Björn Clemens am 6. Dezember 2006 als Strafverteidiger von Marco Gottschalk, Frontmann von "Oidoxie".
R. Geisheimer/attenzione

„Im Dienste des nationalen Widerstands“

Der Düsseldorfer Rechtsanwalt Björn Clemens

Aktuell läuft vor dem Oberlandesgericht in Frankfurt am Main im Mordfall Lübcke der Strafprozess gegen die Neonazis Stephan Ernst und Markus Hartmann. Im Gegensatz zu Ernst suchte sich Hartmann Beistand im eigenen Lager: Der Düsseldorfer Rechtsanwalt Björn Clemens gilt als einer der umtriebigsten rechten Anwälte in Deutschland und ist Multi­aktivist der extrem rechten Szene.

Aktuell läuft vor dem Oberlandesgericht in Frankfurt am Main im Mordfall Lübcke der Strafprozess gegen die Neonazis Stephan Ernst und Markus Hartmann. Im Gegensatz zu Ernst suchte sich Hartmann Beistand im eigenen Lager: Der Düsseldorfer Rechtsanwalt Björn Clemens gilt als einer der umtriebigsten rechten Anwälte in Deutschland und ist Multi­aktivist der extrem rechten Szene.

Für die Nebenklage sei der Prozessauftakt nur schwer erträglich gewesen, bewertete Holger Matt, Anwalt der Familie des in der Nacht auf den 2. Juni 2019 ermordeten Walter Lübcke, den ersten Vormittag im Gerichtsprozess. Die Verteidiger der beiden Angeklagten hatten am ersten Gerichtstag direkt nach Feststellung der Personaldaten begonnen, das Gericht mit Anträgen zu überziehen, wobei aber auch klar wurde, dass es keine gemeinsame Strategie gibt. Es ging um eine angebliche Befangenheit des Richters und die Aussetzung des Prozesses aufgrund der COVID-19-Pandemie und des großen Aktenumfangs. Außerdem hatten Ernsts Verteidiger gefordert, die beiden Anwälte von Hartmann, Nicole Schneiders und Björn Clemens vom Verfahren auszuschließen.

Hartmann soll Ernst laut Anklage Beihilfe zum Mord an Walther Lübcke geleistet haben, der Hauptangeklagte Ernst ist zudem beschuldigt, im Januar 2016 in Lohfelden (Landkreis Kassel) den aus dem Irak stammenden Ahmed I. aus rassistischen Motiven mit einem Messer angegriffen und schwer verletzt zu haben. Kurz nach Ernsts Festnahme hatte der hessische Neonazi-Anwalt Dirk Waldschmidt ihn in der Untersuchungshaft besucht und die Verteidigung übernommen. Ernst gestand kurz darauf den Mord an Lübcke, dabei gab er an, bei den Vorbereitungen und dem Mord allein gehandelt zu haben.

Kurz darauf widerrief er sein erstes Geständnis, entließ Waldschmidt, heuerte seinen aktuellen Anwalt Frank Hannig an und belastete Hartmann stark. Waldschmidt habe ihm geraten, die Schuld auf sich zu nehmen. Da sich Waldschmidt bei der Befragung wegen einer möglichen Strafvereitelungsstraftat von seiner Kollegin Schneiders vertreten ließ, bestünde die Möglichkeit, so Ernsts Verteidiger, dass Schneiders Informationen über Ernst, die sie von Waldschmidt gehabt habe, an Hartmann und Clemens weitergegeben hätte. Deshalb sei sie ebenso wie Clemens aus dem Verfahren auszuschließen.

Clemens forderte seinerseits, das Verfahren gegen Hartmann einzustellen und ihm eine Entschädigung zu zahlen, da er durch die Medienberichterstattung vorverurteilt worden sei. Es sei medial ein Bild gezeichnet worden, das Hartmann als „das Böse“ und Lübcke als gut dargestellt habe. Dadurch sei das Gericht derart stark beeinflusst, dass keine neutrale Bewertung mehr möglich sei. Letztendlich ließen die Anwälte der beiden Angeklagten keine Möglichkeit unversucht, das Verfahren zu verzögern oder auszusetzen. Die Anklage konnte darum erst am Nachmittag verlesen werden. Erwartungsgemäß wurden alle Anträge vom Richtersenat abgelehnt.

Spezialisiert auf „politische Prozesse“

Clemens ist bekannt für seine ausschweifenden Anträge und die damit einhergehende Verzögerungstaktik vor Gericht. Zu seiner Verteidigungsstrategie im Koblenzer Prozess gegen das neonazistische Aktionsbüro Mittelrhein äußerte er sich gegenüber der JN-Zeitschrift Aktion Widerstand wie folgt: „Wie in jedem Prozess gibt es Reibungspunkte, und dann nutze ich die Instrumente der StPO, um die Rechte meines Mandanten durchzusetzen, und wo es notwendig ist, bis zum harten Konflikt.“ Der Mammutprozess, unter anderem wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, startete im August 2012 und wurde nach dem dritten Anlauf im September 2019 eingestellt.

Clemens studierte von 1988 bis 1995 BWL und Jura in Marburg und promovierte 2005. Mit seiner Publikation „Der Begriff des Angriffskrieges und die Funktion seine Strafbarkeit“ machte er den Schritt vom Nischenautor extrem rechter Szenepublikationen in die wissenschaftliche Öffentlichkeit. Sein Werk wurde trotz — so die FAZ — „zahlreicher (rechts)geschichtlicher Thesen […], die mehr als problematisch sind“, breit zitiert. Seit 2000 betreibt Clemens eine Düsseldorfer Anwaltskanzlei mit den Schwerpunkten Verwaltungs-, Straf- und Persönlichkeitsrecht.Alles Fachgebiete, die die extreme Rechte gut und oft gebrauchen kann.

Zu seiner Mandantschaft zählen Personen wie der ehemalige NPD-Europaabgeordnete Udo Voigt, der Sänger der C18-nahen RechtsRock-Band Oidoxie Marko Gottschalk, der NSU-Unterstützer André Eminger und die Anmelderin der Düsseldorfer Auftritte des PEGIDA-Ablegers DÜGIDA, Melanie Dittmer. In einem parteiinternen Streit der AfD Schleswig-Holstein vertrat Clemens im Jahr 2017 den Landesvorsitzenden Jörg Nobis. Man habe Clemens ausgewählt, so Nobis, weil dieser sich mit politischen Prozessen auskenne.

„Der wahrhaft Nationale“

Seine politische Karriere begann Clemens in seiner Studienzeit, als er der Marburger Burschenschaft Rheinfranken beitrat. Diese ist bis heute im völkischen Dachverband Deutsche Burschenschaft organisiert und war 2016 wegen geleakter interner Dokumente in der Öffentlichkeit, aus denen das eindeutig extrem rechte Weltbild der Burschen hervorgeht (Vgl. LOTTA #65, S. 34 f.). Clemens ist regelmäßig in Marburg zu Gast, und die „Aktivitas“ der „Rheinfranken“ besucht seine Prozesse, wenn diese in der Nähe von Marburg stattfinden.

Clemens versuchte sich in der Hochschulpolitik und belebte 1993 den Republikanischen Hochschulverband wieder. In diesem Jahr trat er auch der Partei Die Republikaner bei. Der 1989 vor allem aus dem burschenschaftlichen Milieu ins Leben gerufene Studentenverband sollte zur Intellektualisierung der Mutterpartei beitragen, löste sich jedoch bereits 1990 wieder auf. Die Marburger Gruppe bestand dennoch noch einige Jahre weiter, auf Clemens folgten „Bundesbrüder“, die das Projekt am Leben hielten und vor allem durch Anzeigen und Flugblätter gegen den AStA auf sich aufmerksam machten.

Nach seinem Examen arbeitete Clemens 1996 an der Humboldt-Universität in Berlin und anschließend als „Parlamentarischer Berater“ und Anwalt für die Landtagsfraktion der Die Republikaner in Baden-Württemberg. Von 2002 bis 2006 war er Mitglied des REP-Bundesvorstands und hatte den Posten des stellvertretenden Vorsitzenden inne. Innerhalb der REP hatte er sich immer gegen eine starre Abgrenzung nach noch weiter rechts gewehrt. Er befürwortete auch den „Deutschlandpakt“ zwischen NPD und DVU. Im Interview mit der NPD-Postille Deutsche Stimme (DS) fasste er den Konflikt zusammen: „Der konservative Bürgerling will am Tisch der Machthaber sitzen. Der wahrhaft Nationale will diesen Tisch umstoßen.“ Clemens kandidierte 2004 und 2007 für den REP-Parteivorsitz, scheiterte allerdings gegen Rolf Schlierer und nahm dies letztendlich zum Anlass, den REP den Rücken zu kehren. In seinem Austrittsschreiben vom 21. Februar 2007 bezeichnete er die REP als „Totenschiff“ und bekundete, dass er „noch zu jung zum Sterben“ sei.

Schon damals war Clemens in der Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland (JLO, bis 2000 Junge Landsmannschaft Ostpreußen) organisiert, in der er auch Vorstandsposten übernahm. 2007 meldete er für die JLO in Düsseldorf eine Kundgebung zum Gedenken an den 1923 in Düsseldorf auf Grundlage eines Urteils eines französischen Militärgerichts hingerichteten extrem rechten Freikorpsaktivisten Albert Leo Schlageter an, offenbar eines seiner Vorbilder. Die JLO veranstaltete damals alljährlich im Februar einen Neonazi-Aufmarsch in Dresden, eine der größten Veranstaltungen im Demo-Kalender der extremen Rechten. 2010 hielt Clemens dort einen Redebeitrag, in dem er die Freilassung des Holocaustleugners Horst Mahler forderte.

Seit 2014 ist Clemens Mitglied im Vorstand der Gesellschaft für freie Publizistik (GfP). Der Verein wurde 1960 von ehemaligen Angehörigen der NSDAP und SS gegründet und hat die organisierte Erweiterung des Sagbaren zum Zweck. Unter dem Deckmantel der „Meinungsfreiheit“ sollen vermeintliche „Denk- und Sprechverbote“ aufgeweicht werden. Der GfP gehören vor allem Publizisten und Verleger an, einmal jährlich findet ein Kongress statt, aus dessen Anlass jeweils ein Begleitheft herausgegeben wird. Bereits 2007 sprach und schrieb Clemens über das Thema „Gesinnungsjustiz“ bei der GfP. 2018 stand der Kongress unter dem Motto: „Europas Reconquista. Von der Überfremdung zur Selbstbehauptung“. Eingeladen war unter anderem der als „Volkslehrer“ bekannte Nikolai Nerling, der auch ein Interview mit Clemens auf seinem YouTube-Kanal veröffentlicht hat.

Publizistische und Vortrags-Tätigkeiten

Seit seinem Austritt bei den REP tritt Björn Clemens neben seiner Arbeit als Anwalt vor allem durch Veröffentlichungen, Vorträge, Redebeiträge und „Satire“-Darbietungen in Erscheinung. Siebenseitige Ausführungen zum Stand der Republik in der Werk-Kodex, ein Interview in der Deutschen Stimme mit einer Erläuterung, warum Mesut Özil kein Deutscher sein könne, oder seitenweise Ergüsse über die Begriffe „Volk“ und „Heimat“: Clemens ist in nahezu allen rechten Zeitschriften und Zeitungen vertreten.

Zu seinen Veröffentlichungen zählen auch Essays und Gedichte, 2013 verfasste er zudem einen Roman. Die Themenpalette ist allerdings überschaubar bis einseitig. Es geht entweder um rechtliche Fragen oder um eines seiner Hauptfeindbilder: eine multikulturelle Gesellschaft. Oder um beides gleichzeitig. In seinem 372-seitigen „deutschen Justizroman“ wird der Großvater eines jungen weißen Mannes von rassistisch stereotyp dargestellten Männern ermordet. Diese strotzen nur so vor „Männlichkeit“ und Selbstvertrauen, der arme schüchterne Pascal kann da nicht mithalten und ist zudem nicht sonderlich wehrhaft. Und auch die Justiz lässt ihn im Stich, denn die Täter bleiben unbehelligt. Letztendlich wendet er sich der rechten Szene zu…

Angriff und Verteidigung

Durch Clemens’ Aktivitäten zieht sich Rassismus wie ein roter Faden. Bei einem Aufmarsch in Schneeberg im sächsischen Erzgebirgskreis fabulierte er darüber, wie schön doch der Osten im Vergleich zum Westen sei, weil es dort keine beziehungsweise kaum Migrant_innen gäbe.

Clemens mischt fleißig mit bei der rassistischen Mobilisierung der letzten Jahre und bei der Enthemmung und Aktivierung der sogenannten „Mitte“. Der AfD attestierte er 2015 noch die gleichen Spaltungstendenzen wie seinerzeit den REP. Die Anhänger*innen der NPD ließ er in einem Interview mit der DS folgendes wissen: „Bei allen konservativen Parteien regiert, so deute ich es, die Angst. Die Angst vor einem Konflikt mit dem System ist größer als die Angst vor den lebensbedrohlichen Zuständen, in denen sich unser Land bewegt.“

Clemens gibt aber nicht nur quer durch alle extrem rechten Spektren politisch Gas, durch seine anwaltliche Tätigkeit bietet er auch Schutz und damit das nötige Selbstvertrauen für neonazistische und andere extrem rechte Akteur*innen. Vorbeugend, vor Ort und wenn mal etwas schief läuft vor Gericht. Dass er seine anwaltliche Tätigkeit als Teil seiner politischen Arbeit versteht, daran lässt er keinen Zweifel. Ein großer Teil seiner anwaltlichen Tätigkeit stehe — so ist es im erwähnten Deutsche Stimme-Interview nachzulesen — „im Dienste des nationalen Widerstandes“.

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