Partei des Rechtsrucks

Wie die politische Präsenz der AfD die Kräfteverhältnisse verschiebt

Die Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) hat sich im Laufe ihres mittlerweile sechsjährigen Bestehens zu einem Kulminationspunkt und Motor eines rechten Marsches durch die Institutionen entwickelt. Durch ihre Wahlerfolge gewinnt ein völkisch-autoritärer Populismus realpolitisch an Einfluss.

Die Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) hat sich im Laufe ihres mittlerweile sechsjährigen Bestehens zu einem Kulminationspunkt und Motor eines rechten Marsches durch die Institutionen entwickelt. Durch ihre Wahlerfolge gewinnt ein völkisch-autoritärer Populismus realpolitisch an Einfluss.

Keine Rechtsaußenpartei in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland erreichte auch nur annähernd eine solche flächendeckende parlamentarische Präsenz wie die AfD. Nur die Deutsche Partei schaffte Ende der 1940er Jahre den Einzug in den Bundestag — die AfD hingegen ist zudem noch in allen Landesparlamenten vertreten und ihr gelang mit 11 % der erneute Einzug in das Europaparlament. Damit hat die Rechtsaußenpartei erfolgreich die hierzulande lange bestehende rechtspopulistische Lücke gefüllt und sich zu einem wichtigen Ansprechpartner des europäischen Rechtsaußenspektrums entwickelt. Besonders mit der extrem rechten FPÖ teilt die AfD eine gemeinsame deutschnationalistische politische Tradition — die FPÖ gilt in vielerlei Hinsicht als politisches Vorbild.

Einhergehend mit der zunehmenden realpolitischen Einflussnahme der AfD rücken zugleich weltanschauliche Merkmale des Rechtsextremismus immer stärker in die Mitte des öffentlichen Diskurses. Die mediale Dauerpräsenz rechtspopulistischer Tabubrüche befördert eine Normalisierung reaktionärer und rassistischer Weltbilder. Im Unterschied zu vorangegangenen Hochphasen des deutschen Rechtsextremismus ist das politische Erscheinungsbild der AfD gekennzeichnet durch erfolgreiche politische Allianzen mit nationalkonservativen Strömungen einerseits und dem milieuübergreifenden Schulterschluss mit extrem rechten Bewegungen auf der Straße. Laut aktuellen Umfragen zu den kommenden Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen im Herbst dieses Jahres könnte die AfD dort zur stärksten Kraft werden. Zugleich mehren sich in den ostdeutschen CDU-Landesverbänden Stimmen, die sich für ein Zusammenwirken mit der AfD stark machen. In Sachsen-Anhalt haben zwei CDU-Abgeordnete mit einem Papier zur möglichen Zusammenarbeit mit der AfD schon den Anfang gemacht: In Ostdeutschland drohen österreichische Verhältnisse.

Rechte Volkspartei neuen Typs?

Entstanden ist die AfD als konservativ-neoliberale wie zugleich deutschnationalistische Antwort auf das Merkel-Credo von einer angeblichen Alternativlosigkeit der Euro-Rettungspolitik. Im Laufe ihres weiteren politischen Werdegangs hat sich die Partei unter zunehmendem Einfluss ihres völkisch-nationalistischen Flügels kontinuierlich weiter nach rechtsaußen entwickelt. Somit ist der Entstehungskontext der AfD einerseits der erfolgreichen Besetzung zweier politischer Gelegenheitsfenster geschuldet — der Eurokrise und der sogenannten Sarrazin-Debatte (die AfD als passende Partei zum Buch „Deutschland schafft sich ab“). Andererseits sind die Parteigründung der AfD und ihre Erfolge nicht bloßen Zufällen geschuldet, sondern Ergebnis jahrzehntelanger Vorarbeit der „Neuen Rechten“ im vorpolitischen Raum sowie nationalkonservativer Radikalisierungsschritte im Zuge der ‚Merkelisierung‘ der Union. Ein nicht unbedeutender Teil der politischen Entscheidungsköpfe innerhalb der AfD kommt aus dem früheren Berliner Kreis der Union. Mit Konrad Adam als damaligem Parteigründungsmitglied, Alexander Gauland als aktuellem Parteivorsitzenden und Erika Steinbach als Vorsitzender der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung — alle drei ehemals mitwirkend im Berliner Kreis — zeigt sich die Bedeutung der Unionsabtrünnigen für den AfD-Wirkungskreis. Diese radikalisierten Konservativen bilden zugleich den weltanschaulichen Brückenkopf zur „Neuen Rechten“ und deren Think-Tanks und Publikationsorganen.

Die Grauzone der „Neuen Rechten“ im Spannungsfeld zwischen Rechtsextremismus und Konservatismus führte jahrzehntelang ein Nischendasein ohne nennenswerten realpolitischen Einfluss. Die „Neue Rechte“ sieht in der AfD ein Handlungsfeld zur Umsetzung ihrer politischen Vorstellungen. So erklärte der „neurechte“ Vordenker Karlheinz Weißmann 2018 in der Wochenzeitung Junge Freiheit (JF): „Das nächste Ziel der Alternative für Deutschland ist die Organisation als ‚Volkspartei neuen Typs‘. In die müssen die Hauptströmungen — Volkskonservative, Hayekianer, Deutschradikale, Sozialpatrioten — eingeschmolzen werden.“

Völkisch-autoritärer Populismus

In einem Vortrag am 21. November 2015 beim Institut für Staatspolitik definierte der Thüringer Landesvorsitzende und Flügel-Frontmann Björn Höcke die AfD als „fundamentaloppositionelle Bewegungspartei“. Mit ihrer flüchtlingsfeindlichen und rassistischen Mobilisierung leitete die AfD ihre aktive ‚Bewegungsphase‘ ein. Dadurch entwickelte sich die Partei zunehmend zu einem politischen Dach für eine extrem rechte Bewegung auf der Straße: Die von der AfD organisierten rechten Aufmärsche vor dem Erfurter Dom, in Cottbus und Chemnitz unter Beteiligung von Pegida-Anhängern, Hooligans und Neonazis nahmen teilweise faschistoide Züge an. Der AfD-Aufmarsch Ende August 2018 in Chemnitz nach einem Todesfall auf einem Stadtfest bestätigte diese Tendenz.

Was in Partei und rechter Bewegung kulminierend zum Ausdruck kommt, ist die Verknüpfung von populistischer Ansprache mit autoritär-regressiven Gesellschaftsbildern und einem völkischen Nations- und Staatsverständnis. In der AfD als Partei eines solchen völkisch-autoritären Populismus kommen sowohl (rechts)populistische wie zugleich auch autoritäre und völkisch-nationalistische Merkmale zur Geltung. Die AfD ist rechts­populistisch, weil sie eine spezifische Form von politischer Ansprache sowie entsprechende Mobilisierung politischer Leidenschaften betreibt, die auf Verunsicherung, Angst, Ressentiment und Wut basieren. Alle rechtspopulistischen Parteien instrumentalisieren in den Worten der österreichischen Politikwissenschaftlerin Ruth Wodak „eine Art von ethnischer, religiöser, sprachlicher, politischer Minderheit als Sündenbock für die meisten — wenn nicht alle — aktuellen Sorgen und Probleme. Sie stellen die jeweilige Gruppe als gefährlich dar, die Bedrohung ‚für uns‘, für ‚unsere‘ Nation. Dieses Phänomen manifestiert sich als ‚Politik mit der Angst‘.“ Ebenso markieren rechtspopulistische Appelle „an den gesunden Menschenverstand und Anti-Intellektualismus“ eine „Rückkehr zu vormodernistischem Denken, also vor der Aufklärung.“

Genau diese populistischen Inszenierungen und Feindbildsetzungen praktiziert die AfD: So prangerte der AfD-Bundesvorsitzende Jörg Meuthen auf dem AfD-Bundesparteitag im April 2016 in Stuttgart an, er könne sich aufgrund der Zuwanderung nicht mehr sicher auf die Straße trauen, und leitete daraus die Forderung nach einem „Deutschland weg vom links-rot-grün versifften 68er-Deutschland“ ab. Der Bundestagsabgeordnete Marc Jongen, kulturpolitischer Sprecher der AfD, bekundete als vorrangiges Ziel, „die Entsiffung des Kulturbetriebs in Angriff zu nehmen“. Der Autoritarismus der AfD offenbart sich in einem rechtspopulistischen Versprechen nach Ord­nung (smacht) mit völkisch- nationalistischer Rhetorik: „Wir holen uns unser Land und unser Volk zurück“, verkündete der AfD-Vorsitzende Gauland am Abend des Einzugs in den Deutschen Bundestag. Auch der AfD-Landesvorsitzende von Rheinland-Pfalz, Uwe Junge, ein Oberstleutnant a.D., offenbarte auf seinem Twitter-Account autoritäre Vorstellungen von Selbstjustiz mit folgendem Bekenntnis: „Der Tag wird kommen, an dem wir alle Ignoranten, Unterstützer, Beschwichtiger, Befürworter und Aktivisten der Willkommenskultur im Namen der unschuldigen Opfer zur Rechenschaft ziehen werden! Dafür lebe und arbeite ich. So wahr mir Gott helfe!“. Mit seiner Behauptung, das ‚wahre Volk‘ symbolisch zu repräsentieren, instrumentalisiert und delegitimiert der Rechtspopulismus die demokratischen Institutionen. Für den AfD-Strategen Gauland stehen Identität und Nationales augenscheinlich über den Werten der Verfassung, da sie angeblich unveränderliche Lebensmerkmale darstellen: „Wir lieben nicht die Verfassung, wir lieben unser deutsches Volk. Aber wir wissen, dass die Verfassung richtig und nützlich ist und wir stehen für sie ein. Sie ist ein Kleid, das man verändern kann. Identität, Nationales, Kultur kann man nicht verändern. Sie ist uns angeboren und sie ist etwas, was wir alle zum Leben brauchen.“ Merkmale eines völkisch-nationalistischen Revisionismus lassen sich auch beim AfD-Bundestagsmitglied Martin E. Renner finden, der in Reden vor der Parteibasis über „70 Jahre des linksideologischen Grauens“ klagte — über „70 Jahre Dekonstruktion unserer Gesellschaft“, die seiner Ansicht nach mit der Re-Education nach dem Zweiten Weltkrieg („ein Teil der psychologischen Kriegsführung“) ihren Anfang nahmen.

Rechte Normalisierung und Faschisierung

Zwar spielt die AfD aktuell ihre parlamentarische Rolle als rechte Fundamentalopposition, was eine Kooperation mit den rechten Konservativen nach dem österreichischen Modell ausschließt: Doch in Ostdeutschland mehren sich die Anzeichen dafür, dass es dort in naher Zukunft zur Herausbildung eines neuen hegemonialen Blocks rechter Kräfte kommen könnte, bei dem die AfD die Rolle des politischen Kooperationspartners einnehmen würde. Eine solche mögliche Entwicklung wäre dann nicht bloß Ausdruck einer fundamentalen Verschiebung der Kräfteverhältnisse auf dem extrem rechten wie dem konservativen Feld. Zugleich droht dadurch eine Verschiebung völkisch-nationalistischer Weltanschauungen von Rechtsaußen in die gesellschaftliche Mitte sowie eine realpolitische Gestaltungsmöglichkeit für extrem rechte Politikansätze.

In den Zeiten der Achtundsechziger prägte die These von Johannes Agnoli über eine „Transformation der Demokratie“ hin zu einem autoritären Regime die linken Diskurse. Eine solche Tendenz für eine „Involution“ — ein inneres Schrumpfen und Zusammenbrechen demokratischer Grundsätze unter dem Druck von rechts — erscheint aktuell unter neuen Vorzeichen zumindest in ostdeutschen Landesteilen kein unrealistisches Szenario mehr. Während in den Parlamenten seitens der AfD ein Wechselspiel von permanentem Tabubruch und taktisch motivierter Zivilisierung betrieben wird, schreitet die von der AfD populistisch befeuerte Faschisierung ostdeutscher Provinzen rapide voran. Die gewaltaffinen rechten Stoßtruppen auf der Straße drohen dabei, eine demokratiefeindliche und zum Teil paramilitärische Funktion für die Umsetzung der AfD-Forderungen in den Parlamenten zu übernehmen. Eine derartige Entwicklung macht ein erneutes Nachdenken über die Möglichkeiten einer Reinkarnation des Faschismus erforderlich.