„Neurechte“ Plattformen

Zu Besuch bei Marburger Burschenschaften

Der Burschentag 2014 in Eisenach ließ die Öffentlichkeit mit weniger Skandalen als gewohnt zurück. Die Wahl der Burschenschaft „Germania Marburg“ zur neuen Vorsitzenden der „Deutschen Burschenschaft” (DB) für das Geschäftsjahr 2015 ist allerdings eine Bemerkung wert. Im Doppel mit ihrer Nachbarin „Rheinfranken“ stellt sie extrem rechte Kontinuitäten in Marburg dar.

Der Burschentag 2014 in Eisenach ließ die Öffentlichkeit mit weniger Skandalen als gewohnt zurück. Die Wahl der Burschenschaft „Germania Marburg“ zur neuen Vorsitzenden der „Deutschen Burschenschaft” (DB) für das Geschäftsjahr 2015 ist allerdings eine Bemerkung wert. Im Doppel mit ihrer Nachbarin „Rheinfranken“ stellt sie extrem rechte Kontinuitäten in Marburg dar.

Die benachbarten Marburger Burschenschaften Germania und Rheinfranken gehören seit jeher zum völkisch-nationalen Flügel der DB und damit zu den treibenden Kräften, die die politische „Kurskorrektur“ und damit die Austritte der sich als liberal verstehenden Bünde provoziert haben. Mit der Debatte um den sogenannten Arierparagraphen ist mit der Berichterstattung zum Burschentag 2012 lediglich die absurde Spitze des Eisbergs in das mediale Interesse gerückt. Die DB ist mehr denn je eine politische Akteurin für „neurechte“ und völkische Netzwerke, was sich am Beispiel der zwei Marburger Burschenschaften zeigen lässt.

Burschenhäuser – Neurechte Plattformen

Die Burschenschaften pflegen gute Kontakte zu verschiedenen Spektren der extremen Rechten. Germania und Rheinfranken sind als Teil des „neurechten“ Netzwerkes um das Institut für Staatspolitik (IfS) einzuordnen, das im Mai 2000 von Götz Kubitschek und Karlheinz Weißmann gegründet wurde. So war auf der Verlagsmesse „Zwischentag“ in Berlin auch die Burschenschaft Germania mit eigenem Stand vertreten. Mit eigenen Zeitschriften, Blogs und gesteigerten Verlagstätigkeiten versucht das Umfeld des IfS, sich eigene Freiräume zu schaffen. Maßgeblich trifft diese Bemühung bei der DB auf Resonanz.

In der hessischen Universitätsstadt Marburg lässt sich beobachten, dass sich beinahe die gesamten Verlagsprogramme der vermeintlichen rechten Avantgarde die Klinke bei Germania und Rheinfranken in die Hand geben. Der Kunsthistoriker Norbert Borrmann stellte sein Buch „Vom Wagnis, rechts zu sein“ vor, Manuel Ochsenreiter von der Zeitschrift Zuerst! sprach zur Syrienkrise und der Publizist Martin Semlitsch („Martin Lichtmesz“), wurde zur Lesung gebeten. Ein Vortrag mit dem Gründer des Thule-Seminars aus Kassel, Pierre Krebs, wurde Ende 2011 nach öffentlichem Druck seitens der Altherrenschaft abgesagt.

Im Februar 2014 wurde erstmals seit 2008 wieder der „Marburger Diskurs“ ausgerichtet. Die Veranstaltung, zu der jeweils an einem Tag drei Redner eingeladen werden, findet seit 1986 unregelmäßig bei der Germania statt. In diesem Jahr sprachen Manuel Ochsenreiter, Felix Menzel, Redakteur der Blauen Narzisse und Erik Lehnert vom Institut für Staatspolitik zum Thema „Alternativen zur EU“. Menzel ist als „neurechte“ Schlüsselfigur ein gern gesehener Gast in der Marburger Lutherstraße. Bereits 2006 berichtete er beim „Marburger Diskurs“ über die Arbeit des Allgemeinen Pennäler Rings, eines Zusammenschlusses von Schülerverbindungen. Und 2010 bereits traf sich seine Zeitschrift Blaue Narzisse zur Redaktionssitzung bei der Germania.

Doch nicht nur inhaltlich, auch personell liegen die Verbindungen auf der Hand. Insbesondere der derzeitige Aktivensprecher der Germania, Philip Stein, ist hier als zentrale Person zu nennen. Stein ist regelmäßiger Autor der Blauen Narzisse und hat mit deren Chefredakteur Felix Menzel verschiedene Texte publiziert. Gemeinsam brachten sie während eines von Stein absolvierten Praktikums bei Menzels Institut für Jugend, Identität und Kultur in Dresden 2013 das Heft „Junges Europa. Szenarien des Umbruchs“ heraus, in dem beide Autoren eine neue konservative Revolution in Europa herbei halluzinieren. Kürzlich erschien ebenfalls im Eigenverlag der Blauen Narzisse eine Aufsatzsammlung mit dem Titel „Nazi-Vorwurf“, in dem Stein zum strategischen Umgang mit eben jenem schrieb.

Bei den Rheinfranken ist man offensichtlich trotz des stramm rechten Kurses und Personals gewillt, an den Aufstieg der rechtspopulistischen Partei Alternative für Deutschland anzuknüpfen. So fanden gleich zwei Vorträgen von Mitgliedern der AfD zu den jeweiligen Wahlkampfthemen statt. Im Jahre 2013 sprach Joachim Starbatty, Spitzenkandidat der AfD in Berlin bei der Bundestagswahl, zum Thema Euro. Im Mai 2014 wurde der Brandenburger Spitzenkandidat Alexander Gauland eingeladen. Auf Nachfrage, warum Starbatty vor einer „ultra-rechten“ Burschenschaft reden würde, erwiderte er gegenüber der ZEIT: „An dem Abend war von solchen Strömungen dort nichts zu spüren.“

Überschneidungen mit der Neonaziszene

Starbattys Erwiderung ist angesichts der Zusammensetzung der Burschenschafterszene nur schwerlich Glauben zu schenken. Neben dem erfolgreichen Networking in „neurechte“ Netzwerke von Philip Stein waren die Verbindungen schon immer Anziehungspunkt für studierende Neonazis. So zog der Unnaer Bastian Löhr 2013 in das Rheinfranken-Haus; er studiert an der Philipps-Universität Jura. Löhr ist Teil des Freien Netzes Unna, einer Kameradschaft, die für zahlreiche Sachbeschädigungen und Propagandaaktionen im östlichen Ruhrgebiet verantwortlich ist.

Die Werbeoffensive der Germania und Rheinfranken hatte auch dazu geführt, dass die örtlichen Nazistrukturen in der Lutherstraße ein und aus gehen und auch Kontakte zu überregional aktiven Neonazis wie Danny Wolff aus Wetzlar aufgebaut wurden. Diese Strukturen hinterlassen ihre Spuren: Die Verbrennung von Keltenkreuzen zur Wintersonnenwende ist dabei nur ein Event, bei dem sich auch die weniger intellektuellen Nazis wohlfühlen. Neben dem Besuch der Veranstaltungen „auf den Häusern“ haben sich hier Freundschaften sowie politische Zusammenarbeit aufgebaut. Beispielsweise verteilten Aktivensprecher und Neonazis zum sogenannten Trauermarsch im Februar in Dresden gemeinsam Flyer in Marburg. Kurz darauf tauchten in der Stadt Aufkleber mit dem Label „Nationaler Widerstand Marburg“ auf, die optisch an die Urheberschaft Danny Wolffs erinnern.

Rückzug in die Kaderschule

Die Aktivitäten der beiden Burschenschaften sind extrem rechte Politik in einer eher linksalternativ geprägten Stadt, in der sie keine politische Relevanz haben. Es wird mit einer gewissen Trotzigkeit eine Vortragsveranstaltung nach der anderen durchgeführt, die Strahlkraft nach außen bleibt jedoch eher gering. Eher stellt sich die Wirkung einer Kaderschule ein: Überregionale „neurechte“ Netzwerke werden mit Personal und Autoren bedient. Lokal lassen sich jedoch keine weitergehenden politischen Schritte feststellen, obwohl die Rückzugsräume vorhanden sind. Mit der Übernahme des Verbandsvorsitzes bleiben der Germania gleichfalls weniger Kapazitäten für den Aufbau lokaler Strukturen, was die Arbeit vor Ort schwächen kann. Ob aus dem Rückzugsraum der benachbarten Häuser in der Lutherstraße neue Strukturen gebildet werden, wie es mit Labels wie „Nationaler Widerstand Marburg“ 2014 versucht wurde, bleibt abzuwarten. Fest steht, dass das rechte Veranstaltungspotpourri bei den beiden Burschenschaften ein Scharnier vom Konservatismus über Rechtspopulismus bis hin zum völkischen Nazismus bietet und Kontakte zwischen diesen Spektren schafft.

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„Bruderschaft Hessen“ mit Solishirts bei einem Aufmarsch in Bad Nenndorf.

„Freiheit für Philip“

Hessische Unterstützung für „Reichstrunkenbold“ und Waffentransporteur

Philip Tschentscher wurde letzten Sommer im Zusammenhang mit dem österreichischen Neonazi-Kulturverein „Objekt 21“ festgenommen und im Januar zu drei Jahren Haft verurteilt. Das „Objekt 21“ ist Teil eines deutsch-österreichischen Netzwerkes, Tschentscher war in diesem Netzwerk ein nicht unwesentlicher Protagonist. Dem „fliegenden Händler“, Liedermacher und „Reichstrunkenbold“ wurden NS-Wiederbetätigung und Verstoß gegen das Waffengesetz vorgeworfen. Aufgeflogen war er, als er eine Pistole über die deutsch-österreichische Grenze schmuggeln wollte. Hessische Neonazis haben zwischenzeitlich eine Solidaritätskampagne für ihn organisiert.