Motiv Rassismus

Todesopfer bei Brandstiftung in Wiebelskirchen

Am Abend des 17. April 2018 wurde im saarländischen Neunkirchen-Wiebelskirchen ein Haus in Brand gesetzt, einer der Bewohner wurde getötet. Während des Prozesses wird klar, das Motiv des Hauptangeklagten war Rassismus.

Am Abend des 17. April 2018 wurde im saarländischen Neunkirchen-Wiebelskirchen ein Haus in Brand gesetzt, einer der Bewohner wurde getötet. Während des Prozesses wird klar, das Motiv des Hauptangeklagten war Rassismus.

Gegen 23:15 Uhr breitete sich das Feuer in dem Haus in der Kuchenbergstraße in Wiebelskirchen vom Treppenhaus im Erdgeschoss schnell in das obere Stockwerk aus. Die Feuerwehr rettete elf Menschen, darunter mehrere Kinder. Sie erlitten teils schwere Rauchgasvergiftungen. Philipp W., der 37-jährige Bewohner des Dachgeschosses, starb in dem brennenden Haus, er verbrannte bis zur Unkenntlichkeit. In dem Haus hatten auch eine aus Syrien geflohene Familie mit fünf Kindern sowie zwei syrische Männer gewohnt. Die Wohnungen waren von der Stadt Neunkirchen als Unterkunft für Geflohene angemietet worden. Schnell war klar: Ursache des tödlichen Feuers war Brandstiftung. Nach längeren Ermittlungen wurden zwei Tatverdächtige ermittelt und schließlich angeklagt.

„… um die Ausländer zu bestrafen“

Hauptangeklagter ist der 29-jährige Toni Jürgen Schmidt. Der 19-jährige Thomas M. wird wegen Beihilfe zur Brandstiftung mit Todesfolge angeklagt. Die beiden Beschuldigten hatten sich am Tattag getroffen, um die Schwangerschaft der Lebensgefährtin von Schmidt mit reichlich Alkohol zu begießen. Während der Feier habe sich Schmidt nach eigenem Bekunden an angebliche Beleidigungen seiner Lebensgefährtin durch „die Ausländer“ erinnert, woraufhin er zu „dem Haus der Ausländer“ gegangen sei, „um die Ausländer zu bestrafen“. Der Mitangeklagte M. sagt in der Vernehmung bei der Polizei, sie hätten gewusst, dass „dort Ausländer wohnen, denen er [Schmidt] es heimzahlen“ wollte. Ein weiterer Zeuge bestätigt dies vor Gericht. Schmidt habe laut Aussage von M. das Haus in der Kuchenbergstraße betreten und einen im Flur stehenden Kinderwagen mit Hilfe eines Feuerzeuges und eines Deosprays angezündet. Ein Zeuge berichtet außerdem vor Gericht, dass er Toni Schmidt verdächtige, im Jahr 2018 im Flur des Hauses, in dem Schmidt damals gewohnt hatte, Hakenkreuze an die Wand geschmiert zu haben. Nachfragen werden vom Gericht keine gestellt, der weitere Hinweis auf eine extrem rechte Gesinnung des Angeklagten Schmidt nicht weiter verfolgt.

Acht Jahre Freiheitsstrafe

In ihrem Plädoyer stellt die Oberstaatsanwältin fest: Motiv des Angeklagten Schmidt war Rache an „den Ausländern“, da diese seine Freundin beleidigt hätten. Toni Schmidt wird vom Gericht schließlich wegen besonders schwerer Brandstiftung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Als mögliches Tatmotiv wird vom Vorsitzenden Richter in der mündlichen Urteilsbegründung der „nichtige Grund“ der angeblichen Beleidigung der Lebensgefährtin angeführt, eine konkrete Festlegung sei aber „schwierig“. Der Mitangeklagte M. wird als Heranwachsender nach Jugendstrafrecht verurteilt und erhält eine Betreuungsweisung für ein Jahr sowie als Auflage die Teilnahme an einem sozialpädagogischen Kurs als Erziehungsmaßregel.

„… kein politischer Hintergrund zu erkennen“

Hakenkreuz-Schmierereien, „Rache an den Ausländern“ als Tatmotiv — Man sollte meinen, dass das rassistische Motiv der Brandstiftung angesichts der Aussagen der Angeklagten wie auch der Zeugen nicht zu leugnen ist. Doch weit gefehlt: Während die Polizei aus „ermittlungstaktischen Gründen“ zunächst keine Angaben zum Tatmotiv machen will, ist sich die Lokaljournaille schnell sicher, „dass bei der Tat kein politischer Hintergrund zu erkennen ist“. Die Staatsanwaltschaft sah nach Abschluss der Ermittlungen das Tatmotiv als „bislang nicht zweifelsfrei geklärt“ an. Gesichert erscheine lediglich, „dass beide Angeschuldigten hinsichtlich Feuerwehrarbeit sehr interessiert“ seien. Für die Saarbrücker Zeitung handelte der Täter Schmidt „aus ungeklärten Gründen“. Neben der geradezu widerwillig erscheinenden Thematisierung durch die Medien bleibt auch die öffentliche Empörung hierüber im Saarland gänzlich aus.

Serie von Brandstiftungen

Dabei steht die Brandstiftung in einer Reihe von Brandanschlägen auf von MigrantInnen oder Geflüchteten bewohnte Häuser im Saarland. Von 2006 bis 2012 wurden in Völklingen insgesamt 18 Brandstiftungen auf Gebäude verübt, in denen MigrantInnen wohnten. Eine Sonderermittlungsgruppe konnte keine TäterInnen ausfindig machen. Am 17. Januar 2017 wurde in Völklingen eine von MigrantInnen gemietete Lagerhalle angezündet, bei dem Großbrand wurden zwei Menschen verletzt, es entstand ein Sachschaden von rund eineinhalb Millionen Euro. Im Juli 2017 wurde in Völklingen innerhalb einer Woche ein Haus, das als Unterkunft für Geflüchtete dienen sollte, gleich dreimal in Brand gesteckt. Auch bei diesen Anschlägen wurden keine TäterInnen ermittelt. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist, dass eine von insgesamt nur 15 durch den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) versandten Bekenner-DVDs an die Völklinger türkisch-islamische Moscheegemeinde geschickt worden war.

Im saarländischen Ottweiler warfen bis heute unbekannte TäterInnen im Juni 2017 nachts mehrmals Brandsätze auf von MigrantInnen bewohnte Häuser. Philip W. ist nicht das erste Todesopfer eines rassistisch motivierten Brandanschlags im Saarland. Am 19. September 1991 wurde Samuel Yeboah, politischer Flüchtling aus Ghana, durch einen Brandanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft in Saarlouis-Fraulautern ermordet. Die TäterInnen wurden nie ermittelt, die Ermittlungen nach wenigen Wochen eingestellt. Erwähnenswert in der Serie neonazistischer Gewalttaten im Saarland ist auch der Bombenanschlag am 9. März 1999 auf die Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944“. TäterInnen wurden auch hier bis heute nicht ermittelt, eine Verbindung zum NSU ist nicht auszuschließen.

Die AfD gehört mit auf die Anklagebank

Der Haupttäter Schmidt hatte ein wahrlich schlechtes Leben in der deutschen Provinz. In seiner Kindheit vom Vater misshandelt und von MitschülerInnen wie ArbeitskollegInnen gemobbt lebt er in dem vom Strukturwandel mitgenommenen Wiebelskirchen. Die „typische Dorftankstelle“, wie sie ein Zeuge nennt, als Lebensmittelpunkt, an der sich regelmäßig Alkohol besorgt wird, passt ins Bild. Im Jahr 2018 erreichte die Stimmung gegen MigrantInnen in Deutschland einen neuen Höhepunkt. Diese gesellschaftliche Stimmung, die maßgeblich von AkteurInnen wie der AfD erzeugt wird, suggeriert sich chronisch zu kurz gekommen Fühlenden wie Toni Schmidt, dass „die Ausländer“ nach Deutschland kämen, um sich ein besseres Leben zu erschleichen und alles geschenkt bekämen. Es ist gut vorstellbar, dass diese Stimmung maßgeblich mit dazu beigetragen hat, dass dieser es „den Ausländern heimzahlen“ wollte und das Haus anzündete.

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