Bonn - Norbert Weidner, Ex-Aktivist zweier mittlerweile verbotener Neonazi-Organisationen und Mitglied der "Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn", klagt gegen einen Kameraden aus seiner eigenen Studentenverbindung. Er fühlt sich von dem "Raczeks"-Mitglied Christian Becker verunglimpft.
Weidner vs. "quovadisbuxe"
Becker, der bis vor kurzem zu den Aktivitäten seiner Burschenschaft geschwiegen hat - die "Raczeks" wurden bereits seit der zweiten Hälfte der 1990er Jahre immer wieder mit der extremen Rechten in Verbindung gebracht -, gehört heute der noch jungen Initiative "Burschenschafter gegen Neonazis" an. Die Initiative ist nach den jüngsten Rechtsaußen-Exzessen im Dachverband "Deutsche Burschenschaft" (DB) [1] an die Öffentlichkeit getreten und kämpft gegen denjenigen Flügel der DB, der offen mit der extremen Rechten paktiert. Sie betreibt dazu den Blog "quovadisbuxe", der Äußerungen enthält, die Weidner nun gerichtlich verbieten lassen will. Dabei geht es im Kern um die Aussage: "MrS [gemeint ist Weidner, d. Red.] ist höchstwahrscheinlich einer der Köpfe der rechtsextremen Bewegung, die aus Burschenschaftern, Fastverbotspartei [gemeint ist die NPD, d. Red.] und Kameradschaften besteht." Das Landgericht Bonn wird am 4. Juli über die Sache verhandeln.
Kontakte in die Neonazi-Szene
Unstrittig ist, dass NPD-Aktivisten mit Beziehungen zu gewaltbereiten Neonazi-Kameradschaften innerhalb der DB tätig sind. Ein Beispiel ist Andreas Wölfel ("Burschenschaft Thessalia zu Prag in Bayreuth"), der in seiner Eigenschaft als Funktionär des NPD-Kreisverbands Wunsiedel an der Vorbereitung eines überregionalen Neonazi-Aufmarschs am 1. Mai 2011 in Heilbronn beteiligt war. Damals demonstrierten zirka 800 Neonazis aus NPD und "Freien Kräften". Wölfel äußerte in internen DB-Debatten seine "feste Überzeugung", dass "die Angst vieler Verbandsbrüder vor Überfremdung" ernstgenommen werden müsse; die Burschenschaften sollten "für die verbliebenen Deutschen als ein authentischer Rückzugsort und als Bastion gegen die Umvolkung wahrgenommen" werden. Diese Äußerung ist im Internet mit Datum vom 10. Dezember 2009 belegt. [2] Internen Dokumenten zufolge erhielt Wölfel nur einen Monat später eine Einladung, in einem Vortrag bei den Raczeks seine Gedanken über den "volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriff" vorzustellen. [3] Der Kontakt scheint fruchtbar gewesen zu sein. 2011 machten die Raczeks bundesweit mit dem Versuch Schlagzeilen, Burschenschafter mit nichtdeutschen Vorfahren aus der DB ausschließen zu lassen. Ihr Antrag enthielt rassistische Formulierungen, die Passagen eines älteren Pamphlets von Wölfels Burschenschaft aufs Wort gleichen. "Spiegel Online" titelte damals: "Burschenschafter streiten über 'Ariernachweis'".[4]
Alternativen zu einem "kulturellen Selbstmord"
Auch darüber hinaus scheint eine "Angst vor Überfremdung" die "Raczeks" umgetrieben zu haben. Ihrer Website zufolge hat die Burschenschaft am 8. Dezember 2010 eine Vortragsveranstaltung mit Rolf Stolz durchgeführt. Stolz, der sich einen Namen als Autor der Rechtsaußen-Wochenzeitung "Junge Freiheit" gemacht hat, referierte über ein mögliches "Aussterben der Deutschen". Laut Ankündigung sollte er die "Lage" sowie "Alternativen" zu einem "kulturellen Selbstmord Deutschlands" darstellen. [5] Über das Ziel ihrer Vortragsveranstaltungen äußern die "Raczeks" auf ihrer Website, sie böten "die Möglichkeit, über die Grenzen der sogenannten 'Political Correctness' hinaus zu denken und sich fortzubilden".
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Lesetipp (ab 2. Juli online einsehbar):
Jörg Kronauer: Wie beim Ku Klux Klan. Der Flügelstreit in der Deutschen Burschenschaft eskaliert. In: LOTTA - antifaschistische Zeitung aus NRW, Rheinland-Pfalz und Hessen, Ausgabe #48, Sommer 2012