„Unsere Betroffenheit ist unsere Stärke“

Interview mit Maya, Mitra und Maral von der Migrantifa NRW

Maya, Mitra und Maral gehören zur Migrantifa NRW. Wie andere Gruppen in ganz Deutschland gründete sich die Gruppe kurz nach dem rechten Terroranschlag in Hanau als antifaschistische migrantische Selbstorganisation. Wir wollten von ihnen wissen, warum ihrer Meinung nach die Polizei besonders Schwarze Menschen angreift und ob sie denken, dass sich das Polizeiproblem lösen lässt.

Maya, Mitra und Maral gehören zur Migrantifa NRW. Wie andere Gruppen in ganz Deutschland gründete sich die Gruppe kurz nach dem rechten Terroranschlag in Hanau als antifaschistische migrantische Selbstorganisation. Wir wollten von ihnen wissen, warum ihrer Meinung nach die Polizei besonders Schwarze Menschen angreift und ob sie denken, dass sich das Polizeiproblem lösen lässt.Warum hat die Polizei und besonders Polizeigewalt Schwarze Menschen so sehr im Fokus? Führt ihr das nur auf Rassismus zurück? Oder seht ihr zum Beispiel Überschneidungen zu Armut?

Maya: Da greifen viele verschiedene Aspekte ineinander. Es geht nicht nur um Rassismus und den generellen autoritären Charakter der Polizei, sondern auf jeden Fall auch um Sozialchauvinismus. Klar, wenn man Schwarz und arm ist, keinen Job und keine Wohnung findet, dann muss man eben Drogen ticken. Und dann ist man erst recht im Fokus der Polizei.

Mitra: Wenn man über die Polizei und rassistische Polizeigewalt spricht, wird oft ausgelassen, dass das ein institutionelles Problem ist. Menschen, die vom Staat ungeschützt sind, sind Polizeigewalt viel eher ausgesetzt. Menschen ohne Wohnung, Menschen mit Fluchtgeschichte, nicht-weiße und arme Menschen. Wenn wir antifaschistisch sind, dann sind wir auch feministisch, gegen Institutionen wie die Polizei und so weiter. Diese Kämpfe müssen zusammen gedacht werden, um die Wurzel zu bekämpfen.

Viele Menschen hier haben sich durch die aktuellen „Black Lives Matter“-Demos in Deutschland zum ersten Mal mit Rassismus und rassistischer Polizeigewalt auseinandergesetzt. Was haltet ihr davon?

Mitra: Ich habe dazu sehr gemischte Gefühle. Einerseits ist es toll, dass sich die Leute endlich mal damit befassen. Aber hier wird seit Jahrzehnten daran gearbeitet, der Gesellschaft dieses Problem klarzumachen, und ihnen wurde nie zugehört. Viele von uns erleben beinahe täglich rassistische Übergriffe, aber das kommt im Alltag nicht an.

Eine zentrale Forderung der BLM-Proteste in den USA ist „Defund the Police“, also dass der Polizei Gelder entzogen werden. Würdet ihr die Forderung auf die deutsche Polizei übertragen?

Mitra: Man muss das im Kontext betrachten, man kann die Forderung nicht eins zu eins aus den USA auf die deutsche Polizei übertragen. Ich persönlich sehe die Abschaffung der Polizei als etwas sehr Erstrebenswertes. Sie ist der verlängerte Arm des Staates und hat die Funktion, unter anderem Schwarze Menschen zu kriminalisieren und unten zu halten.

Maral: Ich glaube, wir sind in der Debatte noch sehr weit weg davon, überhaupt eine ausreichend große Öffentlichkeit für Themen wie illegitime Polizeigewalt zu diskutieren. Die Polizei hat hier immer noch den Status als Freund und Helfer, Polizeikritik wird oft als Spinnerei abgetan. Da ist noch viel Arbeit zu leisten.

Maya: Es gibt immer wieder Veröffentlichungen dazu, wie groß die Neonazi-Strukturen bei der Polizei sind. Da muss man sich nicht wundern, wie die Polizei mit People of Colour, armen oder obdachlosen Menschen umgeht.

Wie kommt es, dass euch eure Betroffenheit nicht lähmt, sondern ihr gerade deswegen eure Gruppe gegründet habt?

Mitra: Deutschland ist für unsere migrantischen Eltern ein Ort, an dem sie sicher sein können vor ihren Kriegen. Aber das ist für uns nicht so. Das ist der Ort, an dem wir Freunde haben, wohnen und arbeiten und unsere Kinder großziehen. Wir haben ein Recht darauf, hier in Sicherheit zu leben. Diese Chance wollen wir wahrnehmen, auch wenn die Migrantifa-Bewegung jetzt aus einem schrecklichen Ereignis heraus entstanden ist. Unsere Betroffenheit ist unsere Stärke.

Vielen Dank für das Interview.

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