Vertreter des "Flügels": Der Landtagsabgeordnete Christian Blex (r.).
PM Cheung

Anbiederung und Provokation

Die AfD-Fraktion im Landtag NRW

Im Mai 2017 zog die AfD mit zunächst 16 Angeordneten in den Düsseldorfer Landtag ein. Bereits nach fünf Monaten war die Fraktion auf 13 Mitglieder geschrumpft, die internen Streitigkeiten aber dauern bis heute an. Akzente konnte die AfD mit ihrer durchaus professionellen parlamentarischen Arbeit bislang nur wenige setzen.

Im Mai 2017 zog die AfD mit zunächst 16 Angeordneten in den Düsseldorfer Landtag ein. Bereits nach fünf Monaten war die Fraktion auf 13 Mitglieder geschrumpft, die internen Streitigkeiten aber dauern bis heute an. Akzente konnte die AfD mit ihrer durchaus professionellen parlamentarischen Arbeit bislang nur wenige setzen. Bereits vor der Landtagswahl war der NRW-Landesverband gespalten in Anhänger*innen und erbitterte Gegner*innen des im Juni 2014 gewählten Landessprechers Marcus Pretzell. Im Wahlkampf war Pretzell de facto der einzige öffentlich sichtbare Kandidat seiner Partei. Auch auf der Landesliste konnte er vor allem „seine“ Leute platzieren. Unter den neu gewählten Abgeordneten ließen sich nur Christian Blex und Thomas Röckemann eindeutig dem völkisch-nationalistischen „Flügel“ zurechnen, der gegen Pretzell opponierte.

Doch nach der Bundestagswahl im September 2017 verschoben sich die Machtverhältnisse in der Fraktion, als Pretzell seiner Ehefrau Frauke Petry folgte und aus der Partei austrat. Mit zwei Getreuen tritt er im Landtag nun als Blaue Partei auf, eine Fraktion konnten sie jedoch nicht bilden. Von ihrem Recht, Kleine Anfragen zu stellen, machen die Abweichler aber regen Gebrauch. Thematisch zeigen sich große Schnittmengen mit der AfD, eine Kooperation gibt es aber nicht. Die persönliche Feindschaft sitzt tief: Als die AfD-Fraktion im Oktober 2018 einen auf Pretzell gemünzten Antrag gegen „Doppelmandate“ einbrachte, setzte der damals auch im Europaparlament Sitzende zu einer Wutrede an, in der er unter anderem Blex vorwarf, „zu feige zum Eintritt in die NPD zu sein“, aber Leuten zur „Infiltration in die AfD“ zu verhelfen, gegen die Unvereinbarkeitsbeschlüsse vorlägen.

Nach Pretzells Abgang wurden die Sprecherposten an der Spitze des Landesverbands paritätisch mit je einem Vertreter der konkurrierenden Flügel besetzt. Die internen Querelen aber blieben. So griff im Februar 2019 der Landessprecher und stellvertretende Fraktionsvorsitzende Helmut Seifen seinen Co-Sprecher Thomas Röckemann sowie Christian Blex massiv an. In einem internen Schreiben warf er ihnen eine stärkere Loyalität zum „Flügel“-Chef Björn Höcke als zum eigenen Landesverband vor. Mit Hilfe des „Flügels“ bauten sie in NRW „Parallelstrukturen“ auf, was die innerparteilichen Abläufe untergrabe und Wähler*innen verschrecke. Seifens Schlussfolgerung, die „Marschrichtung“ der AfD NRW müsse in der Bildung eines schlagkräftigen Instruments gegen „parteipolitische Gegner“ und „radikale linke Kräfte der Straße“ liegen, zeigt aber, dass die Gründe für den Streit weniger inhaltliche, sondern strategische Differenzen sind.

„Linksextremismus“, Migration und Innere Sicherheit

Dass die AfD die parlamentarische Arbeit als Instrument gegen ihre politischen Kritiker*innen nutzt, zeigte bereits ihr erster Antrag vom Juni 2017, mit dem die Einführung einer „Extremismusklausel“ für staatlich geförderte Initiativen gegen rechts beschlossen werden sollte. Zwar wurde der Antrag von den anderen Fraktionen abgelehnt, in der Folge stellte die AfD aber weitere Kleine Anfragen, die schließlich in einer Großen Anfrage mit dem Titel „Linksextremismus in NRW strukturell erfassen und effektiv bekämpfen“ mündete. 35 Prozent aller parlamentarischen Dokumente der AfD zur Sicherheitspolitik haben den angeblichen „Linksextremismus“ zum Thema. Ziel ist die Ausforschung aller Projekte gegen rechts und die Markierung selbiger als „linksextrem“.

Die internen Querelen blockieren die Landtagsarbeit der AfD-Fraktion nicht. Bislang hat sie 519 kleine Anfragen, 103 Anträge, zehn Gesetzesentwürfe und fünf große Anfragen eingebracht. Im Vergleich zur um eine Abgeordnete größeren Fraktion der Grünen ist der AfD-Output aber fast ein Viertel niedriger. Trotzdem ist man mit der eigenen Arbeit zufrieden. Markus Wagner, der Pretzell als Fraktionsvorsitzenden abgelöst hat, erklärte anlässlich des einjährigen Bestehens der Fraktion, man weise „Alleinstellungsmerkmale“ auf — etwa im Veto gegen Russland-Sanktionen oder im Ziel der Grenzsicherung und Verhinderung von ungesteuerter Migration. Die AfD sei im Gegensatz zur CDU das „Original“ und kein „Plagiat“. Wagner, der aus der Schill-Partei stammt, zählt zum „gemäßigten“ Parteiflügel, doch er tritt mit klarer Rechtsaußen-Rhetorik auf, etwa wenn er in einer Landtagsrede zum Haushalt 2019 dem CDU-Ministerpräsidenten vorwirft, er wolle den Islam „zum Markenkern von NRW“ machen, und er die AfD zur einzigen Kraft „gegen die zunehmende Islamisierung unseres Landes“ erklärt.

Keine Zusammenarbeit mit der AfD

Trotz der politischen Angriffe auf die Union stimmt die AfD-Fraktion oftmals mit der Regierungskoalition. Aber alle Versuche, sich CDU und FDP anzudienen, scheitern. Die Front der Ablehnung gegenüber der AfD im Landtag ist geschlossen. Dies zeigt sich darin, dass sich die AfD nicht an fraktionsübergreifenden Anträgen beteiligen darf und es abgestimmte Reaktionen auf ihre Provokationen gibt. Nur einmal geriet diese Front ins Wanken. Die AfD beantragte die Bildung einer Enquete-Kommission zu angeblichen „Parallelgesellschaften“. Bei der Abstimmung enthielten sich CDU und FDP, da es parlamentarische Gepflogenheit ist, jeder Fraktion eine Enquete zu gewähren. Da SPD und Grüne gegen den Antrag stimmten, blieb der AfD dieses Gremium verwehrt.

Die Themen Migration und, damit verknüpft, Innere Sicherheit bestimmen die Arbeit der AfD-Fraktion. Die rigide Abschiebe-Politik der Landesregierung und die Ansichten des Innenministers Herbert Reul (CDU) zum „Linksextremismus“ machen es der AfD aber schwer, eigene Akzente zu setzen. Zudem greifen CDU und FDP selbst tief in die populistische Trickkiste, etwa wenn Verkehrsbehinderungen durch „türkische Hochzeitskorsos“ zu einem großen Sicherheitsproblem hochgespielt werden.

Auf den ersten Blick verwunderlich ist die große Zahl an Anträgen zur Umweltpolitik. Doch bei näherer Betrachtung verbergen sich dahinter der Kampf gegen Erneuerbare Energien, vor allem die Windkraft, und Positionen, die die Umweltschädlichkeit von Emissionen durch Diesel-Fahrzeuge in Frage stellen. In ihrer Ablehnung von Klimaschutz-Maßnahmen versucht sich die AfD zudem als Interessenvertretung der Unternehmen zu inszenieren. Und natürlich wird auch das „Schule Schwänzen“ durch die Aktiven von „Fridays for Future“ skandalisiert. In der Bildungspolitik vertritt die AfD-Fraktion ansonsten eine elitäre Ausrichtung.

Persönliche Distanz bröckelt

Abseits der Plenarsitzungen findet die parlamentarische Arbeit vor allem in den Ausschüssen statt. In der Anfangszeit arbeitete die AfD dort kaum mit, mittlerweile hat sie aber erkannt, dass einigen Ausschüssen durchaus Medienaufmerksamkeit zukommt. Außerdem nutzen die AfD-Abgeordneten die kleinen Runden offenbar strategisch, um in Kontakt mit anderen Parlamentarier*innen zu kommen und zu ihnen eine persönliche Ebene aufzubauen. Einige Abgeordnete von CDU und SPD steigen auf diese „Charme-Offensive“ ein. Landtagsinsider berichten von freundlichen Gesprächen über Kinder und Hobbys. Die persönliche Distanz zu einzelnen AfD-Abgeordneten bröckelt.

Auch wenn die AfD durchaus versucht, im Landtag gemäßigt aufzutreten, sind Provokationen und politische Angriffe ebenso häufig, beispielsweise durch Christian Blex oder den Abgeordneten Roger Beckamp. Videos ihrer Reden verbreiten sie auf YouTube. Die Privat-Accounts von Abgeordneten weisen dabei eine größere Reichweite auf als der Kanal „AfD-Landtagsfraktion NRW“. Seit die Partei dort verstärkt Mitschnitte ihrer Plenarreden veröffentlicht, sind aber auch dort die Klickzahlen gestiegen. Zwar wird dem NRW-Landtag bei Weitem nicht dieselbe Aufmerksamkeit wie dem Bundestag zuteil, einige Abgeordnete wissen aber die Bühne zu nutzen, die ihnen das Parlament bietet.