Marko Gottschalk (r.) in der Kutte der "Brothers of Honour"
Screenshot Facebook

Eine fortlaufende Groteske

Zum Verbot von „Combat 18 Deutschland“

Der Vollzug des Verbotes von „Combat 18 Deutschland“ am 23. Januar 2020 bildet den Höhepunkt der Groteske, die sich im staatlichen Umgang mit dieser Struktur zeigt. Nachdem diese über Jahre von den Behörden ignoriert und klein geredet worden war, ist nun vor allem interessant, wer vom Verbot nicht betroffen ist.

Der Vollzug des Verbotes von „Combat 18 Deutschland“ am 23. Januar 2020 bildet den Höhepunkt der Groteske, die sich im staatlichen Umgang mit dieser Struktur zeigt. Nachdem diese über Jahre von den Behörden ignoriert und klein geredet worden war, ist nun vor allem interessant, wer vom Verbot nicht betroffen ist.

Durch die auf den 6. Dezember 2019 datierte 71-seitige Verbotsverfügung zieht sich die konsequente Verweigerung, die Gruppe so zu benennen, wie sie sich selbst nennt und im internationalen Netz­werk aufstellt: Blood & Honour / Combat 18 (B&H/C18). Lediglich in Deutsch­land tritt sie zumeist als Combat 18 Deutschland auf, da hierzulande Blood & Honour seit 2000 verboten ist und man allzu offene Bezüge vermeiden möchte. „Mindestens 20 Mitglieder“ rechnet das Bundesinnenministerium der Organisation zu, lediglich sieben von ihnen wurde die Verbotsverfügung zugestellt. Tatsächlich besteht die deutsche Struktur von B&H/C18 aus mehreren Untergruppen und Sektionen, denen insgesamt an die 100 Personen angehören dürften. Die Behörden indes reduzieren das deutsche B&H/C18 auf einen eng gesteckten Kreis um Stanley Röske aus Eisenach in Thüringen, der aber nur eine von mehreren Führungspersonen ist.

Die Personen, denen die Verbotsverfügung ausgehändigt wurde, sind Röske, Keven Langner aus Erfurt, David Görgen aus Trierweiler in Rheinland-Pfalz, Josef Liedtke aus Wildau in Brandenburg, Gregor Alexander Michels aus Malchin in Mecklenburg-Vorpommern, Daniel Ott aus Lautertal im hessischen Vogelbergkreis sowie Robin Schmiemann aus Castrop-Rauxel im Ruhrgebiet. Alle sind bekannte Neonazis, die in den vergangenen Jahren in Zusammenhang mit B&H/C18 auffielen. Warum ausgerechnet sie ausgewählt wurden, ist das Geheimnis der zuständigen Behörden. Alleine in NRW und Hessen gibt es zwei bis drei Dutzend weitere Personen, die sich bis unmittelbar vor dem Verbot als zugehörig zu B&H/C18 zu erkennen gaben.

Das deutsche „Blood & Honour“

In der Verbotsverfügung wird nicht ein einziges Mal auf das Selbstverständnis von B&H/C18 eingegangen, Teil des internationalen Netzwerks von Blood & Honour zu sein und darin das authentische und „anerkannte“ deutsche B&H zu repräsentieren. Dabei lässt die Organisation keine Gelegenheit aus, dies zu betonen. In der Verbotsverfügung wird lediglich angemerkt, dass ein 2018 erschienener Musiksampler von Combat 18 Deutschland auf dem Cover das Kürzel von B&H abbildet und dass „im Rahmen ihrer Aufnahmeprüfung Fragen zur Historie von ‚Combat 18‘ als auch zur verbotenen Organisation ‚Blood & Honour‘ gestellt werden“. Es ist absurd. Im Dezember 2018 ging die Staatsanwaltschaft München mit Razzien gegen Röske und mehrere Mitglieder der bayerischen Sektion von B&H/C18 vor. Die bayerischen Behörden ermittelten explizit wegen der Weiterführung von Blood & Honour und vermieden es in ihren Verlautbarungen, die Gruppe als Blood & Honour / Combat 18 oder als Combat 18 Deutschland zu benennen. Ein Jahr später wird Combat 18 Deutschland verboten, die bayerische Sektion bleibt dabei unangetastet und der Aspekt der Weiterführung von Blood & Honour spielt auf einmal keine Rolle mehr.

Die Chefs

In der Verbotsverfügung wird ausgeführt, dass der Engländer William Browning, Mitbegründer von Combat 18 in den frühen 1990er Jahren, heute der Europachef sei und in ständigem Kontakt zu den Mitgliedern in Deutschland stehe. In der Exif-Veröffentlichung „Combat 18 reloaded“ von Juli 2018 wurden die Strukturen des deutschen Combat 18 weitgehend offen gelegt. Noch am Tag, als dieser Text erschien, suchte Röske Rat bei Browning und versuchte sich mit ihm zu verabreden. Als rechte Hand des englischen Anführers gilt Robin Schmiemann, der am 26. Juli 2019 in einem Videoclip als Sprecher von Combat 18 Deutschland auftrat und darin Journalist*innen bedrohte, die über die Gruppe berichtet hatten. Die Verbotsverfügung zitiert eine WhatsApp-Nachricht, in der Schmiemann nach einem Neonazi-Aufmarsch am 3. Oktober 2018 Röske berichtete: „Einem linken ne Glas flasche übern Kopf gezogen — sofort Schach Matt, n bullen weg getreten… So wird Geschichte geschrieben…“ Für ihn hatte das — soweit bekannt — keine Konsequenzen.

Wer alles nicht betroffen war

Schmiemann zählt zum Kreis der Brothers of Honour, einer selbsternannten „Bruderschaft“, die im Rocker-Style mit Lederwesten auftritt. Sie hat ihren Schwerpunkt in NRW und Mitglieder in mehreren europäischen Ländern. Es dürfte den Verfasser*innen im Bundesinnenministerium einiges an Kopfzerbrechen bereitet haben, in den 71 Seiten der Verbotsverfügung nicht ein einziges Mal auf diese Gruppe einzugehen. „Präsident“ der Brothers of Honour ist der Dortmunder Marko Gottschalk. Er ist Frontmann der Musikgruppe Oidoxie, die seit vielen Jahren als Sprachrohr von Combat 18 auftritt und in den Neonazi-Szenen international Ansehen als Vertreterin des deutschen Combat 18 genießt (vgl. LOTTA #62).

In dem Exif-Artikel „Never change a running System — Warum der Staat sich so schwer tut, gegen Blood & Honour / Combat 18 vorzugehen“ vom August 2019 wird aufgezeigt, wie unmissverständlich sich die Brothers of Honour zu Combat 18 bekennen. So traten Mitglieder der Brothers of Honour mit dem C18-Drachen, dem Organisationsabzeichen von B&H/ C18, auf und auf ihren Lederwesten prangen Aufnäher mit dem Spruch „Whatever it takes“ und der Grußformel „28FF28“. „Whatever it takes“ („Was immer auch nötig ist“ / „Mit allen Mitteln“) ist seit den 1990ern ein Leitspruch und eine Kampfparole von Combat 18, „28FF28“ meint „28 Forever Forever 28“. Die Zahl 28 steht für die Buchstaben B und H und etablierte sich nach dem Verbot des deutschen B&H im Jahr 2000 als chiffriertes und legales Bekenntnis zu Blood & Honour. Gottschalk lässt über seinen Anwalt bestreiten, dass sich die 28 auf seiner Kutte auf Blood & Honour bezieht. „BH“ stünde halt für Brothers of Honour. Doch zwischen 2012 und 2016 wohnte Gottschalk in Schweden und trat dort in der Kleidung der „Section Scandinavia“ von Blood & Honour auf.

Vom Verbot nicht betroffen waren auch die Mitglieder der Gruppe Brigade 8 (B8). Die B8 hat in Deutschland drei bis vier Dutzend Mitglieder und war im März 2019 als Gruppe ins Netzwerk von B&H/C18 aufgenommen worden. Unangetastet blieb neben der bayerischen Sektion von B&H/C18 beispielsweise auch eine mehrköpfige Gruppe aus Frankfurt an der Oder, die in den vergangenen Jahren bei kaum einem wichtigen B&H/C18-Event im In- und Ausland fehlte und sich dabei mit C18-Symbolik in den Vordergrund drängte. Das Innenministerium Brandenburg geht in seinen Antworten auf eine „Kleine Anfrage“ der Partei Die Linke vom Februar 2020 zu „Combat 18 in Brandenburg“ mit keinem Wort auf die Gruppe aus Frankfurt an der Oder ein. Verwundern tut dies nicht, denn ihr Anführer pflegt eine enge Beziehung zum Kreis der Brothers of Honour.

Dieser Artikel erschien in anderer Form auch im Antifaschistischen Infoblatt. Die Exif-Artikel über Combat 18 in Deutschland, verfasst 2018 und 2019, finden sich unter https://exif-recherche.org/

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