B: Rechte Gewalt im Umfeld von Flüchtlingswohnheimen stark angestiegen

BERLIN -  Seit gut eineinhalb Jahren befeuern die Bundesregierung sowie einige Medien und  Kommunalverwaltungen vor dem Hintergrund gestiegener Asylantragszahlen eine neue „Asyldebatte“. Geklagt wird  über „Belastungen“ für die Kommunen und einen angeblichen „Asylmissbrauch“. Extrem rechte Organisationen haben diese Vorlage dankbar aufgegriffen und zugespitzt. Vielerorts protestierten sie gegen Flüchtlinge und deren Unterbringung. Die Zahl rechtsmotivierter Delikte, bei denen eine Asylunterkunft Tatort oder Angriffsziel war, ist von 24 im Jahr 2012 auf 43 in den Monaten Januar bis November 2013 angestiegen. Die geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine "Kleine Anfrage" der Fraktion "Die Linke." im Bundestag  hervor.

Gewalt gegen Asylunterkünfte

Zwar existiert in der Polizeilichen Kriminalstatistik kein eigenständiges Themenfeld „Angriffe auf Asylunterkünfte“, anhand der Daten des Bundeskriminalamtes stellte die Bundesregierung aber eine Liste von Fällen zusammen. Für NRW werden eine gefährliche Körperverletzung in Rheine (Kreis Steinfurt), eine Volksverhetzung in Bochum sowie ein Fall von Brandstiftung in Willich (Kreis Viersen) gezählt. In Willich wurde am 25. Juli 2012 in einem frei zugänglichen Waschraum der Unterkunft ein Feuer gelegt, die WZ berichtete. Die Statistik weist zudem für Willich noch die Straftat „Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisation § 86a"  auf, die sich am Folgetag ereignet hat. Für 2013 nennt die Statistik einen Fall von Sachbeschädigung, begangen am 8. August in Morsbach (Oberbergischer Kreis), sowie drei im Oktober und November begangene Delikte in Essen. Neben einem Fall von Beleidigung und einer Sachbeschädigung ist hier auch die als Brandstiftung gewertete „Bengalo“-Attacke vom 7. November enthalten. Ziel des Angriffs war eine Unterkunft in Essen-Burgaltendorf  (die WAZ  berichtete).

Mobilisierungen gegen Flüchtlinge

In der nur 21 extrem rechte Demonstrationen und Kundgebungen zählenden Statistik für Mobilisierungen gegen Flüchtlingsunterkünfte in den Jahren 2012 und 2013 nimmt NRW zusammen mit Thüringen mit je sechs demonstrativen Aktionen den ersten Platz ein. Allerdings richteten sich sämtliche gezählten Aktionen in Thüringen gegen ein Wohnheim in Greiz, während in NRW demonstrative Aktionen in Essen, Duisburg und Krefeld aufgenommen wurden. Allerdings erschließt sich nicht, warum bestimmte Mobilisierungen nicht aufgeführt wurden. Nach Angaben der Bundesregierung wurden nur Aktionen mit mehr als 20 Teilnehmenden berücksichtigt, damit liegt die „pro NRW“-Kundgebung am 26. Januar 2013 vor einer Unterkunft in Köln-Porz denkbar knapp unter der Zählgrenze. Nach LOTTA-Zählung beteiligten sich 20 Personen an der Aktion. Nicht logisch nachvollziehbar ist allerdings, warum von der „pro NRW“-Fünffach-Demo am 5. Oktober 2013 nur zwei Stationen in Duisburg und eine in Essen aufgeführt wurden. Die von 40 „pro NRW“-SympathisantInnen besuchte Kundgebung in der Nähe einer Unterkunft in Bochum fehlt. Auch eine am 7. September 2013 von der NPD mit 25 Personen durchgeführte Kundgebung in Essen-Frintrop fehlt. Dass in Essen-Frintrop noch keine Flüchtlinge untergebracht sind, kann eigentlich nicht der Grund für die Nichtberücksichtigung  gewesen sein, wurde doch seitens der "Die Linke" explizit nach "Proteste[n] gegen die Unterbringung von Flüchtlingen vor geplanten oder schon bestehenden Flüchtlingsunterkünften" gefragt. Außerdem führt die  Bundesregierung auch zwei „pro NRW“-Demonstrationen in Duisburg-Neumühl auf, die sich gegen einen geplanten Standort richteten. Die Kundgebungen vor Unterkünften, die im Rahmen der NPD-Wahlkampftour (Motto: „Asylflut und Europawahn stoppen“) oder der „pro NRW“-Tour gegen „Asylmissbrauch“ stattfanden, werden zwar im Text erwähnt, tauchen allerdings nicht in der detaillierten Statistik auf, da sie nach Zählung der Bundesregierung von weniger als 20 Personen besucht wurden. Insgesamt entsteht so ein verzerrtes Bild des Ausmaßes, den die extrem rechte Mobilisierung gegen Asylsuchende mittlerweile angenommen hat.

Asylpolitik als zentrales Aktions- und Wahlkampfthema

Gleichwohl kommt auch die Bundesregierung zu dem Schluss, dass sich „die Asylpolitik im kommenden Jahr zu einem zentralen Aktions- und Wahlkampfthema rechtsextremistischer Parteien“ entwickeln könnte. „Die Linke“  fordert in einer Pressemitteilung, dass die Bundesregierung die Anstrengungen bei der Prävention gegen Rassismus und rechte Gewalt erhöhen müsse: „Dazu gehört eine bessere und langfristige Ausstattung der Projekte gegen Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus, aber auch der Verzicht auf rassistische Stammtischparolen etwa gegen den Zuzug angeblicher 'Sozialbetrüger'.“
Die Antwort der Bundesregierung vom 18.12.2013 auf die "Kleine Anfrage" findet sich hier .