NRW: Lieber uniformiert statt populistisch angepasst?

Bochum – NPD-Landeschef Claus Cremer macht sich Sorgen um den künftigen Kurs der NPD. Von rechtspopulistischen Aufweichungen à la FPÖ hält er wenig. „Die NPD als einzige Weltanschauungspartei in Deutschland stärken“ hat er einen Beitrag zur Diskussion betitelt.

Längliche Texte sind eigentlich nicht Cremers Sache. Auch Programmatisches aus seiner Feder ist – zumindest aus den letzten Jahren – nicht überliefert. Jetzt meldet er sich aber ausführlich zu Wort. Knapp 9000 Zeichen oder fast 1300 Wörter lang ist sein Manifest, dass er zwar mit seinen Funktionsbezeichnungen „Landesvorsitzender NPD-NRW / Mitglied im Parteivorstand“ versah, aber bisher nur auf seiner persönlichen Internetseite veröffentlichte.

Anlass seiner Wortmeldung ist eine Veranstaltung des „Bildungswerks für Heimat und nationale Identität e.V.“ am vorigen Wochenende im Landkreis Meißen. Beim „Bildungswerk“, das von der sächsischen NPD als öffentlich geförderte parteinahe Stiftung etabliert werden soll, denken vor allem solche NPDler vor, die der Partei einen weniger radikalen Anstrich verpassen wollen.

Kurskorrekturen haben Grenzen

Schon das ist für Cremer problematisch. Einst war er fest auf dem radikalen Flügel der Partei verortet und schwadronierte von einem „Nationalen Sozialismus“. Gemäßigtere Töne waren von ihm erst zu vernehmen, als nach den Wahlpleiten des Jahres 2009 und nach dem Tod des stellvertretenden Vorsitzenden Jürgen Rieger auch Parteichef Udo Voigt und die Vorstandsmehrheit auf Bundesebene auf einen weniger radikalen Kurs umschwenkte. Vom –auch finanziellen – Wohlwollen jenes Bundesvorstands sind die „Nationaldemokraten“ in NRW, aber auch Cremer ganz persönlich abhängig.

Jene Kurskorrekturen, die manche seiner sächsischen „Parteikameraden“ im Sinn haben, scheinen Cremer nun aber zu weit zu gehen. Er räumt zwar ein, dass es notwendig werden könne, „neue Werbe- bzw. Vermarktungsstrategien zu entwickeln und – wenn nötig – auch mal alte Zöpfe abzuschneiden“. Aber das hat Grenzen. Schließlich hält er die Erfolglosigkeit des „volkstreuen Lagers“ überwiegend für außengesteuert und nicht für hausgemacht. „Mediale Verleumdungen“ beklagt er, den „Hass des Systems gegen alles Nationale“, den „eskalierenden Kampf der linkskriminellen Steigbügelhalter der etablierten Politversager“ und – ganz am Ende der Aufzählung erwähnt er das – „auch das Verhalten mancher Aktivisten“.

Schönheitsoperationen

Um „Schönheitsoperationen am Weg und Auftritt der Partei“ geht es ihm lediglich; sie dürften aber „nicht das Gesicht der Idee entstellen“. Die Überlegungen, die eigene Arbeit zu reflektieren, dürften „nicht dazu führen sich selbst zu verleugnen oder den eigenen Kurs soweit umzukrempeln“, dass er auch wirklich jedem gefalle. „Eine politische Idee und revolutionäre Vorstellungen werden niemals 100% der Bevölkerung erreichen“, schreibt Cremer, dessen Landesverband bei der vorigen Landtagswahl sogar an der Aufgabe gescheitert war, auch nur ein Prozent der Wählerschaft zur Stimmabgabe für die NPD zu bewegen.

Cremer ärgert sich konkret über eine Aussage seines „ansonsten sehr geschätzten Parteikameraden Arne Schimmer“ bei einer Podiumsdiskussion des „Bildungswerks“ zum Thema „Zwischen ‚Rechtspopulismus’ und ‚nationalem Sozialismus’ – Strategische Überlegungen zur Zukunft der nationalen Rechten in Deutschland“. Schimmer, Landtagsabgeordneter in Dresden und Chefredakteur der vom „Bildungswerk“ herausgegebenen Theoriezeitschrift „hier & jetzt“, hatte bei der Veranstaltung erklärt: „Wir müssen das integrative ‚Konzept Rechtspartei’ verfolgen, nicht das exkludierende ‚Konzept Weltanschauungspartei’. Letzteres ist gescheitert!“

Gute und schlechte Rechtspopulisten

Hinter der ein wenig kryptisch erscheinenden Formulierung steckt für die NPD Brisantes. Der Veranstaltungsbericht, der auf der Internetseite der Bundes-NPD veröffentlicht wurde, deutet es an. So habe sich Schimmer im weiteren Verlauf der Diskussion positiv auf die FPÖ bezogen, „da es dieser gelungen sei, den Nationalstaat als Schutzraum gegen die gemeinschaftszersetzende Globalisierung herauszustellen“. Und der Landesvorsitzende von der Saar, Frank Franz, habe darum gebeten, dass man im Lager der europäischen Rechtsparteien „nicht alle über einen Kamm scheren“ möge: Zwischen FPÖ und dem „Vlaams Belang“ einerseits (von Franz eher positiv gesehen) und dem niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders andererseits (von Franz eher negativ gesehen) gebe es beträchtliche Unterschiede.

Cremer hält aber nichts von rechtspopulistisch angehauchten Aufweichungen: „In diesem Punkt trennen sich die Ansichten des Kameraden Schimmer und mir. Die NPD ist eine Weltanschauungspartei und muß auch eine Weltanschauungspartei bleiben.“ Sie verkörpere schließlich „eine Ideologie, ein lebensrichtiges Menschenbild, eine Weltanschauung“. Es sei „ein Alleinstellungsmerkmal der NPD, daß sie ihre Politik nicht (auch nicht in Ansätzen) dem herrschenden Zeitgeist anpaßt und wie die etablierten Politversager ihre Fahne nach dem Wind dreht“.

„Das Reich ist unser Ziel“

Statt der FPÖ empfiehlt er seiner Partei indirekt die ungarische „Jobbik“-Partei als Vorbild, die bei den letzten Wahlen  rund ein Sechstel der Stimmen holte. Spitzenkandidatin bei der Europawahl sei 2009 Krisztina Morvai gewesen, „welcher man nachsagt einen stark anti-israelischen Kurs zu fahren“, konstatiert Cremer nicht unzufrieden. Und weiter: „Einige Abgeordneten der Jobbik sitzen heute mit Uniformen (ohne dies zu werten) im Parlament und haben mit ihren Bürgerwehren eine starke Verankerung in der ungarischen Bevölkerung.“

Antisemitismus, das „lebensrichtige Menschenbild“, „Bürgerwehren“, das Ganze vielleicht auch in Uniform: Der NPD-Landesvorsitzende scheint sein Leitbild (wieder)gefunden zu haben. Den passenden Slogan am Ende seines Textes hat Cremer im Zitatefundus seines Bundesvorsitzenden entdeckt: „Das Reich ist unser Ziel, die NPD unser Weg.“ (ts)