Der Tatort in Waldbröhl.

„Aufgestaute Aggression“

Hetzjagd in Waldbröl endete tödlich

Es war ein Angriff von großer Brutalität. Immer wieder schlugen und traten sie auf den 40-jährigen Klaus B. ein, der später an den Folgen seiner Verletzungen verstarb. Vor dem Landgericht Bonn mussten sich nun vier Männer im Alter von 19 und 36 Jahren für die Tat verantworten. Sie waren am 1. September 2016 in Waldbröl im Oberbergischen Kreis mit dem Vorsatz losgezogen, „Flüchtlinge zu klatschen“. Dabei trafen sie auch auf ihr späteres Opfer.

Es war ein Angriff von großer Brutalität. Immer wieder schlugen und traten sie auf den 40-jährigen Klaus B. ein, der später an den Folgen seiner Verletzungen verstarb. Vor dem Landgericht Bonn mussten sich nun vier Männer im Alter von 19 und 36 Jahren für die Tat verantworten. Sie waren am 1. September 2016 in Waldbröl im Oberbergischen Kreis mit dem Vorsatz losgezogen, „Flüchtlinge zu klatschen“. Dabei trafen sie auch auf ihr späteres Opfer.

In insgesamt zehn Verhandlungstagen versuchte das Gericht, die Geschehnisse am Tattag zu rekonstruieren. Demnach hatten sich die Angeklagten Dominic O., Hermann H., Tomas S. sowie dessen Bruder Andreas S. in der Wohngemeinschaft von zwei Beschuldigten getroffen und dort mit einer weiteren Person Bier und Schnaps getrunken. Im Laufe des Abends schlug jemand vor, „Flüchtlinge zu klatschen“. Wer den Vorschlag zur rassistischen Hetzjagd einbrachte, konnte nicht geklärt werden. Der Angeklagte Dominic O. sagte aus, Anlass sei das Gerücht gewesen, dass die jüngere Schwester eines Bekannten von einem „Asylanten“ belästigt worden sei.

Nach Auffassung des Gerichts verließen daraufhin die Angeklagten, mit Ausnahme von Dominic O., die Wohnung und trafen in der Innenstadt auf eine Gruppe Geflüchteter, die von ihnen zuerst angepöbelt und dann angegriffen wurde. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Andreas S. hier eine maßgebliche Rolle spielte. Als die Angegriffenen fliehen konnten, wurden sie von der Gruppe verfolgt, was Zeugen als „Hetzjagd“ beschrieben. Schließlich hielten die Geflüchteten die Angreifer in einer Notwehr-Situation mit Holzlatten auf Abstand, wobei Andreas S. verletzt wurde. In dieser Situation stieß Dominic O. wieder zur Gruppe und warf einen Stein auf die Geflüchteten, die erneut fliehen konnten.

Die Opfer selbst konnten ihre Sicht vor Gericht nicht schildern. Zwei von ihnen wurden bereits vor ihrer Zeugenaussage abgeschoben. Der dritte konnte nicht ausfindig gemacht werden.

Attacke mit tödlichen Folgen

Nach dem Angriff begaben sich die Beschuldigten zum Parkplatz eines Getränkemarkts. Hier fragten sie einen Zeugen, ob er wisse, wo die Asylbewerber seien. Nach einiger Zeit kam das spätere Opfer Klaus B. auf den Parkplatz. Dieser soll sich, so die Angeklagten in ihren Aussagen vor Gericht, der Gruppe aggressiv und beleidigend genähert haben.

Die folgenden Attacke auf Klaus B. war von großer Brutalität geprägt. Immer wieder schlugen die Angeklagten mit Fäusten und einem Stock auf Klaus B. ein, der mehrmals zu Boden ging. Die Angeklagten forderten ihr Opfer zwischenzeitlich auf, sich zu entfernen. Als Klaus B. der Anweisung nicht Folge leistete, traten sie weiter auf den am Boden Liegenden ein. Als er ein letztes Mal aufstand, schlug ihn Dominic O. nieder. Klaus B. blieb auf dem Parkplatz liegen. Er erlitt einen Schädelbruch, ein Schädel-Hirn-Trauma und im weiteren Verlauf schwere Hirnblutungen. Neun Tage später starb er an seinen Verletzungen.

Der Richter sprach in seiner Urteilsbegründung von „aufgestauter Aggression“ der Angeklagten, die sich an ihrem Opfer entlud, da sie der Geflüchteten nicht mehr habhaft geworden waren. Obwohl der Alkoholkonsum die Täter ebenfalls enthemmt hatte, litten sie nach Auffassung des Gerichts während der Tatausübung nicht unter einer erheblich beeinträchtigen Steuerungsfähigkeit. Den Angeklagten wurde zwar kein Tötungsvorsatz unterstellt, gleichwohl hätten sie die möglichen tödlichen Folgen ihrer Schläge erkennen können. Sie hätten sich deshalb der gefährlichen Körperverletzung mit Todesfolge strafbar gemacht.

Die Täter und ihr Opfer kannten einander aus dem Ort zumindest vom Sehen, sie alle gehören der dortigen russlanddeutschen Community an. Nach Auffassung des Richters entstammten sie „destabilen Familiensituationen“. Am Vortag war es bereits zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen den Angeklagten und Klaus B. sowie einem seiner Freunde gekommen. Laut diesem als Zeugen geladenen Freundes seien sie eher zufällig aufeinander getroffen. Anlass für den Streit war nach Angaben der Angeklagten, dass der besagte Freund von Klaus B. vor einem Jahr die Schwester von Dominic O. bedroht haben soll. Der Freund von Klaus B. sagte aus, dass Klaus B. den Streit nicht habe auf sich sitzen lassen wollen und mehrere Leute gefragt habe, ob sie ihn unterstützen würden, die Gruppe zur Rede zu stellen.

Tatmotiv Rassismus?

Vor Gericht legten alle Angeklagten Geständnisse ab, versuchten aber sogleich den Opfern eine Mitschuld der Taten anzulasten. Das Tatmotiv Rassismus, das ausschlaggebend dafür war, dass sich die Angeklagten überhaupt in aggressiver Stimmung in die Stadt begaben, wurde im Verfahren aber kaum thematisiert. Im Mittelpunkt des Prozesses stand der Angriff auf Klaus B., dem keine rassistische Motivation zugrunde lag. Der psychologische Gutachter sah vor allem die Gruppendynamik als ausschlaggebend für die Gewalttat an. So habe es während der Tat zwar keine Absprachen, aber eine stillschweigende Zustimmung gegeben. Das Gewissen der Einzelnen hätte sich der Gruppe untergeordnet. Er konstatierte bei allen Angeklagten eine Krise, beispielsweise durch Konflikte im Elternhaus, trotzdem seien alle voll zurechnungsfähig gewesen.

Die Angeklagten, von denen nicht bekannt ist, dass sie der extremen Rechten angehören, äußerten nur Ausflüchte. Dominic O. gab an, er habe nichts gegen Geflüchtete, er habe ja selbst Freunde, die „Ausländer“ seien. Seine Mitangeklagten hätten aber wegen des Gerüchts eine gewisse Wut gegen „Ausländer“ verspürt. Andreas S. gab in seiner Aussage an, er wisse nicht, wer aus der Gruppe negativ gegenüber Geflüchtete eingestellt gewesen sei.

Wichtige Fragen wurden nicht gestellt: beispielsweise, warum aufgrund eines vagen Gerüchts über eine Belästigung willkürlich eine Gruppe Geflüchteter angegriffen wurde. Dass der Angriff auf die Geflüchteten Ausdruck von Rassismus war, erscheint offensichtlich. Es zeigt sich daran, dass die Auswahl der Opfergruppe einzig und alleine aufgrund der Tatsache erfolgte, dass es sich bei ihnen um Geflüchtete handelte. Die Täter machten sie kollektiv verantwortlich für das mutmaßliche Verhalten eines Einzelnen, was ihnen Anlass und Rechtfertigung für ihre Gewalt bot.

Urteile

Am 4. Juli 2017 verurteilte das Landgerichts Bonn die vier Angeklagten wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge in einem „minderschweren“ Fall. Den „minderschweren“ Fall begründete das Gericht damit, dass das Opfer die Täter immer wieder beleidigt und somit zur Tat weiter provoziert habe. Dominic O. und Tomas S. wurden nach dem Jugendstrafrecht zu Haftstrafen von vier Jahren beziehungsweise drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hermann H. muss für vier Jahre und Andreas S. für zwei Jahre und sechs Monate ins Gefängnis. Die Verteidigung kündigte an, in Revision zu gehen.

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