M. Bialek

Poggenburgs Provokationen

Die AfD in Sachsen-Anhalt

Mit einem Stimmenanteil von 24,3 Prozent und 25 Mandaten zog die AfD am 13. März 2016 in den Landtag von Sachsen-Anhalt ein — als zweitstärkste Kraft und Oppositionsführerin. Ihr Wahlergebnis ist das bislang beste, das eine Rechtsaußenpartei jemals bei Landtagswahlen erzielte. Dies ist nicht nur im Plenarsaal spürbar.

Mit einem Stimmenanteil von 24,3 Prozent und 25 Mandaten zog die AfD am 13. März 2016 in den Landtag von Sachsen-Anhalt ein — als zweitstärkste Kraft und Oppositionsführerin. Ihr Wahlergebnis ist das bislang beste, das eine Rechtsaußenpartei jemals bei Landtagswahlen erzielte. Dies ist nicht nur im Plenarsaal spürbar.

Am Abend des Wahltags hatte die AfD um ihren Spitzenkandidat Andre Poggenburg gemeinsam mit Jürgen Elsässer (Compact) und Götz Kubitschek (Institut für Staatspolitik, IfS) noch die Korken knallen lassen. Nach dem Partyrausch setzte bei ihr jedoch der Kater des politischen Alltags ein. Im Zuge der bis heute anhaltenden Auseinandersetzung um die Macht in Partei und Fraktion stand sie mehrfach davor, an Querelen zu zerbrechen.

Dabei ging es weniger um ihre inhaltliche Ausrichtung als vielmehr um die Frage, wie weit der Schulterschluss nach ganz rechts außen sichtbar werden sollte. Dass Partei und Fraktion tatsächlich nach rechts offen sind, ließ sich im zurückliegenden Jahr gleich mehrfach studieren. So trat der Landtagsabgeordnete Hans-Thomas Tillschneider bei einer Veranstaltung von PEGIDA auf, obwohl die Bundesparteiführung um Frauke Petry auf Distanz bestand. Tillschneider hingegen forderte ein strategisches Bündnis mit PEGIDA. Ohnehin laufen im Länderdreieck Sachsen / Sachsen-Anhalt / Thüringen so ziemlich alle rechten Fäden bei der AfD zusammen. Mit den AfD-Landtagsfraktionen und dem in Sachsen-Anhalt ansässigen IfS greifen hier zudem Tages- und Metapolitik eng ineinander.

In der Frage des Verhältnisses zu den „Identitären“ fährt die AfD-Fraktion zweigleisig. Formal distanziert sie sich von den besonders in Halle (Saale) aktiven Kadern der Kontrakultur aus dem Umfeld örtlicher Burschenschaften. Faktisch jedoch sind die Beziehungen dorthin politisch eng. Der AfD-MdL Jan Wenzel Schmidt sprach bei einer Kundgebung der „Identitären“ im Harz, Tillschneider trat bei Kontrakultur auf und erklärte auf Nachfrage, die offizielle Distanzierung seiner Partei von den „Identitären“ sei aus seiner Sicht falsch. Tillschneider und andere Rechtsausleger sehen die AfD als Bewegungspartei, die im strategischen Verbund mit anderen rechten Akteuren nichts Geringeres als eine Umkehr der politischen Koordinaten des Landes bewirken soll.

Innerhalb kurzer Zeit verschliss die Fraktion einen Landtagsvizepräsidenten, einen Fraktionsgeschäftsführer und einige Mitarbeiter*innen. Als erklärte Gegner*innen des von den vielgescholtenen Altparteien angeblich errichteten Systems aus Filz und Korruption ließen die frischgebackenen Abgeordneten dabei keine Gelegenheit aus, sich etwa bei den Funktionszulagen für Fraktionsangehörige üppig zu bedienen.

Parlamentarische Arbeit

Nach einem Jahr Präsenz im Landtag lässt sich für die AfD in Sachsen-Anhalt eine erste Bilanz ziehen. Demnach ist die parlamentarische Plackerei in den Ausschüssen nicht die Sache der neuen Fraktion. Vielmehr nutzt sie das Parlament als Plattform, um ihre Inhalte in den Plenardebatten möglichst provokant und reichweitestark zu platzieren. Kaum eine Landtagsdebatte vergeht, ohne dass die Abgeordneten der AfD mit Provokationen und rhetorischen Tabubrüchen testen, wie weit nach rechts der Diskursraum im Land geöffnet werden kann. Immer wieder bringen AfD-Abgeordnete originäre NS-Begriffe oder offen rassistische Stereotype in die Debatten im Landtag ein — und stellen damit die anderen Parteien vor die Herausforderung, eine angemessene Reaktion zu finden, die einerseits der AfD ihre begrifflichen Entgleisungen nicht durchgehen lässt, andererseits aber nicht jede Provokation aufgreift.

Ebenso gilt es, auf die Politik der AfD nicht mit moralischer Abwehr, sondern mit inhaltlicher Auseinandersetzung zu antworten. Dies fällt den Abgeordneten der anderen Parteien erkennbar dort schwer, wo die AfD Identitätsthemen wie Gender und Flüchtlinge vorträgt — verbunden mit der Behauptung, sie spräche im Namen des Volkes. Es erweist sich als echte Herausforderung, die ideologischen Narrative der Partei nicht nur zu identifizieren, sondern sie auch transparent zu dekonstruieren.

Keine Gelegenheit lässt die AfD-Fraktion aus, um politische Gegner als vermeintlich „linksextrem“ zu denunzieren. Ob der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) oder der Flüchtlingsrat — sie alle gerieten ins Visier der AfD mit dem Ziel, ihre Arbeit zu delegitimieren.

Für alles offen?

Gravierender sind für die politische Kultur des Landes jedoch die gesellschaftlichen Konsequenzen des Wahlerfolgs. Unmittelbar nach der Wahl wurden Stimmen laut, die von der Partei vertretenen Positionen müssten stärkere gesellschaftliche Repräsentanz erfahren. Private und öffentlich-rechtliche Medien korrigierten spürbar ihren Kurs gegenüber der AfD. Hatte zuvor eine kritisch-distanzierte Berichterstattung die Richtung bestimmt, wurde ihr nun breiter Raum gegeben. Rasch wurde ein diskursives Muster erkennbar, das die AfD für sich zu nutzen weiß. Nach wie vor behaupten ihre Vertreter, ihre Positionen würden im politisch-medialen Mainstream nicht authentisch abgebildet; die AfD sei Opfer der Political Correctness. Diese Selbstinszenierung verschafft der Partei eine komfortable Position. Sie führt dazu, dass Vertreter der AfD und ihres rechtsintellektuellen Umfeldes Zutritt zu neuen Debattenräumen erhalten — aus Furcht vor dem Vorwurf, relevante politische Strömungen auszugrenzen. Exemplarisch hierfür steht die Debatte um den Verleger und Vordenker der Neuen Rechten Götz Kubitschek.

Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) hatte zugesagt, im Stadttheater Magdeburg mit Kubitschek zu diskutieren. Er sehe sich der Debatte gewachsen, ließ er wissen. Erst eine Intervention des Ministerpräsidenten beendete das Vorhaben, einen öffentlichen Diskurs mit der Neuen Rechten zu führen. Dass diese Debatte einem Ritterschlag für Kubitschek und das durch ihn repräsentierte rechtsintellektuelle Milieu gleichgekommen wäre, galt Teilen der Öffentlichkeit nicht als Gegenargument. Im Gegenteil: Es sei Ausweis demokratischer Standfestigkeit, sich der Debatte mit der Neuen Rechten zu stellen, hieß es. Diese von der Auseinandersetzung mit PEGIDA in Sachsen bekannte Argumentation wird zum offenen Scheunentor für die Diskursstrategie der Neuen Rechten, die darauf setzt, den Kampf um Begriffe und Deutungen zu führen. Auch wenn die Debatte zwischen Kubitschek und Innenminister Stahlknecht letztlich nicht stattfand, so bildete die abgesagte Veranstaltung doch die Blaupause für andere Dialogformate, in denen die AfD nunmehr im Mittelpunkt steht.

Fazit

Der AfD ist es binnen eines Jahres mehrfach gelungen, den politisch-medialen Betrieb eines Bundeslandes mit ihren rechtspopulistischen Inszenierungen am Nasenring zu führen. Damit hat sie den Raum des Sagbaren deutlich nach rechts ausgeweitet. Dies lässt für den kommenden Bundestagswahlkampf befürchten, dass die politischen Vorstöße der AfD noch rabiater werden. Es ist höchste Zeit, dass Politik und Gesellschaft begreifen, dass und wie die AfD ihren Kulturkampf von rechts führt.

Ausgabe

RechtsRock

Ressort

Braunzone

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