Schmiemann in "Kampftruppe Achtzehn" Shirt am 25.05.2019 in Dortmund.
Thomas Witzgall/Flickr

Aushängeschild für C18

Robin Schmiemann: Vom Handlanger zur Symbolfigur

„Das ist eine Klarstellung von Combat 18“ mit diesen Worten meldet sich am Morgen des 26. Juni 2019 in einer Videobotschaft ein Sprecher des rechtsterroristischen Netzwerks Combat 18 (C18) zu Wort. Bei dem Sprecher handelt es sich um den Dortmunder Nazi Robin Schmiemann, berichtet das antifaschistische [Recherchenetzwerk EXIF](https://exif-recherche.org/?p=6323).

„Das ist eine Klarstellung von Combat 18“ mit diesen Worten meldet sich am Morgen des 26. Juni 2019 in einer Videobotschaft ein Sprecher des rechtsterroristischen Netzwerks Combat 18 (C18) zu Wort. Bei dem Sprecher handelt es sich um den Dortmunder Nazi Robin Schmiemann, berichtet das antifaschistische Recherchenetzwerk EXIF. In dem Video wird ein Statement verlesen, das sich auf die Ermordung des hessischen Regierungspräsidenten Walter Lübcke durch den inzwischen geständigen Kasseler Neonazi Stefan Ernst bezieht. Medien, die über Ernsts vermeintliche Anwesenheit bei einem C18-Treffen vergangenes Jahr berichtet hatten, sollten dies zurücknehmen, so der vermummte C18-Sprecher. Außerdem wird ein NDR-Journalist namentlich bedroht, den die Neonazis für die Veröffentlichungen von EXIF verantwortlichen machen. Ihm hatte wenige Tage zuvor bereits Thorsten Heise in seiner Eröffnungsrede zum Nazi-Festival "Schild und Schwert" gedroht. Der NPD-Funktionär drohte dem Journalisten mit den Worten, "der Revolver ist schon geladen."

Robin David Schmiemann präsentierte sich in der Vergangenheit öffentlich immer wieder als Teil des internationalen "Combat 18"-Netzwerks. Bei zahlreichen Aufmärschen und extrem rechten Veranstaltungen in den vergangenen zwei Jahren trat er mit dem Emblem der Gruppe auf. Seine Gesinnung stellt Schmiemann auch mit diversen Tattoos zur Schau - darunter auf seinem Kehlkopf das Truppenabzeichen der SS-Sondereinheit Dirlewanger, dass heute der "Arischen Bruderschaft" von Thorsten Heise als Logo dient. Bereits 2004 war auf seiner Wade der Spruch "Brüder schweigen - whatever it takes - C18" eintätowiert, Bekenntnis zu "Combat 18" und ein Verweis auf die US-amerikanische Rechtsterror-Gruppe "The Order - Brüder schweigen". 

Dortmund Brechten

Seit Anfang der 2000er Jahre ist Schmiemann in der extrem rechten Szene aktiv. Sein Bruder Simon Schmiemann war Teil der "Skinfront Dortmund-Dorstfeld". Der 1984 geborene Robin Schmiemann wuchs im Dortmunder Stadtteil Brechten auf. Dort fand er Anschluss an eine Neonazi-Szene, die rechten Terror propagierte und Gewalttäter feierte.

Anfang der 2000er Jahre verbreitete die Szene Aufkleber, auf denen sie den Stadtteil Brechten als "befreite Zone" darstellte und aus "Willkommen in Brechten" den Spruch "Willkommen bei den Rechten" machte.  "Berger war ein Freund von uns. 3:1 für Deutschland", höhnten die Dortmunder Neonazis im Jahre 2000, nachdem ihr Kamerad Michael Berger in Dortmund und Waltrop drei Polizeibeamt*innen erschossen hatte (vgl. LOTTA #63).

Engen Kontakt hat Schmiemann zur Dortmunder Rechtsrock-Band "Oidoxie" und deren ebenfalls in Brechten lebenden Sänger Marko Gottschalk. Im Umfeld der Band bildete sich die "Oidoxie Streetfighting Crew", eine Kameradschaft, welche die Band bei Konzerten begleitete und dabei Aufgaben wie den Saal- und Bühnenschutz übernahm. Schmiemann war Mitglied dieser Gruppe, die Mitte der 2000er Jahre vom Kasseler Neonazi Stanley Röske angeführt wurde.

"Oidoxie" versteht sich als C18-Band. In den 2000er Jahren bildeten Dortmunder Neonazis aus den Reihen der "Oidoxie Streetfigting Crew" eine kleine abgeschottete Zelle, die sich am rechtsterroristischen Konzept des „leaderless resistance“ orientierte.  Auch Robin Schmiemann soll nach Aussagen eines V-Mannes Teil der Zelle gewesen sein. Mit diesem V-Mann, Sebastian Seemann aus Lünen, war Schmiemann eng befreundet. Gemeinsam waren sie und zwei weitere Dortmunder Neonazis im Drogenhandel tätig.

Waffen, Drogen, Gewalt

Im August 2007 wurde Schmiemann wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung vom Landgericht Dortmund zu acht Jahren Haft verurteilt. Im Februar desselben Jahres hatte Schmiemann einen Supermarkt in Brechten überfallen und mehrmals auf einen 59-jährigen tunesischen Kunden geschossen und diesen lebensgefährlich verletzt. Im Prozess schwieg Schmiemann zunächst. Nachdem jedoch sein Anwalt in den Ermittlungsakten Protokolle von Telefonüberwachungen fand, aus denen hervorging, dass Sebastian Seemann als V-Mann für den NRW-Verfassungsschutz tätig war, ließ sich Schmiemann im Prozess umfassend ein. Er beschuldigte Seemann, ihn zu der Tat angestiftet zu haben, da er nach einem fehlgeschlagenen Kokain-Deal seinem Kameraden 17.000 Euro schuldete. Seemann soll ihm eine Waffe in die Hand gedrückt und zum Supermarkt gefahren haben. In einem weiteren Prozess wurde der V-Mann allerdings vom Vorwurf der Anstiftung zu dem Überfall freigesprochen.

Sebastian Seemann war ebenfalls Teil der "Oidoxie Streetfighting Crew" und der C18-Zelle. Er pflegte enge Kontakte zu C18-Strukturen in Belgien, bei deren Mitgliedern er zeitweise lebte. Diese C18-Gruppe wurde im September 2006 wegen Terrorismusverdachts zerschlagen. Seemann verfügte über zahlreiche Schusswaffen, die er in der Dormunder Neonazi-Szene verteilte.

Zum Zeitpunkt von Schmiemanns Verurteilung war das politische Klima in Dortmund angespannt. Die rechte Szene lebte bei diversen schweren Angriffen ihr Gewaltpotenzial aus und konnte sich einer das Problem verharmlosenden Stadtgesellschaft sicher sein. In dieser Lage ereignete sich bereits 2005 ein rechtes Tötungsdelikt: Sven Kahlin, ein jugendlicher Skinhead, erstach den Punk Thomas "Schmuddel" Schulz, nachdem der ihn auf seine rechte Kleidung angesprochen hatte. Ein Jahr später mordeten Neonazis in Dortmund erneut, doch der Fall bekam erst nach der Selbstenttarnung des NSU 2011 größere Aufmerksamkeit: Am 4. April 2006 erschoss der NSU Mehmet Kubaşık in seinem Kiosk in der Dortmunder Nordstadt. Beide Taten geschahen in einer Zeit, in der in Dortmund eine rechtsterroristische Gruppe mit guter Vernetzung in andere Regionen existierte als auch Schusswaffen in der Szene vorhanden waren.

Vom C18-Strippenzieher zu Zschäpes Brieffreund

Der für seinen Überfall inhaftierte Schmiemann nahm 2013 Kontakt zum nun ebenfalls inhaftierten NSU-Mitglied Beate Zschäpe auf. Der in der JVA Bielefeld einsitzende schickte Zschäpe lange Briefe, diese antwortete in mehreren Briefe, einer war 26 Seiten lang. In den Briefen gab Zschäpe Einblicke in ihr Seelenleben. Die sich im Briefverkehr ausdrückende Vertaulichkeit überrascht, aber es deutet bislang nicht darauf hin, dass sich die beiden schon vor Beginn ihrer Briefe persönlich kannten. NSU-Watch interpretiert die Brieffreundschaft folgendermaßen: „Auch ohne es voneinander gewusst haben zu müssen waren die beiden über Jahre miteinander verbunden gewesen: durch die Idee des ‚Leaderless Resistance‘ und durch die Netzwerke von Blood & Honour und Combat 18.“

2013, während Schmiemann mit Zschäpe schrieb, war er im offenen Vollzug. Den nutzte er, um an rechten Veranstaltungen in Dortmund teilzunehmen, beispielsweise im April 2013 an einer Kundgebung von "Die Rechte Dortmund" gegen das Verbot ihrer Demonstration zum 1. Mai. So nutzte Schmiemann die Gelegenheit, seiner Szene und der Öffentlichkeit zu zeigen, dass er dem Neonazismus nicht abgeschworen hatte. Gleichzeitig präsentierte sich so die lokale Nazistruktur von "Die Rechte" als Szene, die alles zu bieten hat, was das nationalsozialistische Herz begehrt; von der Parteipolitik bis hin zu terroristischen Bestrebungen beherbergt sie alle Auswüchse einer neonazistischen Bewegung und scheut sich nicht, dies auch öffentlich zu zeigen.

Nach seiner Entlassung Anfang 2016 trat Schmiemann sodann auch direkt wieder öffentlich auf, erstmals im Februar 2016 als Fahnenträger bei einer Demonstration wegen einer Hausdurchsuchung bei einem Dortmunder Kameraden. Das nächste Mal auf der Straße war Schmiemann dann zwei Monate später beim großen "Tag der Deutschen Zukunft" in Dortmund. Unter den über 1.000 teilnehmenden Neonazis befand sich auch eine Delegation von "Combat 18", darunter William "The Beast" Browning, ein Gründer des britischen C18.

Nach der Haft

Mittlerweile nimmt Schmiemann an nahezu jeder Versammlung der Dortmunder Neonazi-Sszene teil, manchmal auch mit anderen C18-Mitgliedern, und wird von seinen Kameraden auch immer wieder mit öffentlichkeitswirksamen Aufgaben betraut. So war er vergangenen Oktober vor den Kameras der anwesenden Presse Ordner beim "Kampf der Nibelungen" im sächsischen Ostritz, lief beim Aufmarsch von "Die Rechte" in Duisburg am diesjährigen 1. Mai in der vordersten Reihe. Zuletzt durfte er bei der Demonstration zum Wahlkampfabschluss der Partei in Dortmund-Hörde eine riesige EU-Fahne auf dem Boden ausrollen, über welche die Demonstration anschließend symbolträchtig hinweg marschierte. Im September 2018 störte Schmiemann gemeinsam mit anderen Neonazis eine Veranstaltung der Grünen in Lünen.

Hatte die NRW-Landesregierung und ihr Verfassungsschutz jahrelange behauptet, es würden keine Strukturen von "Combat 18" existieren, teilte sie Anfang des Jahres auf Anfrage der Fraktion Bündnis90/Die Grünen mit, man gehe mittlerweile von einer einstelligen Zahl konspirativ agierender Personen aus, die zu "Combat 18" zählten. Obwohl er nicht namentlich genannt wird, geht aus der Antwort hervor, dass es sich bei der als einen der "Hauptakteure" von C18 in NRW bezeichneten Person um Robin Schmiemann handelt. (Antwort der Landesregierung NRW auf die kleine Anfrage zu C18).

Auch im Alltag

Robin Schmiemann lebt zusammen mit der Castroperin Katja Braun, die ebenfalls in der Neonaziszene aktiv ist. Mittlerweile haben die Beiden eine kleine Tochter, die Schmiemann schon seit dem Säuglingsalter für seine neonazistischen Aktivitäten instrumentalisiert. So postet er über Social Media Fotos seiner Tochter, die ein Oberteil mit der Aufschrift "C18 - Blood & Honour Schweden" trägt. Auch Schmiemann selbst präsentiert sich in der Öffentlichkeit immer wieder in Kleidung von "Blood & Honour/C18 Schweden".

Seit den 1990er Jahren bestehen enge Verbindungen zwischen den deutschen und den schwedischen Strukturen von "Blood & Honour" und C18. Zwischen 2012 und 2016 lebte Marko Gottschalk in Schweden und auch Robin Schmiemann pflegt Kontakte nach Skandinavien. So beteiligte er sich im August 2016 an einer internen Veranstaltung im schwedischen Sölvesborg oder besuchte nach dem "Tag der deutschen Zukunft" in Dortmund 2016 C18-Mitglieder in Schweden. (vgl. EXIF-Recherche, "Combat 18" Reunion)

Seine Gesinnung muss Schmiemann auch beim Lohnerwerb nicht verbergen. Seit Anfang des Jahres arbeitet er für die Ruhrpott Bau GmbH. Das Essener Unternehmen bietet unter anderem Dachdeckerei, Badsanierungen und Trockenbau und beschäftigt neben Schmiemann weitere Kader der Dortmunder Neonazi-Szene. Unter ihnen sind Nico B., der vergangenes Jahr beim Kampfsport-Event "Kampf der Nibelungen" angetreten war, und der Rostocker Guido H., ebenfalls rechter Kampfsportler mit engen Kontakten zum Rockermilieu. Ebenso dort angestellt war Steven Feldmann, ein mehrfach verurteilter und aktuell wegen diverser Gewalttaten und antisemtischer Ausfälle inhaftierter Neonazi aus dem Umfeld der Dortmunder Hooligan-Gruppierung "Borussenfront". Ein weiterer Beleg für Schmiemanns enge Einbindung in die Strukturen der lokalen Naziszene.

Symbolfigur mit Prestige

Robin Schmiemann ist seit seiner Haftentlassung zum Aushängeschild des Terrornetzwerks "Combat 18" geworden, in das er schon seit über zehn Jahren eingebunden ist. In der Szene genießt er wegen seiner Knasterfahrung als Überzeugungs- und Gewalttäter ein hohes Ansehen. Mit diesem innerszenischen Prestige schmückt er sich gerne, indem er aus seiner Verbundenheit zu "Blood & Honour" und "Combat 18" keinen Hehl macht. Schmiemann tritt somit als Symbolfigur für eine neonazistische Praxis auf, die menschenverachtende NS-Ideologie bis zur letzten Konsequenz, dem Terror gegen politische Feinde, in die Tat umzusetzen gedenkt.

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