Nebenbei: „Pro NRW“-Bezirksvorsitzender erfindet kommunale Wirtschaftsförderung ganz neu

Gelsenkirchen – Kommunale Wirtschaftspolitik und kommunale Wirtschaftsförderung gibt es, seit es eine kommunale Selbstverwaltung gibt. Kevin Gareth Hauer, einst für die „Republikaner“ und nun für „pro NRW“ im Gelsenkirchener Stadtrat – also keinesfalls ein kommunalpolitischer „Frischling“ –, hat dieses Arbeitsfeld ebenfalls entdeckt.

Der neue „pro NRW“-Wirtschaftsexperte von der Emscher hat die Financial Times Deutschland gelesen – zumindest aber deren Internet-Auftritt gesehen – und erteilt nun Gelsenkirchens Oberbürgermeister Frank Baranowski in einem Offenen Brief Nachhilfeunterricht. Aktiv müsse man auf Unternehmen zugehen und sie umwerben. „Wir können nicht darauf warten, dass sich neue Arbeitsplätze und Firmen von alleine in Gelsenkirchen ansiedeln“, hat er in Erfahrung gebracht und lässt nun den OB, der bisher womöglich seine Arbeitskraft überwiegend dafür eingesetzt hat, Investoren über die Stadtgrenze hinaus zu kicken, an dieser Erkenntnis teilhaben.

Um Erfolg zu haben, sei es „natürlich notwendig, zu recherchieren, zu suchen und sich dann auch entsprechend einzusetzen“, informiert Hauer, der von „pro NRW“ zuweilen als „Erziehungswissenschaftler“ bezeichnet wurde. Damit sind wir wieder bei der Financial Times Deutschland. Dort hat Hauer bei der Suche nach der Lösung aller Probleme einen „Bericht über Amerika“ gefunden – wie aus dem weiteren Text hervorgeht, meint er die USA. Und die sind wegen heikler Zivilgerichtsverfahren und horrender Schadensersatzansprüche ein riskanter Standort für Unternehmen: „Selbst wenn man ,nur’ eine Plastiktüte auf den US Markt bringt, läuft man Gefahr, auf einen Millionenbetrag verklagt zu werden, falls irgendwelche Unfälle passieren.“ Daher hätten sich „selbst deutsche Firmen“ entschlossen, „Amerika“ den Rücken zu kehren, weiß Hauer, der bei „pro NRW“ als Bezirksvorsitzender für das Ruhrgebiet fungieren darf: „Überlegungen laufen z.B. bei der Deutschen Telekom, BASF oder auch Siemens.“

„Hier müssen wir als Stadt ansetzen“, versucht er dem saumseligen OB schonend beizubringen, wo die Chance seiner Heimatstadt zu finden ist: „Lassen Sie uns solche Unternehmen umwerben.“ Ob sich nur die US-amerikanischen Vertretungen von Telekom, BASF und Siemens nach Hauers Vorstellung in Gelsenkirchen ansiedeln sollen oder gleich auch deren Konzernzentralen, die bisher in Bonn, Ludwigshafen, Berlin und München beheimatet sind, lässt er leider offen.

Im wirtschaftspolitisch Konkreten ist der zeitweilige „Erziehungswissenschaftler“ Hauer nicht so gut, aber dafür im Appellativen pädagogisch wirksam: „Lassen Sie uns diesen, aber auch anderen Unternehmen aus dem In- und Ausland, zeigen, dass Gelsenkirchen eine zukunftsfähige, kinderfreundliche und produktive Stadt ist, mit Bürgern und zukünftigen Mitarbeitern, auf die man sich verlassen kann. Lassen Sie uns die erste Stadt sein, die sich aktiv als innovativen Standort präsentiert, die den Strukturwandeln in der Region nicht als notwendiges Übel ansieht, sondern als Herausforderung für die Zukunft; eine Stadt, die den Strukturwandel ,lebt’.“

Und so geht es weiter und weiter im nicht enden wollenden Text des Wirtschaftsförderers Hauer bis hin zu seinem Leitmotiv: „Mit neuen Firmen und Menschen aus der Krise!“ Nun mögen wir uns partout nicht vorstellen, wie er sich seine „neuen Menschen“ vorstellt, ahnen aber, was die „neuen Firmen“ produzieren könnten, die einem Hauer adäquat wären: gigantische Sprechblasen. (rr)

  • Anbei ein Link zum Text der Financial Times Deutschland, den Hauer gelesen, aber nicht verstanden hat:

http://www.ftd.de/unternehmen/industrie/:agenda-goodbye-america/50106811.html