Bad Soden Rechtsaußen

Rechte Agitation in der hessischen Provinz

Nicht erst seit den Wahlerfolgen der AfD bei der Kommunalwahl 2016 können (extrem) rechte Politker\_innen in Hessens ländlichen Räumen weitestgehend ungestört ihr Unwesen treiben. Ein Beispiel für Kommunalpolitik am rechten Rand ist der Stadtverordnete von Bad Soden (Main-Taunus-Kreis), Heiner Kappel, ehemals hessischer Landtagsabgeordneter der FDP.

Nicht erst seit den Wahlerfolgen der AfD bei der Kommunalwahl 2016 können (extrem) rechte Politker_innen in Hessens ländlichen Räumen weitestgehend ungestört ihr Unwesen treiben. Ein Beispiel für Kommunalpolitik am rechten Rand ist der Stadtverordnete von Bad Soden (Main-Taunus-Kreis), Heiner Kappel, ehemals hessischer Landtagsabgeordneter der FDP.

Heiner Kappel ist ein umtriebiger Mensch. Nach Abschluss seines Wehrdienstes studierte er und arbeitete im Anschluss als Pfarrer und Pädagoge. 1973 trat er der FDP bei, für die er 1977 in die Stadtverordnetenversammlung von Bad Soden gewählt wurde. Seit 1985 sitzt er ohne Unterbrechung in der Versammlung. Innerhalb der FDP wurde er Kreis- und Bezirksvorsitzender und gehörte ab 1981 zum Landesvorstand. 1983 wurde er zum Landtagsabgeordneten gewählt und war zeitweise stellvertretender Fraktionsvorsitzender, parlamentarischer Geschäftsführer sowie bildungs- und sozialpolitischer Fraktionssprecher. Seine Parteikarriere bei der FDP fand jedoch 1997 ein Ende, seine kontinuierliche rechte Agitation war ihm zum Verhängnis geworden. Doch er machte unbeirrt weiter und etablierte sich als selbstständiger nationalliberaler Politiker, der stets auch ein extrem rechtes Publikum anspricht.

Nationalliberalismus und FDP

Kappels Ausschluss aus der FDP-Landtagsfraktion erfolgte im Zuge parteiinterner Auseinandersetzungen über die Ausrichtung der Partei. 1995 hatte er zusammen mit Achim Rohde und Alexander von Stahl die Liberale Offensive in der FDP gegründet. Gemeinsam mit Klaus Rainer Röhl und Rainer Zitelmann wurde versucht, die Partei auf einen nationalliberalen Kurs zu bringen. Zum Eklat kam es, als Kappel — seinem Wunsch treu, die Partei „rechts von der CDU“ zu etablieren — am 3. Oktober 1997 als Redner bei einer Veranstaltung des Bündnis Konstruktiver Kräfte Deutschlands (BKKD) unter dem Titel „Kein Euro, kein Maastricht-Europa, keine Multikultur“ am Kyffhäuser-Denkmal auftreten sollte. Das BKKD war ein Bündnis rechtsnationaler Kleinstparteien, dem unter anderem der Bund freier Bürger (BfB) und die Deutsche Partei (DP) angehörten.

Weil Kappel sich weigerte, den Auftritt abzusagen, wurde er im September 1997 aus der Landtagsfraktion ausgeschlossen — aus Sorge um das Ansehen der FDP. Im Dezember trat er schließlich aus der Partei aus.

Führungsfigur am rechten Rand

Noch im selben Monat gründete Kappel in Anwesenheit des BfB-Vorsitzenden Manfred Brunner in der Autobahnraststätte am Kirchheimer Dreieck seine eigene Partei: die Offensive für Deutschland, die im Januar 1998 mit dem BfB zum Bund Freier Bürger — Offensive für Deutschland. Die Freiheitlichen fusionierte. Bei einer Demonstration in Frankfurt für den Erhalt der D-Mark sprach er von einem drohenden Verlust der deutschen Kultur und kündigte an, „denen in Bonn die Hölle heiß machen“ zu wollen. In einem Offenen Brief wandte er sich gegen die Errichtung des Holocaust-Mahnmals in Berlin. Nach dem 0,2-Prozent-Debakel des BfB bei der Bundestagswahl 1998 — Kappels Tocher Julia Kappel-Gnirs war im Wahlkreis Groß-Gerau für den BfB angetreten — wurde er 1999 in Fulda zum BfB-Bundesvorsitzenden gewählt. Brunner hatte sich zuvor gegen den offenen Rechtsaußen-Kurs von Kappel gestellt und war aus der Partei ausgetreten. Ein Jahr später wurde diese dann aufgrund interner Streitigkeiten und hoher Schulden aufgelöst.

Seine neue politische Heimat fand Kappel 2001 bei der DP, kurz darauf war er bereits deren Bundesvorsitzender. Unter seinem Vorsitz fusionierte die Partei mit der Freiheitlichen Deutschen Volkspartei. Aufgrund interner Streitigkeiten geriet Kappel erneut in Bedrängnis, da er nicht mit der NPD kooperieren wollte, sondern mit den Republikanern. 2005 wurde er als Bundesvorsitzender abgesetzt und aus der Partei ausgeschlossen.

Lokalpolitische Kontinuitäten

Im Jahr 2011 zog die Liste der Bad Sodener Bürger (BSB) — ein Zusammenschluss von drei kleinen Wahllisten — mit 21,4 Prozent in die Bad Sodener Stadtverordnetenversammlung ein. Bei der Kommunalwahl 2016 erhielt sie in Konkurrenz zur AfD „nur“ noch 13,9 Prozent der Stimmen. Als Stadtverordnete wurden Heiner Kappel, die heutige Fraktionsvorsitzende Julia, Heiner Kappels Sohn Jan Kappel sowie Hans-Joachim Drissler und Stefan Hauck gewählt, sowie als Magistratsmitglied Bernhard Köcher. Auf der Wahlliste der zumeist betont bürgerlich auftretenden BSB standen auch Kappels Schwiegertochter Nicole Kappel-Klivenyi und sein Schwiegersohn Thomas Gnirs.

Zur Kreistagswahl 2016 trat Kappel erfolglos als einziger Kandidat für seine Wahlliste Main-Taunus Bürger an, nachdem er zuvor das einzige Kreistagsmandat der Die Freien Bürger wahrgenommen hatte. Im Rahmen seiner Kandidatur gab er die Wahlzeitschrift „Eine Abrechnung“ heraus, die deutlich extrem rechte Inhalte aufwies. Er dokumentierte darin seine — allesamt abgelehnten — Anträge im Kreistag aus der vorherigen Legislaturperiode, in denen er sich unter anderem gegen Asylunterbringung, „einseitige Schuldzuweisungen“ im Zweiten Weltkrieg und Inklusion an Schulen ausgesprochen sowie die Einladung der antifeministischen Aktivistin Birgit Kelle gefordert hatte. Er beschrieb Deutschland als ein von den USA besetztes Land, wandte sich gegen NS-Erinnerungspolitik und sich angeblich Sozialleistungen erschleichende Geflüchtete. Als einzige Wahl bleibe, so Kappel, sich zu „wehren bis zum letzten Mann […] und ehrenhaft unter[zu]gehen oder demütig [zu] gehorchen“. Zudem war in der Wahlzeitschrift ein Beitrag von Friedrich Carl Albrecht zu finden, Autor von „Was nun, Deutschland? Vom Scheitern eines Parteienstaates“ und Anhänger Oswald Spenglers.

Kappels politische Positionen offenbaren sich auch in weiteren seiner Schriften, die er gerne „allen widmet“, die „ihren Glauben an Deutschland noch nicht aufgegeben haben“. Seine bisher sechs Bücher sind bei Ullstein, Aton und im Gerhard Hess Verlag erschienen. In einem Zuerst! -Interview wandte er sich im Oktober 2014 gegen Zuwanderung, Homosexualität und die „Genderbewegung“. Kirchliches Engagement gegen rechts bezeichnete er als „kirchenpolitische Verbeugung vor der political correctness“. In einem früheren Interview aus dem Oktober 2013 verteidigt er die Band Frei.Wild vor Antisemitismusvorwürfen, da er auch selbst „köstliche Judenwitze“ kenne. In Kappels Büchern und Interviews geht es oft um einen „patriotischen“ Kampf fürs „Vaterland“, der stets durch das „Totschweigen unserer Medien“ klein gehalten werde. Da hilft nur selber machen: Seit Ende 2000 schreibt er auch für die Bad Sodener Zeitung.

Was bleibt?

Kappels Wirken als Agitator am rechten Rand zieht sich nahtlos durch seine gesamte politische Biographie. Über seine Bücher und Interviews spricht er ein bundesweites Publikum an. Auch auf lokaler Ebene verbreitet er extrem rechte Propaganda und ist dort seit vielen Jahren politisch verankert. Genug Gründe also, den Mann im Auge zu behalten.

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