Seriös geht anders

Problemkandidat*innen der AfD Rheinland-Pfalz zur Bundestagswahl

Mit 12,6 Prozent zog die „Alternative für Deutschland“ (AfD) in den Bundestag ein. Vier der 94 Sitze werden mit Kandidat\*innen aus Rheinland-Pfalz besetzt. An erster Stelle auf der rheinland-pfälzischen Landesliste stand Sebastian Münzenmaier. Dieser jedoch musste sich ab dem 25. Juli 2017 vor dem Amtsgericht Mainz wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten, am 18. Oktober fiel das Urteil. Falls Münzenmaier infolgedessen sein Mandat zurückgeben sollte, stünde mit Stefan Scheil auch schon der nächste Skandalkandidat bereit.

Mit 12,6 Prozent zog die „Alternative für Deutschland“ (AfD) in den Bundestag ein. Vier der 94 Sitze werden mit Kandidat*innen aus Rheinland-Pfalz besetzt. An erster Stelle auf der rheinland-pfälzischen Landesliste stand Sebastian Münzenmaier. Dieser jedoch musste sich ab dem 25. Juli 2017 vor dem Amtsgericht Mainz wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten, am 18. Oktober fiel das Urteil. Falls Münzenmaier infolgedessen sein Mandat zurückgeben sollte, stünde mit Stefan Scheil auch schon der nächste Skandalkandidat bereit.

Die rheinland-pfälzische AfD, die seit März 2016 im Mainzer Landtag vertreten ist, vermied es bisher, die kleineren und größeren Skandale (vgl. Lotta #65) zu öffentlichkeitswirksamen Krisen ausufern zu lassen. Thorsten F. beispielsweise organisierte im Westerwald mehrere Demonstrationen, die eng mit PEGIDA verbandelt waren. Nachdem er im November 2015 in einem Facebook-Post einen „gesunden Rassismus“ gefordert hatte, leitete die AfD ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn ein. Einen bürgerlich-konservativen Landesverband macht das jedoch noch nicht.

Spitzenkandidat Sebastian Münzenmaier

Mit überraschend hoher Zustimmung setzte sich Sebastian Münzenmaier im März 2017 im Wettbewerb um den Spitzenplatz zur Bundestagswahl durch. Der Plan der Parteispitze: Ein Konsenskandidat sollte die Flügel einen und den Landesverband geschlossen in die Bundestagswahl führen. Unklar ist, ob sämtlichen Beteiligten klar war, wen sie da ins Rennen geschickt hatten. Münzenmaier war dem Amtsgericht Mainz zufolge in der Nacht zum 18. März 2012 mit etwa 40 anderen Fußballfans aus dem Hooliganspektrum des 1. FC Kaiserslautern und des VfB Stuttgart an einem Angriff auf Anhänger*innen des FSV Mainz 05 beteiligt. Sie sollen den Mainzer Fans, die von einem Auswärtsspiel aus Augsburg zurückkehrten, aufgelauert haben. Das Amtsgericht Mainz verurteilte ihn daher zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung und einer Geldstrafe in Höhe von 10.000 Euro. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, Münzenmaier kann noch Berufung einlegen.

Mit seinem politischen Aufstieg von der Kleinstpartei Die Freiheit zum temporären AfD-Fraktionsgeschäftsführer im Landtag und Spitzenkandidat der AfD-Landesliste zur Bundestagswahl hatte Münzenmaier einen großen Sprung gemacht. Der im Juli 2017 — etwa zwei Monate vor der Bundestagswahl — eröffnete Strafprozess kam da höchst ungelegen. In fast allen anderen Parteien hätte sich ein solcher Vorfall zum politischen Fiasko entwickelt — nicht jedoch in der AfD. Die Partei stellte sich hinter Münzenmaier.

Geschichtsrevisionismus im Bundestag?

Sollte sich Münzenmaier nach seiner Verurteilung genötigt sehen, sein Bundestagsmandat nicht wahrzunehmen, könnte Stefan Scheil von Listenplatz 5 nachrücken. Der Historiker hat sich in der extremen Rechten als Publizist und Referent einen Namen gemacht. In seinen Veröffentlichungen stellt er die Kriegsschuld Deutschlands infrage (siehe hierzu auch Lotta #41, S. 47).

Seit 2009 schreibt Scheil regelmäßig für die Junge Freiheit (JF) und veröffentlicht in der „neurechten“ Zeitschrift Sezession. Der Gründer des Instituts für Staatspolitik, Götz Kubitschek, interviewte im Oktober 2014 Scheil, den damaligen AfD-Kreistagsabgeordneten des Rhein-Pfalz-Kreises und dortigen Fraktionssprecher, zusammen mit Björn Höcke zu Zukunft und dem politischen Verständnis der AfD. Das Bundesamt für Verfassungsschutz führte unter anderem Scheils Thesen in der JF an, um die Beobachtung der Zeitung in den frühen 2000er Jahren zu begründen Auch bei der Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn, bekannt geworden durch ihre Forderung eines „Ariernachweises“ für Burschenschaftler, referierte Scheil mehrfach. Die Raczeks sind personell eng mit der AfD Rheinland-Pfalz verbunden, an prominentester Stelle durch deren Landtagsabgeordneten Joachim Paul. Diese politischen Stimmen treten innerhalb der Partei immer offener auf. Auf seiner offiziellen Facebook-Seite bekennt Paul neuerlich seine politische Solidarität zu Steve Bannon, einer zentrale Figur der amerikanischen „Alt-Right“-Bewegung.

Die Listenplätze zwei bis vier

Auf Listenplatz zwei zog für die AfD Rheinland-Pfalz Dr. Heiko Wildberg aus Germersheim in den Bundestag ein. Wildberg bezeichnet sich selbst als liberal-konservativ und war langjähriges Mitglied der Partei Bündnis90/Die Grünen und Mandatsträger in Kandel/Pfalz. Auch Andreas Bleck wird sich zukünftig MdB nennen dürfen. Der Lehramtsstudent war einst Mitglied der Jungen Union und des islamfeindlichen Vereins Bürgerbewegung Pax Europa, für den er Veranstaltungen, unter anderem mit dem wegen Volksverhetzung verurteilten Karl-Michael Merkle („Michael Mannheimer“) organisierte. Den vierten und letzten Platz erhielt die Regierungsschuldirektorin Nicole Höchst aus Speyer, Mitglied der Bundesprogrammkommission der AfD und dort zuständig für Schul- und Bildungspolitik. Sie brachte ihre Themen Gender-Mainstreaming und „Frühsexualisierung“ in die Erarbeitung des Grundsatzprogramms der Partei mit ein. Die Beamtin war an einer Pfefferspray-Verteilaktion der AfD in Rheinland-Pfalz beteiligt.

Was folgt

Nach Münzenmaiers Verurteilung dürfte der politische Druck auf die Partei wachsen. Mitangeklagte Münzenmaiers, die Geständnisse abgelegt hatten, wurden ebenfalls zu Geld- und Bewährungsstrafen bis zu sechs Monaten verurteilt. Ob Münzenmaier sein Mandat antritt, hängt nicht zuletzt davon ab, ob die Partei den Schaden ihrer Außenwahrnehmung in Kauf nimmt. Als Partei, die härtere Strafen für Gewalttäter fordert, wäre ein verurteilter Hooliganschläger sicherlich kein gutes Aushängeschild. Das aber dürfte zumindest der Parteispitze in Rheinland-Pfalz schon vor der Aufstellung der Landesliste klar gewesen sein. Davon ausgehend, dass Münzenmaier seine ausstehende Verhandlung nicht verheimlicht hat, wurde ganz bewusst ein Kandidat aufgestellt, der in der heißen Phase des Bundestagswahlkampfs einem Strafprozess wegen Körperverletzung entgegensah. Die Alternative wäre nun ein Geschichtsrevisionist, der mit seiner Haltung nicht hinterm Berg hält. Ob nun Münzenmaier oder Scheil: Die gesellschaftliche Rechtsentwicklung wird sich demnächst auch im Bundestag bemerkbar machen. Im rheinland-pfälzischen Landesparlament hat man davon schon einen Vorgeschmack bekommen.

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