„Habe wieder die Tarnmaske auf“

Die zwei Gesichter des AfD-Funktionärs Andreas Schäfer

In Rheinland-Pfalz finden im Mai 2019 Kommunalwahlen statt. Möglicher Kandidat der AfD ist Andreas Schäfer. Der Westerwälder versucht sich als seriöser Geschäftsmann, parallel gewährt er Gleichgesinnten in den sozialen Medien einen Einblick in sein Weltbild. Sein Versuch, beides voneinander zu trennen, stellt für ihn einen Drahtseilakt dar. Eben diesen hat er sich offenbar zu leicht vorgestellt.

In Rheinland-Pfalz finden im Mai 2019 Kommunalwahlen statt. Möglicher Kandidat der AfD ist Andreas Schäfer. Der Westerwälder versucht sich als seriöser Geschäftsmann, parallel gewährt er Gleichgesinnten in den sozialen Medien einen Einblick in sein Weltbild. Sein Versuch, beides voneinander zu trennen, stellt für ihn einen Drahtseilakt dar. Eben diesen hat er sich offenbar zu leicht vorgestellt.

Die AfD versucht nicht nur, den öffentlichen Diskurs Stück für Stück nach rechts zu verschieben. Ihr erklärtes Ziel ist es, parallel-gesellschaftliche Strukturen aufzubauen, um eine nachhaltige völkische Einflussnahme auf die Gesellschaft zu ermöglichen. Um dies zu erreichen, braucht es kapitalstarke Gönner, die sichere Arbeitsplätze, Wohnraum und weitere materielle wie ideelle Förderungen für ihre politischen Zöglinge bereit stellen.

Die Idee dahinter ist simpel: Junge Kader der extremen Rechten können aufgebaut, gesteuert und exponiert werden, ohne Gefahr zu laufen, den Arbeitsplatz zu verlieren oder in eine finanzielle Schieflage zu geraten. Der Mentor hat die freie Entscheidung, inwiefern er oder sie in der Öffentlichkeit auftauchen möchte. Für die Szene arbeitet er oder sie so mittelbar. Mit einer derartigen Absicherung soll verhindert werden, dass gesellschaftlicher Druck junge Kader ausbremst. Diese Idee ist nicht vom Himmel gefallen. Exponierte Personen der „Neuen Rechten“ wie Martin Sellner (Identitäre Bewegung Österreich) und Götz Kubitschek (Antaios Verlag) beklagen seit Langem, wie schwer es für „patriotische“ Aktivisten sei, gesellschaftlichem Druck zu entgehen.

„Blauner Westerwald“

Einer, der diese Konzeption besonders verinnerlicht zu haben scheint, ist Andreas Schäfer. Als gut situierter Bürger der Stadt Hachenburg im nördlichen Rheinland-Pfalz kann Schäfer bieten, was Schützling Justin Cedric Salka braucht, um sich auf den politischen Aktivismus zu konzentrieren. Seit 2016 ist Salka auf Veranstaltungen der AfD, der Identitären Bewegung, lokaler Pegida-Ableger und Demonstrationen in Kandel und Chemnitz zu finden. Er fungiert als stellvertretender Landesvorsitzender der Jungen Alternative (JA) Rheinland-Pfalz sowie als stellvertretender Vorsitzender der AfD Westerwald. Seit über einem Jahr wohnt er mittlerweile in Hachenburg und ist als Auszubildender zum Hörgeräteakustiker bei Schäfer Hörgeräte e.K. eingestellt. Inhaber Andreas Schäfer zählte Ende 2018 insgesamt sieben Filialen zu seinem wirtschaftlichen Eigentum — dazu betreibt seine Frau ein Nagelstudio.

„habe wieder die Tarnmaske auf…“

In der Vergangenheit vermied Schäfer, politische „Statements“ unter Klarnamen abzugeben. Gleichzeitig fällt auf: Wann immer der mediale Fokus auf der AfD Westerwald und im Besonderen auf Justin Salka und Andreas Schäfer liegt, ergreifen Fake-Profile lautstark für sie Partei. „Andrej Pastuch“ (polnisch, wörtlich = Andreas Schäfer) und „Oskars Kalpaks“ (lettischer Kommandeur im Ersten Weltkrieg) kommentieren Postings über Andreas Schäfer aus der Ich-Perspektive des Unternehmers. AfD-Mitglieder sprechen „Kalpaks“ online mit „Andreas“ an. Die naheliegende Identität zwischen den Pseudonymen und dem realen Schäfer wird weiterhin gestützt durch die Reaktion anderer AfD-Mitglieder. So liken Joachim Paul und Justin Salka einen Post von „Pastuch“, der „habe wieder die Tarnmaske auf…“ schrieb, nachdem „Pastuch“ nach kurzer Zeit sein Profilbild ausgetauscht hatte. Statt eines Fotos von Andreas Schäfer war fortan das Konterfei von Franz Josef Strauß zu sehen.

„Mut zur Wahrheit“

Für Schäfer erfüllt das anonyme Profil noch einen anderen Zweck. Während er in der Öffentlichkeit vermeidet, durch rassistische, sexistische oder offen faschistische Aussagen aufzufallen, zeigen hingegen sowohl „Kalpaks“ als auch „Pastuch“ keine Hemmungen, diese Weltanschauungen offen zur Schau zu stellen. So fordert „Pastuch“ in einem Posting mit Bezug auf ein Flüchtlingsboot in Seenot „Torpedo los!“ An anderer Stelle bewirbt „Kalpaks“ stolz die Schäfer Hörgeräte e.K. mit Aussagen wie: „Bin mein alleiniger AfD-Boss und stelle eh nur Leute ein die alle drei Strophen Deutschlandlied singen können!“ Weiter verspricht er: „[…] es gibt für treudeutsche Kämpfer Nationalrabatte bei mir!“.

Was für ihn einen „treudeutschen Kämpfer“ ausmacht, lässt sich an weiteren seiner Kommentare erahnen. Zum Beispiel solle das Abstammungsprinzip mehr Beachtung finden, schreibt er. Wert legt er auch auf die Ehrung toter SS-Soldaten, deren Bildnisse er mit „Ruhm und Ehre!“ kommentiert. Sein Frauenbild zeichnet er klar, indem er Hitler zitiert: „Auch die deutsche Frau hat ihr Schlachtfeld: Mit jedem Kinde, das sie der Nation zur Welt bringt, kämpft sie ihren Kampf für die Nation.“

NS-Vokabular steht für ihn auch in Bezug auf den politischen Nachwuchs hoch im Kurs. So bezeichnet „Kalpaks“ in einem Posting ein Mitglied der Jungen Alternative Rheinland-Pfalz in Anspielung auf dessen Hautfarbe als „Reichsneger“ und ereifert sich über den „Endsieg“, den die JA-Mannschaft in einem internen Fußballturnier errungen habe. Wie in vielen anderen Postings der Pseudonyme ist auch hier Schäfer auf dem beigefügten Bild zu sehen.

Vorgehen und Sympathien

Droht seine politische Weltanschauung publik zu werden und damit das Image als seriöser Geschäftsmann ins Wanken zu geraten, reagiert Schäfer mit Klagen. Als Bilder publik wurden, auf denen sowohl Schäfer als auch Salka beim „Kyffhäusertreffen“ zu sehen sind, ließ sein Anwalt verlauten, das kein öffentliches Interesse bestehe — und klagte. In der Folge musste Schäfer eine juristische Niederlage gegen den Verein DEMOS e.V. verbuchen, fortan war ein Wandel hin zu mehr öffentlicher Positionierung festzustellen. Seit November 2017 amtiert Schäfer als stellvertretender Vorsitzender der AfD Westerwald.

Neben der AfD, deren völkischer Fraktion „Der Flügel“ Schäfer zugetan ist, liked „Kalpaks“ auch den lokalen Ableger der Neonazi-Partei Der III.Weg. Selbst Beate Zschäpe erfährt die Solidarität von „Kalpaks“, der in ihr „das klassische Bauernopfer“ zu finden glaubt. Zudem offenbaren sich Sympathien für Gruppen wie die Identitäre Bewegung und das von Götz Kubitschek gegründete Institut für Staatspolitik (IfS). Laut „Kalpaks“ brauche auch die AfD eine Denkfabrik wie das IfS in Schnellroda.

Perspektiven

Andreas Schäfer ist mit seinem Kapital, seinem Einfluss und seinem Ansehen als Unternehmer im Westerwaldkreis ein zentraler Knotenpunkt für AfD-nahe Strukturen. Diese Schlüsselposition macht seine Bedeutung für die rechte Szene deutlich. Doch sein Konzept funktioniert nur so lange, wie er seine beiden Gesichter in der Öffentlichkeit trennen kann. Im Mai 2019 stehen die Kommunalwahlen in Rheinland-Pfalz an, für die auch Schäfer kandidieren könnte. Mit welchem der beiden Gesichter er sich dort präsentiert, wird sich zeigen.

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