Österreich rückt zusammen

Eine Analyse der Wahlergebnisse in der Alpenrepublik

Was bei zwei österreichischen Landtagswahlen aussieht wie ein Rechtsruck, ist Rückbesinnung auf den Normalzustand. Der war in Österreich schon immer vor allem national – auch in der SPÖ.

Was bei zwei österreichischen Landtagswahlen aussieht wie ein Rechtsruck, ist Rückbesinnung auf den Normalzustand. Der war in Österreich schon immer vor allem national – auch in der SPÖ.

Die FPÖ ist leider wieder da, wo sie kräftemäßig hingehört. Bei zwei Landtagswahlen Ende Mai haben die rechten Freiheitlichen in der Steiermark 26,8 Prozent der Stimmen bekommen, im Burgenland sind sie mit 15 Prozent nicht ganz so stark, wurden aber von der SPÖ (41,9 Prozent) in die Regierung geholt. Beide Wahlergebnisse werden als Aufreger verhandelt, sie überraschen aber tatsächlich weniger als man auf den ersten Blick glauben möchte.

Mit dem Gewinn in der Steiermark hat die FPÖ schlicht ihr WählerInnenpotential wieder ausgeschöpft; die 10,6 Prozent bei der Wahl 2010 waren eher die Ausnahme als die 26,8 bei dieser Wahl. Die rot-blaue Koalition im Burgenland ist höchstens insofern der so oft angeprangerte Tabubruch, als sie gegen einen Bundesparteitagsbeschluss der SPÖ vom November 2014 verstößt: „Die SPÖ spricht sich klar gegen eine Koalition mit der FPÖ auf allen politischen Ebenen aus.“ Das zeigt aber nur einmal mehr, wie wenig glaubwürdig die SPÖ ist. Der burgenländische SPÖ-Chef Hans Niessl hat die Koalition schon vor der Wahl vorbereitet und paktiert nicht zum ersten Mal mit der FPÖ. Schon vor der Landtagswahl 2005 hatte er ihr für den Fall einer Niederlage Versorgungsposten versprochen.

Rechte Kompetenzen

Es ist kein Zufall, dass die FPÖ gerade bei diesen beiden Landtagswahlen erfolgreich war. Sogar der FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl bescheinigte den beiden SPÖ-Spitzenkandidaten Hans Niessl im Burgenland und Franz Voves in der Steiermark im Januar, „vernünftige FPÖ-Forderungen übernommen“ zu haben. Offenbar haben viele WählerInnen aber lieber das freiheitliche Original gewählt, obwohl man auch von großen Teilen der SPÖ rechte Politik erwarten kann. Niessl etwa sprach sich für Videoüberwachung an allen Ortseinfahrten im Burgenland aus und im Herbst 2014 forderte er die temporäre Einführung von Grenzkontrollen gegen „Schlepperkriminalität“, weil die Schengen-Außengrenze „augenscheinlich nicht ausreichend gesichert werden“ könne.

Im Wahlkampf nicht ganz so einig waren sich SPÖ und FPÖ in der Steiermark. Franz Voves wollte zwar Anfang des Jahres, vereint mit Niessl und einigen aus der konservativen ÖVP und der FPÖ, Strafen für „Integrationsunwilligkeit“ einführen und hält Bettelverbote, ein antiziganistisches Konsensthema, für einen adäquaten politischen Umgang mit sozialer Not. Der Wahlkampfton aber war schärfer als im Burgenland. Die FPÖ mobilisierte wie immer „gemeinsam für die Heimat“, gegen „Kriminalität im Umfeld von Asylheimen“, vor allem jedoch gegen die Regierung: „Rotschwarz hat versagt!“

Nachdem Rot-Blau im Burgenland beschlossen war, wurden in der SPÖ Forderungen lauter, mit der FPÖ grundsätzlich und auch konkret in der Steiermark Koalitionsverhandlungen zu führen. Voves, bisher steirischer SPÖ-Chef und Landeshauptmann, trat zurück und überließ sein Amt der ÖVP in einer schwarz-roten Regierung. Dieses Zugeständnis war wohl auch der Angst geschuldet, die ÖVP könnte mit der FPÖ regieren und die SPÖ in die Opposition verbannen. Tatsächlich ist die größte Gefahr, die von der an sich unbedeutenden Koalition im kleinen Burgenland ausgeht, dass die FPÖ wieder als regierungsfähig gilt – und damit eines ihrer zentralen Ziele erreicht.

Rechte Traditionen

Was bei der SPÖ aussieht wie kalkulierende Machterhaltungspolitik, hat inhaltliche Tradition: Nicht nur buhlte die SPÖ, wie auch die ÖVP, ab 1949 um die Stimmen ehemaliger Nazis, auch noch 1970 saßen im Kabinett des sozialdemokratischen Bundeskanzlers Bruno Kreisky ganze sechs „ehemalige“ Nationalsozialisten. In den 80er Jahren koalierte die SPÖ auf Bundesebene mit der FPÖ, die damals in einer liberaleren Phase war. Vor allem aber hatten SPÖ und FPÖ schon immer große Überschneidungen im WählerInnenpotential. Der ehemalige FPÖ-Chef Jörg Haider erklärte dies treffend damit, dass in Österreich „der Sozialdemokrat im klassischen Sinne nie links gewesen ist und daher mit vielen Position, für die wir [die FPÖ] eintreten, übereinstimmt.“ Das liegt begründet im Primat des Nationalen in der Alpenrepublik, die Volksgemeinschaft lebt im österreichischen Spezifikum der Sozialpartnerschaft fort. Die sucht die Widersprüche zwischen Kapital und Arbeit in der Nation aufzulösen. In einer Umfrage vom Anfang des Jahrtausends stimmten 90 Prozent der Befragten dem folgenden Satz zu: „Im Ringen um eine gesunde Wirtschaft sitzen Arbeitnehmer und Arbeitgeber im selben Boot.“ Und das ist nach Ansicht der meisten längst voll.

Die SPÖ hat zuletzt im April eine Verschärfung des Fremdenrechts mitbeschlossen, wie Ausländerrecht in Österreich heißt. Das hat sie in den letzten 25 Jahren immer wieder gemacht – auch 2005 als Oppositionspartei gemeinsam mit der Regierung aus ÖVP und FPÖ. Michael Genner, Obmann des Asylrechtsvereins Asyl in Not und langjähriger Kämpfer gegen institutionellen Rassismus, sagt dazu: „In der SPÖ gibt es eine tief verwurzelte rassistische Tendenz. Man kämpfte oft für die angeblichen Rechte der österreichischen und gegen die Rechte der so genannten Fremdarbeiter. Auch wenn die SPÖ einen antifaschistischen Flügel hat, lange Zeit hat sich die Parteirechte durchgesetzt.“

Die Erstaufnahmestellen für Asylsuchende sind seit Monaten überfüllt, Menschen müssen momentan wochenlang davor im Freien übernachten. Plakate der Linzer SPÖ zeigten kürzlich, dass ihr nicht die verheerenden Zustände, sondern die Geflüchteten an sich als Problem gelten. Auch wenn es, wie die Rechtfertigung nach Kritik an der Aktion lautete, eine Aktion gegen Unterbringung in Massenquartieren gewesen sein sollte, auf den Plakaten stand: „Sind sie auch gegen ein großes Asyl-Zentrum in Linz? – Dann nicken sie doch mal!“

Rechte Perspektiven

Bei aller Kritik an der SPÖ wäre es fatal, wenn die FPÖ in wichtigere Regierungen käme: Sie macht aus ihrer rassistischen, antifeministischen und reaktionären Politik kaum einen Hehl und ordnet auch ihren Antisemitismus höchstens strategisch dem Rassismus gegen „die antisemitischen Muslime“ unter. Entstanden ist sie aus dem 1949 gegründeten Verband der Unabhängigen (VdU), der politischen Heimat vieler alter Nazis. Heute gehören 18 ihrer 40 Nationalratsabgeordneten völkischen Burschen- oder Mädelschaften an und es gibt Funktionäre mit Verbindungen zur Neonaziszene und den Identitären.

Als nächstes wird im Oktober in Wien gewählt. Bisher zählte die Wiener SPÖ unter dem langjährigen Bürgermeister Michael Häupl eher zum antifaschistischen Teil der Partei. Wenn Häupl aber verliert, steht das in Frage. Der Umgang der SPÖ mit der Konkurrenz durch die FPÖ ist oft geprägt von Besinnung auf ihre nationalgemeinschaftliche Tradition. Damit wird sie wohl auch diesmal am stabilsten bleiben. Und der Erfolg der unterschiedlichen kleinen Alternativparteien, die jetzt versuchen aus dem „Tabubruch“ der SPÖ Kapital zu schlagen und eine Partei links der SPÖ etablieren wollen, wird wohl aus dem gleichen Grund ausbleiben: Der Befindlichkeit des Landes.

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