Alexander Karnath (Bildmitte, blaue Jacke) beim Trauermarsch für Borchardt am 9.
Marco Kemp

„Keine Rechtsrock-BRAVO“

Das Projekt „Rock Hate“

Unter dem Namen „Rock Hate“ haben sich seit Sommer 2019 verschiedene neonazistische Medienformate herausgebildet. Ob „Telegram“-Kanal und -Chat, Podcast oder Print-Magazin, hier findet sich alles rund um „Musik, Politik und Widerstand“. Hinter dem Projekt verbirgt sich mit Alexander Karnath ein alter Bekannter der nordrhein-westfälischen Neonazi- und RechtsRock-Szene.

Unter dem Namen „Rock Hate“ haben sich seit Sommer 2019 verschiedene neonazistische Medienformate herausgebildet. Ob „Telegram“-Kanal und -Chat, Podcast oder Print-Magazin, hier findet sich alles rund um „Musik, Politik und Widerstand“. Hinter dem Projekt verbirgt sich mit Alexander Karnath ein alter Bekannter der nordrhein-westfälischen Neonazi- und RechtsRock-Szene.

Im August 2019 ging auf dem Messenger-Dienst Telegram der Kanal Rock Hate online, der heute rund 3.000 Abonnent*innen aufweist. Der Schwerpunkt des Kanals liegt seit Beginn auf dem Bereich Musik und liefert neben Besprechungen und Veranstaltungsankündigungen diverse Neuigkeiten aus der Welt des RechtsRock. Gründe für die Erstellung des Kanals waren nach eigenem Bekunden die „massiven Einschränkungen“ und die „Zensurgewalt“ von anderen Social-Media-Plattformen wie beispielsweise Facebook. Von Beginn an verstanden die Admins des Kanals das Projekt nicht nur als Musik- und Subkultur-Format, sondern explizit auch als überparteiliche Plattform des „Nationalen Widerstands“: „Egal ob Ein Prozent, FSN, AfD, Dritter Weg, Die Rechte, NPD, Pegida, Tommy Frenck, Volkslehrer, oder wer auch immer, — wir reichen allen Patrioten die Hand und wir lassen uns auch nicht vorschreiben mit wem wir zusammenarbeiten und mit wem nicht“, so die Verlautbarung. Recht schnell entwickelte sich neben dem Kanal auch der Chat Rock Hate-Forum auf Telegram, das als Diskussions- und Austauschort dient. Waren es vor rund 15 Jahren Neonazi-Foren wie freier-widerstand.net oder thiazi.net, die auch für den Bereich der neonazistischen Musikwelt eine wichtige Bedeutung hatten, kommen heute diverse Musiker, Labelbetreiber und selbsternannte „Szenegrößen“ mit „Otto-Normal“-RechtsRock-Hörer*innen im Rock Hate-Forum zusammen.

Alter Bekannter

Betreiber der Rock Hate-Formate ist der 45-jährige Alexander Karnath, der früher in Wülfrath lebte, heute aber offenbar in Velbert (beides Kreis Mettmann bei Düsseldorf) lebt und eine lange Geschichte in der extremen Rechten in der Region vorzuweisen hat. Seit etwa Mitte der 1990er Jahre ist er in der lokalen und regionalen Neonazi-Szene aktiv und durchlief hierbei diverse Gruppierungen. Schon um das Jahr 2000 war er einer von 36 Beschuldigten in einem Verfahren gegen den Velberter Siepensturm, gegen die wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt wurde. Um das Jahr 2003 war Karnath „Stützpunktleiter Mettmann“ des Kampfbundes Deutscher Sozialisten (KDS) und bewegte sich dann kurze Zeit später in den Reihen des Freundeskreises Nationaler Politik (FNP) und der Gruppierung Autonome Nationalisten Wuppertal/Mettmann, die Teil der Vernetzungsstruktur des damals in NRW aktiven Aktionsbüros Westdeutschland (AB-West) war. Bei vom AB-West zu jener Zeit des Öfteren durchgeführten Aufmärschen übernahm er zwar Ordnertätigkeiten, schaffte es innerhalb der NRW-Strukturen der „Freien Kameradschaften“ aber nie, eine Führungsrolle einzunehmen.

RechtsRock

Seit Mitte der 2000er Jahre tritt Karnath als Musiker diverser RechtsRock-Bands in Erscheinung. Ende 2005 gründete er zusammen mit den beiden Brüdern Marco und Tobias C. die Band Dux et Patria. Nach wenigen Veröffentlichungen war Anfang der 2010er Jahre aber von der Band nichts mehr zu vernehmen. In den letzten Jahren trat Karnath unter anderem mit dem Projekt Farben des Krieges in Erscheinung, an dem auch der Dortmunder Matthias Drewer und der frühere Sänger der Band Notwehr, Stefan Strasda aus Velbert, beteiligt waren. Strasda und Karnath kennen einander seit den 1990er Jahren und gehörten beide der Neonazi-Truppe Nationales Forum Niederberg an, die Ende der Neunziger von dem anschließend nach Bayern verzogenen Neonazi Norman Bordin geleitet wurde. Die gemeinsame Arbeit an dem Band-Projekt Farben des Krieges führte letztendlich dazu, dass Strasda und Karnath die Velberter Band Notwehr wiederbelebten. Nach über 20 Jahren veröffentlichte Notwehr 2020 wieder ein Album, und es fanden auch vereinzelt Live-Auftritte statt. „Die wieder gegründete Kult-Kapelle NOTWEHR wollte ihren ersten Auftritt seit 20 Jahren hinlegen! […] Die Zuschauer flippten völlig aus und brüllten sich die Seele aus dem Leib“, heißt es beispielsweise in einem Bericht über ein Konzert am 27. April 2019 in Kirchheim (Thüringen), auf dem neben Notwehr auch Scott and Steve von Fortress, Killuminati sowie Kraftschlag auftraten. Erschienen ist der Konzertbericht in der ersten Ausgabe des Rock Hate-Magazins.

Abgrenzung von „Rock Nord“

„Wir sind keine Rechtsrock-BRAVO und Hobbynationalisten, so wie damals z.B. das Rock Nord. Dafür ist uns die aktuelle Lage in Deutschland und Westeuropa einfach zu ernst. Aus dem Grund führen wir, neben Interviews mit Kameraden aus dem musikalischen Widerstand, auch Gespräche mit Parteileuten/Funktionären, Straßenaktivisten und unbekannten Politischen Soldaten“: So stellte sich das im Jahr 2021 erstmalig erschienene Rock Hate-Magazin seinen Leser*innen vor. Dass sich das Rock Hate-Magazin von dem bis 2005 erschienenen RechtsRock-Hochglanzmagazin Rock Nord abgrenzt, überrascht nicht, galt dieses vielen in der Szene doch als kommerziell und szenefremd. Bis Ende 2021 wurden drei Ausgaben das Rock Hate-Magazins veröffentlicht. Das Impressum liefert die Küsten-Textil UG im thüringischen Artern. Dahinter verbirgt sich der Neonazi Nils Budig, der mit seiner Firma für eine Reihe von Labeln und Vertrieben verantwortlich zeichnet, die maßgeblich mit dem internationalen Netzwerk der Hammerskin Nation verbunden sind. Eines dieser Labels — Front Records — dient nicht nur Notwehr, sondern auch Karnaths aktueller Band Kriegstreiber sowie einem im Dezember 2021 erschienenen „Rock Hate Sampler“ als Veröffentlichungsstruktur. Für das Layout des Rock Hate-Magazins ist Martin Wegerich (Vlanze Graphics) zuständig. Karnath selber steckt offenbar hinter einem Großteil der namentlich nicht gekennzeichneten Inhalte und Band-Interviews. Darüber hinaus finden sich die üblichen Verdächtigen wie Christian Worch, Dieter Riefling oder Patrick Schröder, die Artikel und Beiträge liefern. In der Erstausgabe des Heftes war neben einem Interview mit Notwehr auch ein Portrait von Karnaths Band Kriegstreiber zu finden — völlig objektiv und uneigennützig natürlich.

Lückenschließer?

Zwar existieren auch heute noch einige wenige klassische Fanzines der neonazistischen Skinhead-Szene wie das Love of Oi oder das De Kahle Plaat, aber ein „authentisches“ Szenemagazin für den Bereich RechtsRock existierte lange Zeit nicht. Diese Lücke scheint aber nicht nur Karnath mit seinem Heft schließen zu wollen. Ende 2021 sind mit dem Frontmagazin und dem Oldschool Records-Labelheft „Keep Rocking The System“ zwei weitere neue Hochglanzdruckerzeugnisse der RechtsRock-Szene erschienen. Es bleibt abzuwarten, ob Karnath es schafft, ein Magazin für die neonazistische Szene zwischen „Bewegung“ und Musik zu etablieren. Falls nicht, bleibt ihm immer noch der Telegram-Kanal. Geld lässt sich mit diesem aber sicherlich nicht verdienen…

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