im Studio haben, Radio und TV hefteten sich an seine Fersen, Zeitungsreporter ließen sich von ihm durch seine Heimat im Essener Norden führen.

Dabei war er in der AfD zunächst misstrauisch beäugt worden. Ob ein Quereinsteiger, erst seit ein paar Monaten Mitglied, gleich nach einem Sitz im Landtag gieren und sich in Talkshows herumreichen lassen sollte, fragten sich manche. Ob denn Reil nicht doch beim ersten Gegenwind seine neue Partei verrate, wie er es mit der alten getan habe. Ob man sich mit ihm nicht eine Quelle ständigen Ärgers einhandele. Sein Kreisvorsitzender Keuter meint, als Landtagsabgeordneter werde Reil „mit seiner lauten und ehrlichen Ruhrpottschnauze den Altparteien graue Haare bescheren“. Reils Gegner in der AfD fürchteten eher um die eigene Haarfarbe. Er sollte, so deren Vorstellung, Zugpferd bei Arbeitnehmern sein, sich aber mit eigenen, höheren Ambitionen zurückhalten.

Das war mit Reil nicht zu machen. Den Delegierten, die ihn auf Platz 26 ihrer Liste wählten, diente er sich als „nationaler Sozialdemokrat“ an. Sowas kommt inzwischen an in der AfD. Dass er die Sprache seiner neuen politischen Heimat spricht, hatte er wenige Wochen vorher bei einer AfD-Demo in Paderborn bewiesen. Über die nach Deutschland gekommenen Flüchtlinge sagte er: „Die kriegen alles in den Arsch geblasen!“ Und zu deren Beweggründen: Sie seien „eben nicht vor Krieg und Verfolgung“ geflüchtet, sondern „vor der wirtschaftlichen Perspektivlosigkeit in ihren eigenen Ländern. Und vor nichts anderem“.

Kommt die AfD am 14. Mai in die Nähe von 15 Prozent, ist ihm das ersehnte Landtagsmandat nicht zu nehmen. Und selbst wenn nicht: Die „Marke“ Reil trägt dazu bei, die AfD ins Parlament zu befördern.