Artikel von Rainer Roeser

Von Rainer Roeser Motor der Radikalisierung Entwicklung und aktueller Zustand der „Jungen Alternative“

Personell, programmatisch und strukturell arbeitet die „Junge Alternative“ (JA) seit Mitte des vorigen Jahrzehnts an einer Radikalisierung der AfD. Früher als in der Partei setzte sich hier Personal vom Rechtsaußen- Flügel durch. Programmatisch ging die JA deutlich über parteioffizielle Erklärungen hinaus. Strukturell erwies sich der AfD-Nachwuchs als offen gegenüber extrem rechten Einflüssen von außerhalb und versucht mit dem Modell einer „Mosaik-Rechten“, den Einfluss der primär auf Parlamentsarbeit orientierten Teile der AfD zurückzudrängen.

Foto: Roland Geisheimer | attenzione
AfD rettet sich mit Mühe und 5,44 Prozent wieder in den NRW-Landtag

Bei der „Wahlparty“ der AfD versuchte man am Wahlabend, gute Miene zum — aus eigener Sicht — bösen Spiel zu machen. Freudig beklatscht wurden die fünfeinhalb, sechs Prozent, als die Prognosen der Fernsehanstalten über die Bildschirme flimmerten. Spitzenkandidat Markus Wagner sagte es in jedes erreichbare Mikrofon: Die AfD habe doch geschafft, was noch keiner anderen neuen Partei gelungen sei — zum zweiten Mal angetreten und zum zweiten Mal ins Parlament eingezogen.

Foto: @infozentrale
"Gesund ohne Zwang"-Kundgebung der AfD NRW am 5. März 2022 vor dem NRW-Landtag.
Die AfD vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen


Die Inszenierung hätte so schön sein können. Mit klarer Mehrheit wählte Anfang Februar 2022 ein Parteitag in Siegen Martin Vincentz zum AfD-Landeschef in NRW. Nach dem ersten Parteichef Alexander Dilger, der noch im Übermaß das Flair der neoliberalen „Professorenpartei“ verströmt hatte, nach dem halbseiden wirkenden Marcus Pretzell, nach dem dauermonologisierenden Martin Renner, nach dem verkrachten Führungsduo Helmut Seifen/Thomas Röckemann und nach dem sich chronisch überschätzenden Rüdiger Lucassen schien endlich ein neuer Vorsitzender ohne all die Makel seiner Vorgänger gefunden zu sein.

Foto: AfD Watch BO
AfD musste bei der Bundestagswahl Verluste hinnehmen

So gerne hätte man bei der AfD ein paar Monate lang alle internen Konflikte hinter einer möglichst blickdichten Nebelwand verschwinden lassen. Wenigstens für ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl wollte man ein freundliches Bild abgeben. Freilich: Es sollte nicht gelingen. Am Ende stand ein Wahlergebnis von nur noch 10,3 Prozent, 2,3 Prozentpunkte weniger als bei der Bundestagswahl 2017.

Foto: Roland Geisheimer | attenzione
Auf der „Querdenken“-Demo am 29. August 2020 in Berlin war die AfD zahlreich vertreten.
Die AfD in Corona-Zeiten

Der Parteichef redete sich nicht etwa in Rage. Stattdessen war es eine kühl kalkulierte Entladung, die die rund 500 Delegierten in Kalkar erlebten. „Wir werden nicht mehr Erfolg erzielen, indem wir immer aggressiver, immer derber, immer enthemmter auftreten“, wetterte Jörg Meuthen beim AfD-Parteitag Ende November und schimpfte auf jene in der Partei, die sich wie „pubertierende Schuljungen“ oder „Politkasperle“ aufführten, „die nur allzu gerne rumkrakeelen und rumprollen“ würden.

Foto: Protestfotografie Münster
Zum Abschneiden der AfD bei den Kommunalwahlen in NRW

Auf gerade einmal 5,1 Prozent kam die AfD bei den Kommunalwahlen am 13. September 2020 in NRW. Gehofft hatte sie mindestens auf das Doppelte. Die Fortsetzung der internen Auseinandersetzungen ist garan- tiert. Der Landesverband bleibt tief gespalten.

Foto: Protestfotografie Münster
Die AfD vor der Kommunalwahl in NRW

Not kann erfinderisch machen. Und tatsächlich litt die AfD große Not, als sie sich an die Vorbereitung der auf den 13. September 2020 terminierten NRW-Kommunalwahl machte. Vor allem mangelte es ihr an Kandi­datInnen.

Foto: Sebastian Weiermann
Die NRW-AfD nach dem Landesparteitag in Kalkar

Die nordrhein-westfälische AfD hat Anfang Oktober einen neuen Vorstand gewählt – ganz ohne die Anhänger des „Flügels“. Kaum weniger radikal, aber „gemäßigter“ im Tonfall und nicht so „ostig“ und völkisch-nationalistisch wie Björn Höcke. Zumindest vorläufig könnte etwas mehr Ruhe einkehren im größten Landesverband. Doch diese Ruhe könnte trügerisch sein.

Foto: Robert Rutkowski
AfD-Vorzeigemalocher Guido Reil (r.)
Die „Alternative für Deutschland“ vor der Europawahl

Hans-Thomas Tillschneider ist auch in der AfD eine umstrittene Figur. Die einen hassen ihn, weil er mit all seiner Radikalität abschreckt. Die anderen schätzen ihn, weil der Chef der „Patriotischen Plattform“ zuverlässig die Stichworte zur Radikalisierung der AfD liefert. An diesem Januartag im sächsischen Riesa aber spricht er beim Parteitag den meisten im Saal aus dem Herzen: „Seien wir ehrlich“, sagt er, „wenn wir die EU in unserem Sinne reformieren würden, dann bliebe von ihr nichts mehr übrig.“

Die AfD hat eine parteinahe Stiftung gefunden

Mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit verschafften die Delegierten des Parteitages Mitte 2018 der „Desiderius-Erasmus-Stiftung“ (DES) den Status einer parteinahen Stiftung. Vorausgegangen war eine heftige und jahrelange Diskussion über Sinn und Zweck einer Stiftung im Allgemeinen und dieser Stiftung im Konkreten.