Rechter Soldat bald vor Gericht

Zum anstehenden Prozess gegen Franco A.

Der extrem rechte Bundeswehrsoldat Franco A. wird voraussichtlich ab Herbst vor Gericht stehen. Die Anklage wegen Vorbereitung eines terroristischen Anschlags musste erst von der nächsthöheren Instanz gegen das Gericht durchgesetzt werden.

Der extrem rechte Bundeswehrsoldat Franco A. wird voraussichtlich ab Herbst vor Gericht stehen. Die Anklage wegen Vorbereitung eines terroristischen Anschlags musste erst von der nächsthöheren Instanz gegen das Gericht durchgesetzt werden.

Der Prozess gegen Franco A. wird nicht vor Oktober 2020 beginnen, so gab es das zuständige Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main Anfang Juni bekannt. Der Staatsschutzsenat des Gerichts sei bis dahin wegen der Prozesse gegen die mutmaßlichen Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke sowie gegen ein Mitglied des Islamischen Staates (IS) ausgelastet. Damit startet der Prozess erst dreieinhalb Jahre nach dem öffentlichen Bekanntwerden des Skandals um den extrem rechten Bundeswehrsoldaten.

A. ist angeklagt wegen Betrugs, Diebstahls, Verstößen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und der Vorbereitung einer „schweren staatsgefährdenden Straftat“. Die Ermittlungen gegen ihn begannen, als er im Februar 2017 bei dem Versuch verhaftet wurde, eine Pistole aus einem Versteck auf dem Wiener Flughafen zu holen, die er einige Tage zuvor dort deponiert hatte. Bei der Überprüfung der Fingerabdrücke fiel auf, dass er sich als syrischer Flüchtling unter dem Namen David Benjamin hatte registrieren lassen. Seine Überwachung zeigte, dass er sich in Chatgruppen rassistisch und antisemitisch äußerte.

Bei einer Hausdurchsuchung seines Kasernenzimmers und 15 weiterer Orte wurden mehrere illegale Waffen, über 1.000 Schuss Munition, gestohlene Sprengzünder, CDs mit nationalsozialistischen Liedern und Bücher wie „Mein Kampf“, „Der totale Widerstand“ und ein weiteres Buch mit Anleitungen zum Bombenbau gefunden. Zudem fand sich bei A. eine Liste mit Namen von Personen aus der Zivilgesellschaft und von hochrangigen Politiker*innen, die als Vertreter*innen einer Willkommenskultur betrachtet werden können. Zudem fanden sich Notizen zu Überlegungen, einen Gedenkstein für die Familie Rothschild in Frankfurt zu sprengen und einen Flüchtling eine Handgranate in eine Gruppe Antifaschist*innen werfen zu lassen.

Aufgrund dieser umfangreichen Funde wird Franco A. von der Bundesanwaltschaft angeklagt und verdächtigt, getarnt als Flüchtling einen False-Flag-Anschlag geplant und vorbereitet zu haben. Für den Anschlag auf eines der ausgewählten Ziele hätte demnach ein syrischer Flüchtling verantwortlich gemacht werden sollen, um die rassistische Stimmung gegen Geflüchtete in Deutschland anzuheizen. Bereits Ende 2013 hatte Franco A. eine Masterarbeit an der französischen Militärakademie Saint-Cyr eingereicht, die aus völkisch-rassistischen und antisemitischen Verschwörungstheorien bestand. Unter anderem vertrat er hier Verschwörungserzählungen vom „Austausch der Bevölkerung“, von Migration als „Genozid“ und von einer jüdischen Weltverschwörung.

Widerstand vom OLG gegen Anklage

Der anstehende Prozess gegen Franco A. musste vom Bundesgerichtshof (BGH) gegen den Willen des OLG Frankfurt durchgesetzt werden. Dieses hatte in einer abenteuerlichen Entscheidung die Anklage der Bundesanwaltschaft wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat abgelehnt. Die Begründung: Gerade weil Franco A. alle notwendigen Vorbereitungen für einen Terroranschlag getroffen hatte und trotzdem bis zu seiner Festnahme keinen beging, sei dies ein Beleg dafür, dass er nicht fest entschlossen dazu gewesen sei. Die umfangreichen Vorbereitungen für einen möglichen Anschlag, dass er ein mögliches Anschlagsziel persönlich ausgekundschaftet und sich eine Tarnidentität als Geflüchteter beschafft hatte, dass er ein ganzes Arsenal an Waffen und Sprengstoff angelegt und Bücher über das Bauen von Bomben gesammelt hatte, wurden somit zu seinen Gunsten ausgelegt. Eine derartige Begründung ist auch für das OLG Frankfurt außergewöhnlich.

Der BGH widersprach der Entscheidung des OLG Frankfurt im November 2019 und sah dessen Einwand als nicht gerechtfertigt an. Ebenso wie das OLG Frankfurt zuvor ordnete der BGH dabei sogenannte Nachermittlungen durch das BKA an. Dem zugrunde lag die Überzeugung, dass die zuständige Staatsanwaltschaft und Polizei nicht ausreichend ermittelt hätten, bevor Franco A. angeklagt wurde. Bereits durch die vom OLG Frankfurt angeordneten Nachermittlungen war bekannt geworden, dass A. sich im Juli 2016 Zugang zu der Tiefgarage der Amadeu-Antonio-Stiftung verschafft hatte, um diese auszukundschaften, einen Lageplan zu erstellen und Fotos der parkenden Autos zu machen. Die Vorsitzende der Stiftung stand mit auf der Liste, die bei A. gefunden wurde.

Die Nachermittlungen des BGH förderten dann zu Tage, dass sich A. wahrscheinlich schon 2016, sechs Tage nach dem Einbruch bei der Stiftung, in Paris die Pistole besorgt hatte, die eineinhalb Jahre später auf der Toilette des Wiener Flughafens gefunden wurde und die Ermittlungen ins Rollen brachte. Am selben Tag hatte er in Paris zudem mutmaßlich die Vorsitzende eines dort ansässigen russischen Instituts besucht. Was sich A. von diesem Besuch erhoffte und von wem genau der Soldat einer deutsch-französischen Einheit die Zweite-Weltkriegs-Pistole in Paris kaufte, ist ungeklärt.

Franco A. sucht das Licht der Öffentlichkeit

Während die unterschiedlichen Instanzen der Justiz juristisch um das Verfahren stritten, suchte Franco A. immer wieder die Öffentlichkeit: Zum Jahreswechsel 2018/19 besuchte er in Berlin Treffen des dortigen Gesprächskreises der Nachdenkseiten und Treffen einer Ortsgruppe der Partei Die Linke, in der auch seine Lebensgefährtin Sophia T. aktiv war. Anfang September besuchte er den „Tag der offenen Tür“ im Bundestag, wo sein zeitweise als Komplize verdächtigter Bundeswehrkamerad aus Illkirch, Maximilian T., auf seine Anwesenheit aufmerksam gemacht haben soll. T. ist der Bruder von A.s Lebensgefährtin. Nur etwa eine Woche später besuchte A. den Prozess gegen seinen Komplizen Mathias F. als Zuschauer. Als dessen Anwalt auf A. aufmerksam machte, verließ er den Saal. Am 14. Februar 2020 nahm A. am Neujahrsempfang der Ortsgruppe der Grünen in seinem Wohnort Offenbach teil. Eine ehemalige Lehrerin von ihm habe ihn erkannt, meldeten die Veranstalter*innen im Nachhinein.

Während es in den meisten Medien leise geworden war um Franco A., besuchte die seit Jahren immer weiter nach rechts driftende Neue Zürcher Zeitung (NZZ) ihn für eine dreiteilige Artikelserie, die im April 2019 erschien. In dieser als Reportage getarnten Homestory über den mutmaßlichen Rechtsterroristen durften A., seine Lebensgefährtin und seine Mutter ein Bild zeichnen, das absolut nicht zu einem Mann passt, der Kriegswaffen stiehlt, antisemitische Verschwörungserzählungen verbreitet und bei dem Naziliteratur wie „Mein Kampf“ gefunden wurde. Stattdessen nutzten A. und seine Familie die Artikel der NZZ, um ihn als politisch interessierten „Querdenker“ zu präsentieren, der ohne Schranken im Kopf in alle Richtungen denke. Seine Tarnidentität als syrischer Flüchtling sei keine Vorbereitung eines Terroranschlags unter falschem Namen gewesen, sondern ein investigatives Projekt.

Verteidigungsstrategie

Warum Franco A. immer wieder das Licht der Öffentlichkeit sucht, ist unklar. Die Inszenierung in der Artikelserie der NZZ und die für einen mutmaßlichen Rechtsterroristen ungewöhnlichen Besuche bei Veranstaltungen der Die Grünen und Die Linke passen jedoch zu einer Verteidigungsstrategie, mit der A. bereits 2014 erfolgreich war: Nachdem er sein rassistisches und antisemitisches Pamphlet als Masterarbeit eingereicht hatte, kam ein erstes Gutachten der Bundeswehr zu dem Schluss, dass es Hinweise auf eine radikalnationalistische und rassistische Gesinnung enthalte. Trotzdem folgten gegen A. nach einer Prüfung keinerlei Sanktionen, er konnte sein Studium bei der Bundeswehr nach Erstellung einer neuen Masterarbeit abschließen. In einer Vernehmung verteidigte A. seine Masterarbeit als „unkonventionellen“ Versuch, sich in eine andere Rolle zu versetzen. Die Prüfer*innen folgten dem und bezeichneten ihn als „Opfer seiner eigenen intellektuellen Fähigkeiten“.

Der kommende Prozess wird zeigen, ob Franco A. an dieser in der Vergangenheit für ihn erfolgreichen Strategie festhält und die Vorwürfe, er habe einen terroristischen Anschlag aus einer rassistischen Gesinnung heraus geplant, versucht abzuwehren, indem er sich wieder als Freigeist inszeniert, der versucht, sich in eine andere Rolle zu versetzen.

Geringe Strafe für Komplizen

Die zwei Männer, die zeitweise verdächtigt wurden, A. bei seinen Anschlagsplänen unterstützt zu haben, kamen mit geringen Strafen davon, oder die Ermittlungen wurden sogar komplett eingestellt: Das Ermittlungsverfahren gegen Maximilian T. wurde im November 2018 eingestellt. Er war im Mai 2017, wenige Tage nach Franco A., festgenommen worden und saß zwei Monate in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft war überzeugt, T. habe nicht nur Franco A.s Fehlen bei der Bundeswehr gedeckt, während dieser seiner Tarnidentität als Geflüchteter nachging, sondern auch an der Liste mit möglichen Anschlagszielen mitgewirkt. Das aber konnte ihm nicht nachgewiesen werden, weswegen die Vorwürfe fallengelassen wurden.

Pikant ist, dass T. noch während der Ermittlungen gegen ihn vom AfD-Bundestagsabgeordneten Jan Nolte als persönlicher Referent eingestellt wurde. Da Nolte Mitglied im Verteidigungsausschuss des Bundestags ist, erhielt T. so vermutlich Zugang zu geheimen Informationen der Bundeswehr — möglicherweise auch bezüglich der Ermittlungen gegen ihn selbst und seinen Bundeswehrkameraden Franco A.

Franco A.s Jugendfreund Mathias F. war angeklagt, weil er in seinem Studentenwohnheimzimmer im hessischen Friedberg illegale Waffen und Schriften für A. versteckt hatte. Er wurde zu 2.500 Euro Geldstrafe und drei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt.

Auch im ersten Prozess um extrem rechte Prepper-Chatgruppen und den Verein Uniter gab es ein mildes Urteil. Franco A. war selbst in einer der regionalen Prepper-Chatgruppen des Administrators und KSK-Soldaten Andre S. alias „Hannibal“ aktiv und soll an Treffen von Vereinsmitgliedern teilgenommen haben. Eines der Mitglieder einer der anderen Chatgruppen mit dem Namen „Nordkreuz“, der inzwischen suspendierte SEK-Polizist Marko G., war wegen illegalen Besitzes mehrerer Schusswaffen und tausender Schuss Munition angeklagt. Das Gericht verurteilte ihn dafür zu nur 21 Monaten auf Bewährung. Seine politische Haltung wurde in dem Urteil explizit außenvor gelassen.

Ob auch Franco A. in dem im Herbst anstehenden Prozess mit einem derart milden Urteil rechnen kann, wird sich zeigen. Die Anklagepunkte wegen Betrugs, Diebstahls und Verstößen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz sollten nur schwer auszuräumen sein. Anders sieht es bei der Anklage wegen der Vorbereitung eines terroristischen Anschlags aus: Dass das OLG die Anklage hierzu bereits im Vorfeld nicht zulassen wollte und erst eine Watsche vom BGH brauchte, könnte darauf hinweisen, wie wenig ernst das Gericht die mutmaßlichen Terrorpläne des Soldaten nehmen wird.

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