Schwarz-Blaue Reaktion

Die „Hessen Depesche“ als Schnittstelle der konservativen und extremen Rechten

Mit ihrem blauen Bembel und dem Hessenlöwen geriert sich die „Hessen Depesche“ als harmlose Lokalnachrichtenseite — tätigt man allerdings ein paar Klicks, stößt man schnell auf reißerische Überschriften, ungekennzeichnete Werbebeiträge und VertreterInnen der konservativen bis extremen Rechten.

Mit ihrem blauen Bembel und dem Hessenlöwen geriert sich die „Hessen Depesche“ als harmlose Lokalnachrichtenseite — tätigt man allerdings ein paar Klicks, stößt man schnell auf reißerische Überschriften, ungekennzeichnete Werbebeiträge und VertreterInnen der konservativen bis extremen Rechten.

Die Hessen Depesche (HD) trat Anfang 2015 zum ersten Mal als Online-Nachrichtenseite in Erscheinung. Schnell ersichtlich war neben einer unseriösen Berichterstattung auch ihre rechte Ausrichtung. LokalpolitikerInnen der CDU und FDP arbeiten hier mit AfD-Funktionären zusammen.

Rechtes Firmennetzwerk

Von Anfang an war die HD Teil eines unübersichtlichen Unternehmensgeflechts. Der Betreiber wechselte drei Mal, bevor die in Berlin eingetragene Popularen Network GmbH (PNG) im Januar 2017 die HD und deren Partnerseiten Saar Depesche, Bayern Depesche und Sachsen Depesche übernahm. Eine tragende Rolle spielten dabei stets CDU-LokalpolitikerInnen aus dem Kreis Offenbach. Bereits vor der Übernahme durch die PNG gehörte die HD zeitweise einer Firma, deren Geschäftsführer Jörg Alexander Kroiss (CDU Mainhausen) war. Im Februar 2017 gab es den Beschluss, das Stammkapital der PNG um 31.000 Euro auf 56.000 Euro zu erhöhen. Bei drei von vier EigentümerInnen handelte es sich um CDU-Mitglieder: Verena Rohrböck, ehemalige Pressesprecherin der CDU-Seligenstadt, investierte 25.000 Euro, Alexander Schloss, Mitglied der Gemeindevertretung Mainhausen, 5.000 Euro und Manfred Stolz, ebenfalls Lokalpolitiker aus Mainhausen, 1.000 Euro. Im April wurde das Stammkapital auf 80.000 Euro erhöht, Mehrheitseigner ist seitdem die von Kai Domsgen geführte Aduno Beratungsagentur GmbH. Als Geschäftsführerin fungiert Angela Prokoph-Schmitt, die 2016 der CDU Mainhausen beitrat. Zuvor hatte sie im Juli 2015 als parteilose Bürgermeisterkandidatin in Seligenstadt mit 6,9 Prozent den niedrigsten Stimmenanteil aller BewerberInnen erreicht.

Zum Mediennetzwerk gehören auch die rechten Nachrichtenseiten Derfflinger und Saguntum, beide aktiv seit 2014. Diese gehören der MoreMedia GmbH, deren Geschäftsführer derzeit Stephan Andreas Kraus ist. Kraus ist Beisitzer im Vorstand des CSU-Kreisverbandes Kempten. Im genannten Unternehmensgeflecht hat er nicht nur mit Kroiss und Rohrböck die Geschäftsführungsposten in mehreren Unternehmen getauscht, sondern auch mit Patricia Anna Koperski, Lebensgefährtin des NPD-Bundesvorsitzenden Frank Franz.

Ideengeber im Hintergrund?

Einige vermuten den Bruder von Verena Rohrböck, Thomas Peter „Tom“ Rohrböck, als Ideengeber für das Netzwerk um die HD. Bereits Ende der Neunziger gab Thomas Rohrböck gemeinsam mit René Rock, heute Fraktionsvorsitzender der FDP im hessischen Landtag, und Frank Lortz (CDU), derzeit Vizepräsident des hessischen Landtags, das Forum-Magazin im Kreis Offenbach heraus. Bis zu seiner Abwahl im Jahr 2001 war Rohrböck Vorsitzender der CDU Seligenstadt. 2009 wurde er Pressesprecher der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) nahestehenden Kleinstorganisation Aufbruch 21 — Die Freiheitlichen, die sich rechts der CDU etablieren wollte. Anfang 2010 gab er gemeinsam mit dem extrem rechten Politiker Tony-Xaver Fiedler (zuletzt bis Herbst 2015 pro NRW -Generalsekretär) die Nachrichtenplattform frei.gesagt heraus, auf der auch Frank Franz einen Beitrag veröffentlichte. Kurz darauf spielte Rohrböck eine zentrale Rolle in der saarländischen „Monopoly-Affäre“: Der neue Fraktionsvorsitzende der FDP im Landtag, Christian Schmitt, hatte berichtet, im Oktober 2010 vom FDP-Politiker Stefan Krämer zu einem Abendessen eingeladen worden zu sein, das im Haus des mittlerweile nach Homburg verzogenen und in FDP-Kreisen aktiven Rohrböck stattgefunden habe. Dort habe er neben Krämer auch Frank Franz angetroffen. Das Angebot, gemeinsam Monopoly zu spielen, habe er aber abgelehnt.

Ab 2011 betätigte sich Rohrböck mit seinem in Österreich ansässigen „Informationsdienst“ Skylla weiter als „Journalist“. Im März 2018 gab er der neu erschienenen Austria Depesche ein Interview, in dem er als deren „Ideengeber“ bezeichnet wird. Am herausgebenden Unternehmen sind Eigentümer aus Deutschland, Österreich und Liechtenstein beteiligt. Auf dem Bild zum Artikel sind neben Rohrböck auch Herbert Scheibner, ehemaliger Verteidigungsminister Österreichs, Pius Leitner, ehemals Landtagsabgeordneter der „Südtiroler“ Partei Die Freiheitlichen, und Damian Lohr, Landtagsabgeordneter der AfD in Rheinland-Pfalz und Bundesvorsitzender der Jungen Alternative (JA) abgebildet.

Fake-News GmbH

Bei der HD schreiben (extrem) rechte PolitikerInnen „Nachrichten“ zu ihrem eigenen Vorteil. Zu den AutorInnen zählt neben Angela Prokoph-Schmitt auch Ramin Peymani, Kreistagsabgeordneter der FDP im Main-Taunus-Kreis und Betreiber des rechten Kelkheimer Nachrichtenportals Liberale Warte, sowie Martin Breimann, aktiv bei der CDU-Offenbach. Hinzu kommen Robin Classen, Schriftführer der JA-Rheinland-Pfalz und Autor der Blauen Narzisse, Damian Lohr, Mitglied der DB-Burschenschaft Germania Halle zu Mainz, Alexander Jungbluth, Vorsitzender der JA Rheinland-Pfalz und Mitglied der völkischen Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn und Cornelius Persdorf, Beisitzer im Landesvorstand der JA Rheinland-Pfalz und Landtagsreferent der AfD. Classen wurde 2012 Schriftführer des von Fiedler in Anlehnung an die FPÖ-Jugendorganisation gegründeten Rings Freiheitlicher Jugend Deutschlands und besuchte in dieser Funktion Gleichgesinnte in „Südtirol“. Zu den weiteren AutorInnen gehören Hans-Jürgen Heyne, der auf seinem rechten Seligenstädter Lokalblog Politik am Spieß von „Juden, Saudis, US-Amerikaner[n] […] oder sonstige[n] Gutmenschen [die] andere Völker massakrieren“, schreibt, Claudio Michele Mancini, Mafia-Autor mit reaktionären Ansichten, sowie Jörg Pollert, Susanne Klein und Josef Mühlbauer. Verwundern dürfte bei dieser AutorInnenschaft nicht, dass es sich bei vielen Artikeln um Angriffe auf SPD, Die Linke, Die Grünen und als „zu links“ empfundene Teile der CDU handelt. Ein Geschäftsfeld der Depesche-Medien scheint das Verfassen ungekennzeichneter Werbebeiträge zu sein. Häufig begleiten deren Wirtschaftsnachrichten bestimmte Firmen über einen längeren Zeitraum und liefern statt kritischer Berichterstattung kaum verhüllte Werbung.

Keine Konsequenzen

Als es zur kritischen Berichterstattung über die HD kam, drückte sich die hessische CDU vor der Übernahme jeglicher Verantwortung. Frank Lortz und andere CDU-PolitikerInnen auf Landes- und Kommunalebene wurden bereits 2015 von ParteikollegInnen auf das rechte Treiben hingewiesen, ignorierten dies aber. Lortz verstieg sich gar dazu, die CDU als eigentlich Geschädigte darzustellen. Clemens Jäger, Kreisgeschäftsführer der CDU-Offenbach, sieht bei seinen ParteikollegInnen keine rechte Gesinnung und beschreibt ihre Investitionen als Privatangelegenheit. Auch das Landesamt für Verfassungsschutz lehnte eine Beobachtung ab. Das Treiben der HD wird demnach also erst einmal ungestört fortgesetzt werden können.

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Alain de Benoist (mitte) auf dem Weg zum Burschenhaus.
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