Das Gericht als Bühne

Der Prozess gegen Franco Albrecht in Frankfurt

Seit dem 20. Mai läuft vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurtam Main der Prozess gegen den rechten Bundeswehrsoldaten Franco Albrecht. Er soll als Geflüchteter getarnt die Ermordung von ­Poli­tiker\*innen und Aktivist\*innen geplant haben. Den Prozess versucht er als Bühne zu nutzen, seine Erklärungen scheinen jedoch nicht einmal das Gericht zu überzeugen.

Seit dem 20. Mai läuft vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurtam Main der Prozess gegen den rechten Bundeswehrsoldaten Franco Albrecht. Er soll als Geflüchteter getarnt die Ermordung von ­Poli­tiker*innen und Aktivist*innen geplant haben. Den Prozess versucht er als Bühne zu nutzen, seine Erklärungen scheinen jedoch nicht einmal das Gericht zu überzeugen.

Der Fall Franco Albrecht (vgl. LOTTA #79) machte bundesweit und international Schlagzeilen, als Albrecht vor über vier Jahren festgenommen wurde. Die Generalbundesanwaltschaft (GBA) klagte Albrecht, der bereits Ende 2017 aus der Untersuchungshaft entlassen wurde, in mehreren Punkten an: Albrecht habe mindestens zwei Pistolen und ein Sturmgewehr G3 illegal besessen. Dazu noch über 50 Granaten und Sprengkörper und über 1.000 Schuss Munition, teils für Übungszwecke, teils scharf. Diese habe er zum Teil aus Bundeswehrbeständen gestohlen. Ende 2015 habe er sich unter falschen Angaben als Geflüchteter aus Syrien in Deutschland registrieren lassen und damit bis zu seiner Festnahme den Staat um knapp 10.000 Euro betrogen. Außerdem soll er die Ermordungen mehrerer Politiker*innen und Aktivist*innen geplant haben, darunter Heiko Maas, Claudia Roth und die Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, Anetta Kahane. Auch habe er weitere Anschläge in Erwägung gezogen, etwa die Sprengung eines Gedenksteins für die Familie Rothschild, die Befreiung der Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck aus dem Gefängnis oder das Werfen einer Granate in eine Gruppe Antifaschist*innen. Insgesamt habe er diese Taten begangen oder geplant, um aus einer völkischen und rechtsnationalen Gesinnung heraus eine „schwere staatsgefährdende Gewalttat“ nach §89a StGB zu begehen, so die GBA. Dieser Paragraf beschreibt die Vorbereitung eines terroristischen Anschlags, der noch nicht erfolgt ist, aber kurz vor der Ausführung steht.

Keine überzeugenden Begründungen

Bereits zu Beginn der ersten Sitzung machte Albrecht deutlich, dass er mit seiner ideologischen Haltung nicht weit hinter dem Berg hält. So ließ er seine Anwälte Moritz Schmitt-Frick und Johannes Hock ein „Opening-Statement“ verlesen, das mehrheitlich aus gängigen rechten Narrativen bestand. Von einem Zuzug von Geflüchteten 2015 als Rechtsbruch war da die Rede und von einer Regierung, die Politik gegen die Bevölkerung betreibe. In einer späteren Einlassung gab er zu, Waffen gehortet zu haben, um sich auf einen drohenden dritten Weltkrieg oder Bürgerkrieg, verursacht durch Migration nach Deutschland, vorbereitet zu haben. Zwar sei er von der Gefahr solcher Bürgerkriege nicht mehr ganz so überzeugt wie damals, so Albrecht, er könne diese aber auch heute nicht ausdrücklich ausschließen. Gleichzeitig behauptet er, kein Rassist oder Antisemit zu sein, und führt als vermeintlichen Beleg dafür an, dass er sich zum Beispiel zu Schulzeiten mit migrantischen Mitschüler*innen gut verstanden habe. Albrecht versucht in seinen politischen Einlassungen damit einen Spagat. Er leugnet den Vorwurf der Terrorvorbereitungen und versucht, seine extrem rechte Gesinnung zu bagatellisieren, zugleich aber bringt er immer wieder Versatzstücke seiner rechten Ideologie in den Prozess ein und versucht, diesen als Bühne zu nutzen.

Nach und nach gestand Albrecht über mehrere Sitzungen — nach „Salamitaktik“-Art —, sich als Geflüchteter ausgegeben zu haben, sowie den Besitz der Waffen, Sprengkörper und Munition, sogar den Besitz einer der Pistolen und des Sturmgewehrs, die bis heute nicht gefunden wurden. Woher er Waffen und Munition hatte und wo die verschwundenen Waffen heute sind, wollte er nicht preisgeben.

Dieses Schweigen an relevanten Stellen verärgert das Gericht unter dem Vorsitz von Richter Christoph Koller. Ebenso sorgen Albrechts ständige Versuche, das Verfahren als Bühne für seine politische Weltsicht zu nutzen, bei dem Gericht sichtlich für Ungemach. Dass Albrecht überhaupt entschieden hat, sich zu den Anklagepunkten zu äußern, bringt ihn immer wieder in Erklärungsnot. Als sein Eindringen in die Tiefgarage der Amadeu Antonio Stiftung oder bei ihm gefundene Notizen zu möglichen Anschlagszielen und dem Transportweg einer Schrotflinte in die Beweisaufnahme eingebracht wurden, lieferte er keine überzeugenden Begründungen hierfür, sondern flüchtete sich in Ausführungen wie beispielsweise jener, dass es sich bei den Notizen um Filmideen gehandelt habe, die er notiert habe.

Das (Nicht-)Handeln der Behörden

Obwohl der Fall Franco Albrecht Aufsehen erregte und den Staat 2017 bis in die oberste Etage der Politik in Erklärungsnot zu neonazistischen Umtrieben in der Bundeswehr brachte, handeln die zuständigen Behörden bis heute teilweise eher nachlässig: Das Bundeskriminalamt (BKA), das mit den Ermittlungen beauftragt war, führte zwar sehr umfangreiche Befragungen über Albrechts Einstellungen durch, nicht nur in dessen aktuellem Umfeld, sondern auch bei dutzenden anderen Personen, teils aus seiner frühen Schulzeit. Wichtige Indizien für die Anklage, zum Beispiel, dass er laut GBA die französische Pistole vom Wiener Flughafen nicht zufällig im Gebüsch gefunden, sondern bereits ein Jahr zuvor in Paris gekauft und dass er sich Zugang zur Tiefgarage im Bürohaus der Amadeu Antonio Stiftung verschafft hatte, ermittelte das BKA aber erst, nachdem gerichtlicherseits Nachermittlungen gefordert worden waren, weil die erste Anklage zu lückenhaft erschien.

Dass das Gericht den Prozess nicht so schnell wie möglich abzuwickeln versucht und dass die Fragen des Vorsitzenden Richters Albrecht immer wieder in Bedrängnis bringen, war vor Beginn nicht abzusehen. Der 5. Strafsenat des OLG Frankfurt, der den laufenden Prozess verhandelt und der zuvor über den Mord an Walter Lübcke und den versuchten Mord an Ahmed I. urteilte, musste erst von der nächsthöheren Instanz gezwungen werden, die Anklage überhaupt zuzulassen: Im Sommer 2018 hatte das OLG die Anklage der GBA abgewiesen, weil es keinen hinreichenden Verdacht sah, dass Albrecht einen Terroranschlag nach §89a vorbereitet habe, und wollte das Verfahren wegen eines Betrugdeliktes sowie wegen Waffendiebstahls und -besitzes an das Landgericht Darmstadt übergeben. Der Bundesgerichtshof kassierte diese Entscheidung, nachdem die GBA dort Beschwerde eingelegt hatte.

Doch während die GBA 2018 noch großes Interesse zeigte, Albrecht wegen Terrorvorbereitungen anklagen zu können, wirken die Generalbundes­anwält*innen Karin Weingast und Hendrik Buskohl im aktuellen Verfahren eher desinteressiert. Von ihrer Möglichkeit, Fragen an den Angeklagten und Zeug*innen zu stellen, machen sie bisher nur selten Gebrauch und wirken insgesamt eher unvorbereitet. An Maximilian Tischer, der zeitweise als Komplize von Albrecht verdächtigt worden war, hatten sie nur eine einzige Frage, die dieser mit einem knappen „Ich kann mich nicht erinnern“ abtat. In einer Befragungssituation durch den Vorsitzenden Richter, in der Albrecht offenkundig mehr und mehr Gefahr lief, mehr zu sagen als gut für ihn gewesen wäre, forderte die GBA, dass Albrecht das Verlesen seiner keine Erkenntnisse liefernden Erklärung fortsetzen solle.

Leerstelle Netzwerk?

Vor Gericht steht Franco Albrecht alleine, doch es gibt eine Reihe Fragen zu Unterstützer*innen und einem möglichen Netzwerk um ihn herum, die aber im Prozess kaum oder gar keine Rolle spielen. In seinem Umfeld finden sich andere Soldaten, AfD-Politiker und Freunde mit extrem rechten Einstellungen, die teil- und zeitweise auch als Mitverdächtige geführt wurden. Zu nennen wäre beispielsweise Albrechts Jugendfreund Mathias Fl., der für ihn Munition und Nazi-Literatur versteckte, laut Chats von Albrechts Tarnidentität wusste und in denselben Chats äußerte, man müsste eine Atombombe auf Migrant*innen werfen.

Zu erwähnen ist auch Oberleutnant Maximilian Tischer, Mitglied des Landesvorstands der Jungen Alternative in Sachsen-Anhalt und beruflich für den AfD-Bundestagsabgeordneten Jan Nolte tätig. Bei ihm wurde eine Liste mit Namen gefunden, die als mögliche Feindesliste im Prozess diskutiert wird. Außerdem soll er Albrechts Abwesenheit, bedingt durch dessen Doppelidentität als Geflüchteter, mindestens einmal bei der Bundeswehr entschuldigt haben. Tischer reiste auch mit Albrecht nach Wien. Dort nahmen sie zusammen mit dem aus Frankfurt stammenden ehemaligen Soldaten und Wiener Student Maurice R. am „Ball der Offiziere“ teil. In einer WhatsApp-Gruppe mit den beiden, in der zuvor nur Bilder vom Ball geteilt worden waren, stellte Albrecht ein Foto der Toilette ein, in der er die Pistole am Wiener Flughafen versteckt hatte, sowie ein Video, wie diese Toilette zu finden sei. Nachfragen hierzu blieben in der Gruppe aus, Maurice R. reagierte sogar mit einem Smiley auf das Bild. Damit stellt sich natürlich die Frage, ob R. und Tischer wussten, wieso Albrecht das Bild und das Video gepostet hatte.

Weitere Leerstellen sind die genauen Verbindungen zum Soldaten und AfD-Kandidaten in Limburg-Weilburg Josef-Georg Reif, mit dem Albrecht sich in Chats über Munition für seine illegalen Waffen austauschte, und Albrechts Kontakte zum Verein Uniter und dem damit oft in Verbindung gebrachten Prepper-Netzwerk des ehemaligen KSK-Soldaten Andre S. alias Hannibal. Albrecht war Mitglied der Chatgruppe „Süd“, warb den Waffenhändler Rainer H. für die Gruppe an, soll Uniter-Patches besessen und an mindestens zwei Treffen der Chatgruppe teilgenommen haben. Eines war ein Schießtraining, eines ein Treffen in Andre S.‘ Privatwohnung.

Unsicherer Ausgang

Eigentlich schien der Ausgang der Verhandlung schon vor dem Prozessbeginn mehr oder weniger festzustehen: Die inzwischen gestandenen Tatvorwürfe wie beispielsweise der illegale Besitz von Waffen und Munition waren Albrecht leicht nachzuweisen. Anders steht es um den Vorwurf der Vorbereitung einer „schweren staatsgefährdenden Gewalttat“: Einer Verurteilung auf Grundlage des §89a sind enge juristische Grenzen gesetzt, die Anklage der GBA steht auf wackeligen Füßen. Der verhandelnde Senat machte bereits 2018 deutlich, dass er keine Grundlage sehe, überhaupt eine Verhandlung hierzu zuzulassen. Ein fester Entschluss Albrechts, die Morde wirklich durchzuführen, ließe sich nur schwer nachweisen. Angesichts der milden Urteile im Prozess gegen seinen Freund Mathias Fl. und im „Nordkreuz“-Prozess gegen Marco G. sowie in Anbetracht Albrechts siebenmonatiger Untersuchungshaft würde er vermutlich mit einer Geld- und Bewährungsstrafe davonkommen. Der Prozess entwickelte sich jedoch anders: Durch seine Einlassungen und sein enormes Geltungsbedürfnis, das Gericht als Bühne zu nutzen, lässt sich eine Verurteilung Albrechts für die Vorbereitung eines Terroranschlags nicht mehr ausschließen. Auf viele Fragen des Gerichts zu seinen Aktivitäten, Aussagen und Notizen hatte Albrecht keine einleuchtenden Erklärungen vorzuweisen. Auch dass er Herkunft und jetzigen Verwahrungsort von zwei Schusswaffen nicht preisgeben will, ist nicht zu seinem Vorteil. Ob dies jedoch angesichts der erfahrungsgemäß niedrigen Strafen für rechte Prepper, der wackeligen Anklage und dem scheinbaren Desinteresse der GBA für eine Verurteilung nach §89a ausreichen wird, bleibt ungewiss. Es wird aber spannender als gedacht, wenn voraussichtlich gegen Ende des Jahres das Urteil gesprochen wird.

Ausführliche Berichte zu allen Verhandlungstagen finden sich auf hessen.nsu-watch.info

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