„Mosaik des Widerstands“

Das Netzwerk der „Jungen Alternative“ in Hessen

Auch in Hessen bestehen personelle Überschneidungen zwischen der AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“ (JA), der „Identitären Bewegung“ (IB) und extrem rechten Burschenschaften. Deren Protagonist-innen haben ein Netzwerk gebildet, das vom Studierendenparlament in Kassel über den Stadtrat bis in den thüringischen Landtag reicht.

Auch in Hessen bestehen personelle Überschneidungen zwischen der AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“ (JA), der „Identitären Bewegung“ (IB) und extrem rechten Burschenschaften. Deren Protagonist-innen haben ein Netzwerk gebildet, das vom Studierendenparlament in Kassel über den Stadtrat bis in den thüringischen Landtag reicht.

Ein Knotenpunkt dieses Netzwerks stellt die Marburger Burschenschaft Germania dar, die dem extrem rechten Dachverband Deutsche Burschenschaft angehört. Im April tagte die Junge Alternative Hessen auf dem Burschenhaus der „Germanen“. Am Rande versuchten Teilnehmende des JA-Landeskongresses beobachtende Antifaschist_innen zu attackieren, konnten ihrer aber nicht habhaft werden. Als die etwa zehn vermummten und zum Teil mit Teleskopschlagstöcken und Pfefferspray bewaffneten Personen wieder zum Burschenhaus zurückkehrten, wurden sie unbemerkt gefilmt.

Die Bilder zeigen auch, wie sich das JA-Landesvorstandsmitglied Maximilian Kolb, der der Aktivitas der Germania Marburg angehört, seiner Vermummung entledigte. Auch einer der momentan prominentesten „Germanen“, Philip Stein, war unter den Vermummten.

Vernetzte „Germanen“

Stein gründete im September 2016 einen eigenen Verlag namens Jungeuropa und ist neben Götz Kubitschek einer der Initiatoren der „Ein Prozent“-Kampagne, welche die Identitäre Bewegung finanziell unterstützt (vgl. Lotta #60, S.33 & #65, S.40). Er sprach in diesem Jahr sowohl bei PEGIDA in Dresden als auch bei einer Podiumsdiskussion des neofaschistischen Projekts CasaPound in Italien. Zum Landeskongress nach Marbug reiste er mit seinem „Bundesbruder“ Torben Braga im Fraktionsauto der AfD Thüringen an. Braga ist ebenfalls „Germane“, ehemaliger Sprecher der Deutschen Burschenschaft, Assistent von Björn Höcke und Mitglied im Thüringer Landesvorstand der AfD.

Eine weitere Verbindungsperson von der Burschenschaft Germania zu den „Identitären“ ist Nils Grunemann. Der damals 18-jährige Grunemann wurde 2013, kurz nach der Gründung der IB in Deutschland, als eines ihrer Gesichter vorgestellt und zum „Obmann der Identitären Bewegung Deutschland“ gewählt. Nach seinem Abitur zog es ihn von Berlin nach Marburg, wo er der Germania beitrat. Als sich im Januar 2017 in Marburg ein Kreisverband der JA gründete, wurde Grunemann zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt.

Somit passt es ins Bild, dass sich ausgerechnet an dem Wochenende, an dem der JA-Kongress auf dem Haus der Marburger Germania stattfand, die „Ortsgruppe Marburg“ der Identitären Bewegung gründete. Dass die JA sich nur vordergründig und widerwillig von der IB abgrenzt, ist offensichtlich. Zu viele Überschneidungen gab und gibt es, zu nah sind sich beide inhaltlich.

Die „Junge Alternative“ in Hessen

Die Junge Alternative Hessen wurde im April 2015 von der AfD offiziell anerkannt. Doch erst, als sich im Juli 2016 in Frankfurt ein erster JA-Kreisverband gründete, war eigenständiger Aktionismus der Jugendorganisation zu beobachten. Das Hauptagitationsfeld der JA im Rhein-Main-Gebiet ist seitdem die Uni in Frankfurt. Ihr größter Coup gelang ihr mit der Veröffentlichung eines Videos über eine Antirassismus-Workshop an der Goethe Universität durch das JA-Landesvorstandsmitglied Jonas Batteiger im Dezember 2016. In dem Video behauptet Batteiger, dass von einem der Referent_innen zur Gewalt gegen die Polizei aufgerufen worden sei. Die für den Vortrag zuständige Gleichstellungsbeauftragte erfüllte daraufhin die Forderung der JA, diesen Workshop in Zukunft nicht mehr stattfinden zu lassen, ruderte aber später aufgrund von öffentlichem Druck wieder zurück. Seitdem sieht sich die JA im Aufwind und versucht an der Uni Präsenz zu zeigen. Im Januar 2017 verteilte sie ein Flugblatt, das kritische und linke Dozent-innen einzuschüchtern sollte.

Im Juli 2016 gelang es der JA-Hochschulgruppe Kassel als bundesweit erste AfD-Studierendengruppe in ein Organ der Studierendenvertretung einzuziehen. Seitdem sitzt deren Vorstandsmitglied Marius Dilli, der sich vor seiner Wahl im Interview mit der FAZ für den Einsatz von Gummigeschossen an deutschen Grenzen aussprach, für die JA im Studierendenparlament der Universität Kassel. Ebenfalls im Vorstand der Hochschulgruppe ist Ann-Katrin Magnitz. Sie fuhr im September 2016 mit Torben Braga nach Thüringen, um die Zusammenarbeit mit der Neonazi-Gruppe Wir lieben Meiningen zu intensivieren. Das Treffen, so Wir lieben Meiningen, sei „durch den im Vorfeld sehr gradlinigen Einsatz von Ann-Katrin Magnitz zustande“ gekommen. Als dritter Sprecher der Hochschulgruppe fungiert Michael Werl, der zugleich Fraktionsvorsitzender der AfD im Kassler Stadtrat ist. Werl wehrt sich krampfhaft gegen die Behauptung, Mitglied in der Kasseler Burschenschaft Germania gewesen zu sein. Gegenüber der FAZ gab er zu Protokoll,er habe sich die Studentenverbindung nur kurz angeschaut, aber: „Die Leute, die ich da kennengelernt habe, waren alle korrekt, wertkonservativ und traditionell.“

Auch Fabian Flecken, der gemeinsam mit Jan Nolte der JA Hessen vorsteht, hat in den letzten Jahren ein großes (neu-)rechtes Netzwerk aufgebaut. Der 35-Jährige aus Höchst im Odenwald absolvierte 2007 ein Praktikum bei der Jungen Freiheit (JF) und schrieb sowohl für die JF als auch für die Blaue Narzisse. Neben seiner Vorstandstätigkeit bei der JA ist er Teil des Vorstands der Patriotischen Plattform, in dem sich ein Teil des völkischen Flügels innerhalb der AfD zusammengeschlossen hat.

Fließende Übergänge

Über die Patriotische Plattform sollen Kontakte zur extremen Rechten gehalten und geknüpft werden. So betonte der neu gewählte Vorstand um Flecken nach seiner Wahl im November 2016, dass die Patriotische Plattform sich trotz Unvereinbarkeitsbeschluss mit „dem verfassungstreuen Patriotismus, wie ihn Pegida oder die Identitäre Bewegung repräsentieren, verbunden fühlt“. Der völkische Flügel der AfD verfolgt eine klare Agenda, die Philip Stein bei seiner PEGIDA-Rede im März 2017 formulierte: „Stein für Stein bauen wir an einem Mosaik des Wiederstandes, in dem Parlament, Straße, Kultur, Bürger und Medien ineinander greifen. Dieser Patriotische Block umfasst Demonstrationsbündnisse wie PEGIDA, über 90 aktive Bürgergruppen, die AfD als parlamentarischen Arm und natürlich die Identitäre Bewegung. Und wir dürfen niemanden ausschließen, wenn er plötzlich von diesem Staat zu Unrecht beobachtet wird.“ Abgrenzung nach Rechtsaußen erfolgt ohnehin nur aus taktischen Gründen. Zuletzt bekannte der Vorsitzende der Patriotischen Plattform, Hans-Thomas Tillschneider: „Wir hängen uns wie Amulette Distanzierungserklärung nach Distanzierungserklärung um den Hals und glauben, so den bösen Blick des Verfassungsschutzes abzuwehren“.

Die Grenze zwischen JA und dem völkischen Flügel der AfD zu Burschenschaften, IB bis hin zur extremer Rechten ist fließend. Dies zeigt sich sowohl inhaltlich als auch durch personelle Überschneidungen und in sozialen Zusammenhängen.

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