Köln/Minden/Dormagen – Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert: Bei „pro NRW“ hält man von dem Sprichwort wenig. Der Ruf ist zwar hin, aber der Schein muss dennoch gewahrt bleiben.
Die „pro Köln“-Fraktionschefin Judith Wolter buhlt in diesen Tagen um „alle christlich und konservativ gesinnten“ CDU-Mitglieder, die bei ihrer „Bürgerbewegung“ eine neue Heimat finden könnten. Der „pro NRW“-Vorsitzende Markus Beisicht hat gar die Grünen im Blick und meint, dass jene, die es in deren Anfangsjahren ernst gemeint hätten mit deren Forderungen nach mehr Demokratie und einer offenen Diskussionskultur, „sowieso schon lange auf der Seite der neuen Bürgerrechtsbewegung von rechts“ stünden – und meint mit dieser Formulierung allen Ernstes (?) seine Rechtspopulistentruppe.
Die tatsächlichen Erfolge von „pro NRW“ und „pro Köln“ bei CDUlern und Grünen sind freilich eher sehr bescheiden. Ein paar christdemokratische Stadtteilpolitiker hat man gewinnen können, dazu eine lokale JU-Nachwuchskraft aus der Siegener Provinz. Wobei im einen oder anderen Fall der Bezirkspolitiker – vorneweg Jörg Uckermann – die CDU froh gewesen sein dürfte, sie schmerzfrei losgeworden zu sein. Als Beispiele geläuterter Grüner nennt Beisicht die Ex-Bundestagsabgeordneten Alfred Mechtersheimer und Torsten Lange. Der eine tummelt sich seit Jahren mit seiner „Deutschlandbewegung“ im Lager der extremen Rechten, der andere brauchte auf seinem Weg nach rechtsaußen nach seinem Austritt bei den Grünen vor immerhin 23 Jahren ein wenig länger, beschritt ihn aber kontinuierlich. Mit „Grün“ haben beide jedenfalls seit langem herzlich wenig zu tun.
Das Erbe der „christlich und konservativ“ gesinnten Unions-Anhänger oder der Ur-Grünen hat „pro“ also bisher nicht antreten können. Statt dessen hat man sich wesentlich kräftiger im Lager der darbenden „Republikaner“ bedient. Doch dessen scheint man sich zu schämen, als ob der Ruf der „Bürgerbewegung“ dadurch noch weiter leiden könnte.
Gleich drei Mal beschäftigte sich die Homepage von „pro NRW“ in den letzten Tagen in ihrer Rubrik „Regional“ mit dem neuesten Neuzugang aus dieser Richtung. Am 28. März hieß „pro NRW“-Generalsekretär Markus Wiener „Kreisrat Ulrich Manes ganz herzlich willkommen“ (was nur ganz nebenbei die Frage aufwirft, ob Wiener als Politikwissenschaftler, als der er firmiert, nicht eigentlich wissen müsste, dass es in Nordrhein-Westfalen keine „Kreisräte“ gibt). Am 5. April wurde dann über die Wahl des Mindener „pro“-Novizen Manes zum Kreisvorsitzenden berichtet und am 7. April über mediale Reaktionen auf dessen Wechsel zu „pro NRW“. Von wo Manes gewechselt ist? Den Lesern der „pro“-offiziellen Verlautbarungen wird es in allen drei Beiträgen vorenthalten.
Lieber gibt man sich als legitimer Erbe der CDU oder als „neue Bürgerrechtsbewegung“ in der Nachfolge der frühen Grünen, als einzugestehen, dass „pro NRW“ nichts anderes ist als der Versuch, die extreme Rechte im größten Bundesland unter dem Deckmantel einer „Bürgerbewegung“ und als „rechtsdemokratisch“ getarnt neu zu formieren.
PS: Dass es aus Sicht von „pro NRW“ angesagt ist, Kreide zu fressen, um Seriosität und Demokratiekompatibilität zu suggerieren, hat sich noch nicht bis in alle Ecken der „Bürgerbewegung“ herumgesprochen. Norbert Back aus Dormagen, Geschäftsführer der dortigen Ratsfraktion und Landtagskandidat, notierte am Samstag, nachdem er einen RTL-Extra-Beitrag über nichtintegrierte Jugendliche aus Migrantenfamilien gesehen hatte, auf der lokalen „pro“-Homepage: „diese Menschen, oder sollte man Tiere dazu sagen haben es nicht verdient hier zu Leben“ (Schreibweise im Original, Denkweise sowieso). (rr)