Nebenbei: Plattitüden-Aussendung

BERGISCH GLADBACH – Christoph Heger hat einen Brief geschrieben – zumindest jedoch unterschrieben. Rund 280 Wörter ist er lang und angeblich an „alle Unterstützer der Bürgerbewegung PRO NRW im Kreis Rhein-Berg“ gerichtet – und zwar „persönlich“, wie die sich als „Bürgerbewegung“ ausgebende Partei mitzuteilen weiß.

Heger bittet darin, ihm das Vertrauen bei der am Sonntag anstehenden Landratswahl zu schenken. Warum? Mit 280 Wörtern verrät er es. Auszüge:

„Der Unmut über die etablierten Politiker ist groß...“

„Egal wie wenig Menschen noch zur Wahl gehen – Hauptsache CDU, SPD und Co. können weiter die Posten und Pfründe ungestört unter sich aufteilen.“

„Jede Stimme für PRO NRW (ist) ein Zeichen des Protestes und der großen Unzufriedenheit mit den Altparteien!“

„Kompetenz statt Parteibuch, Ehrlichkeit statt Political Correctness, Bürgernähe statt Bürokratismus – all diese Dinge meine ich Ernst!“

„Pro NRW“ ist „die einzig wirkliche Opposition im Kreis“.

„Jede Stimme für PRO NRW und meine Kandidatur ist ein deutliches Protestzeichen und wird den Altparteien zeigen, was die Bürger von ihnen und ihrer verfehlten Politik halten.“

Inhalte? Fehlanzeige

Darum also. Vermutlich werden sich im Rheinisch-Bergischen Kreis nicht einmal betagtere Wähler erinnern können, dass dort jemals eine Partei mit einem inhaltsärmeren Wahlkampf angetreten wäre. Kommunale Wirtschaftspolitik, der Erhalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen, Verkehrs- und Infrastrukturpolitik, kommunale Finanzen und Kreisumlage, Schulpolitik und Nachtflug? Nicht zu einem einzigen Thema nimmt der Kandidat in seinem Schreiben Stellung.

Warum dies möglicherweise so ist, deutete dieser Tage das im Frühjahr bei „pro NRW“ ausgetretene Kreistagsmitglied Ronald Micklich an. Micklich schrieb, Heger habe sich, was seine eigene Person anbetrifft, in persönlichen Gesprächen „immer gegen eine Arbeit in kommunalen Gremien wie Stadtrat und auch dem Kreistag ausgesprochen“. So scheint es erklärbar, dass der Mann, der nun Landrat werden will, auch in der „Briefaussendung“ an seine „Unterstützer“ nicht ein Wort zu Fragen der Kreispolitik zu sagen weiß. Stattdessen wird in Hegers Schreiben Floskel an Plattitüde, Phrase an Leerformel gereiht – als wäre es aus einem Handbuch „So plappert der Populist“ abgepinnt.

Heger ante portas

Das alles ist aber noch zu toppen. Ein unbekannter Autor unternimmt dies heute auf der Internetseite von „pro NRW“. Allen Ernstes (?) ist dort zu lesen: „PRO-NRW-Landratskandidat Dr. Christoph Heger ist zwar noch nicht im Amt, jedoch hindert ihn dies nicht daran, sich engagiert für die Bürgerinteressen im Rheinisch-Bergischen Kreis einzusetzen.“ Heger ante portas und fünf Tage vor der Wahl kurz vor dem Sprung auf den Chefstuhl im Kreishaus... Zuweilen hinterlassen Verlautbarungen von „pro NRW“ den Eindruck, dass da jemand der Satire-Partei „Die PARTEI“ den Rang streitig machen will. Doch das wäre falsch gedacht. Bei den Rechtspopulisten vom Rhein ist die Komik auch nach dem Elften im Elften unfreiwillig.

Rechtsbeugung im Kreishaus?

Gänzlich unkomisch wird es an anderer Stelle des Textes. Dort wird so ganz nebenbei Mitarbeitern der Kreisverwaltung vorgeworfen, Rechtsbeugung zu betreiben. Rechtsbeugung ist immerhin nach Paragraph 339 des Strafgesetzbuchs ein Tatbestand, der mit einer Freiheitsstrafe von einem bis zu fünf Jahren geahndet wird. Man könnte diesen von „pro NRW“ erhobenen Vorwurf wiederum für eine – ebenfalls nach StGB strafbare – falsche Verdächtigung halten. Bestraft würde der „pro NRW“-Autor vermutlich aber nicht, da bei dem Täter „sicheres Wissen“ über die Unwahrheit der Behauptung vorliegen muss. „Sicheres Wissen“ ist freilich etwas, was bei „pro NRW“ eher nicht weit verbreitet ist. (rr)