Nicht lustig, bloß Propaganda
Das rechte Online-Angebot „FritzFeed“
Mit der neuen Online-Seite „FritzFeed“ soll die rechte Medienlandschaft um ein vermeintlich lustiges Angebot für eine junge Zielgruppe erweitert werden. Wer den Herausgeber und die Autor*innen recherchiert, stößt schnell auf Verbindungen zur AfD-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag – und zur „Identitären Bewegung“.
Der Autor der reichweitenstarken, rassistischen Internetseite „PI News“ ist begeistert. Wenige Tage, nachdem „FritzFeed“ am 5. April 2020 online gegangen ist, schreibt er: „Die neue Medienseite kommt schrill, peppig und gar nicht altbacken daher und hat ein junges Zielpublikum im Blick.“ Niedrigschwellig würden „politische Botschaften an noch nicht politisierte Empfänger gesendet“.
Wer nach einem Vorbild für „FritzFeed“ sucht, stößt unweigerlich auf die großen Ähnlichkeiten mit dem Portal „Buzzfeed“, das mit boulevardesken Schlagzeilen um die Aufmerksamkeit der Online-Lesenden buhlt. Dieses Prinzip hat „FritzFeed“ übernommen, im Gegensatz zu „Buzzfeed“ dominieren aber stramm rechte Inhalte. Die meisten Beiträge sind ähnlich strukturiert und zumeist so aufgemacht, dass sie vermeintlich „aufklären“ sollen: „15 Beweise für Umweltzerstörung im Sozialismus“, „5 Dinge, die andere Parteien der AfD vorwerfen, obwohl sie sie selber ständig machen“, „11 Dinge, die du für Deutschland im Internet tun kannst“ usw. Offenbar schöpfen die Autor*innen aus einem größeren Fundus solcher Texte, die sie seit dem Erscheinen von „FritzFeed“ am 5. April abspulen.
Inhaltlich fällt auf, dass viele Beiträge vulgär und sexistisch sind. Einige Posts zeigen einen relativ plumpen antimuslimischen Rassismus. Ein Hauptthema ist die Beschäftigung mit vermeintlich „linken Positionen“ und der Versuch, diese wahlweise als realitätsfern, falsch oder menschenverachtend zu „entlarven“. Journalistische Recherchen, wie sie sich unter den Veröffentlichungen von „Buzzfeed“ auch finden, finden sich bei „FritzFeed“ nicht. Die Seite ist nicht mehr als ein Propagandamittel der äußersten Rechten.
Der Herausgeber
Als Herausgeber von „FritzFeed“ fungiert Christian Schäler aus Bergisch-Gladbach. Im Impressum wird ein von Schäler geführtes Einzelunternehmen, die „FritzFeed e.k.“, angegeben, das bereits seit 2018 im Handelsregister unter der Branchenbezeichnung „Korrespondenz- und Nachrichtenbüro“ eingetragen ist. Die im Handelsregister hinterlegte Adresse dieses Unternehmens ist dieselbe wie diejenige der Anwaltskanzlei von Roger Beckamp, der seit 2017 für die AfD im NRW-Landtag sitzt.
Es führt noch eine weitere Spur zu dem Kölner AfD-Politiker: Bei der im Impressum von „FritzFeed“ aufgeführten Adresse handelt es sich um die Meldeadresse von Beckamp, die er auch bei seiner Kandidatur zur Kommunalwahl 2014 angeben hat. Beckamp teilte gegenüber „bento“ und „netzpolitik.org“ mit, dass er die Macher von „FritzFeed“ lediglich juristisch berate und schon häufiger seinen „Mandanten“ diese Kanzlei-Adresse zur Verfügung gestellt habe.
Doch die Verbindungen des „FritzFeed“-Herausgebers Christian Schäler zum AfD-Abgeordneten Beckamp und zur AfD-Landtagsfraktion gehen tiefer: Schäler begleitete Beckamp nicht nur lange Zeit als Kameramann und filmte dessen YouTube-Clips, sondern arbeitet auch als Mitarbeiter für die AfD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag. Darüber hinaus nahm Schäler an einer klandestin vorbereiteten Aktion der „Identitären Bewegung“ (IB) am 7. Januar 2018 in Köln teil und gehörte offensichtlich zum Medienteam der IB. Damit wird deutlich, dass er nicht nur mit der IB sympathisiert, sondern intern vorbereite Aktionen der Gruppe begleitete.
Eigentlich gilt ein Unvereinbarkeitsbeschluss der AfD zur „Identitären Bewegung“. Wer Mitglied der „Identitären“ war, darf somit nicht Parteimitglied werden. In der Praxis wird dieser Beschluss durchaus umgegangen, wie sich im Falle des ehemaligen IB-Aktivisten Nils Hartwig zeigt, der nicht nur Mitarbeiter der Landtagsfraktion, sondern auch Funktionär der AfD Unna ist. Für die Tätigkeit als Mitarbeiter von Partei oder Fraktion hat der Unvereinbarkeitsbeschluss aber keinerlei Bedeutung, die Parteiführung geht stillschweigend darüber hinweg.
Die Autor*innen
Nicht nur „FritzFeed“-Herausgeber Christian Schäler hat Verbindungen zu den „Identitären“, sondern auch Tim Beuter, der von „Bento“ und „Netzpolitik.org“ als aktivster „FritzFeed“-Autor identifiziert wurde. Wie Schäler nahm er an der IB-Aktion im Januar 2018 in Köln teil. Seit Jahren arbeitet er am Aufbau der Strukturen der „Identitären“ im Rheinland. Er gibt sich dabei als erzkonservativer Christ und beschreibt sein Tun als eine Fortsetzung der antimuslimischen Kreuzzüge des Mittelalters. Bilder seines Instagram-Accounts zeigen ihn auf einer Demonstration der IB in Berlin am 17. Juni 2017 - untertitelt mit dem Hashtag „#deusvult“. Dies war der Kampfruf (dt. „Gott will es“) der Kreuzritter. Gewalt wurde dabei explizit legitimiert und als gottgewollt verstanden. Dass auch Beuter Gewalt als politisches Mittel akzeptiert, davon zeugt nicht nur die positive Bezugnahme auf die Kreuzzüge, sondern auch ein Werbevideo, dass die „Identitäre Bewegung“ Köln auf ihren Medienkanälen teilte. Dort sieht man, wie Beuter mit anderen „Identitären“ in einer Kölner Sporthalle Kampfsport-Techniken trainiert. Die Teilnehmenden setzen sich dabei als männliche, kämpfende Aktivisten in Szene.
Auch Beuter sucht inzwischen die Nähe zur AfD. Zuletzt tauchte er bei einem AfD Infostand in der Kölner Innenstadt auf und unterhielt sich dort rege mit dem stellvertretenden NRW-Landesvorsitzenden der AfD, Matthias Helferich. Schon zuvor hatte er im November 2019 auf einer „Strategietagung“ der „Jungen Alternative“ in Düsseldorf einen Vortrag gehalten. Thema des Workshops war mediale Öffentlichkeitsarbeit und Außenwirkung. Offensichtlich wollte man sich Tipps von der „Identitären Bewegung“ einholen. Diese setzte nämlich insbesondere auf die Vermarktung ihrer Aktionen in den sozialen Medien. Nach Informationen, die „bento“ und „netzpolitik.org“ im oben genannten Artikel veröffentlichten, ist Beuter mittlerweile als Pressesprecher des NRW-Landesverbandes der AfD tätig.
Zur genauen Zusammensetzung der „Redaktion“ gibt es widersprüchliche Angaben. So äußerte Schäler gegenüber „bento“ und „netzpoltik.org“, dass zwölf Personen Teil der Redaktion seien – bei „PI News“ sprach er dagegen von zehn „Jungs und Mädels“. Unter den bekannten Autor*innen findet sich mit Tino Perlick ein weiterer Mitarbeiter der AfD-Landtagsfraktion. Perlick arbeitete einige Zeit in der Redaktion des rechten Magazins „Compact“, bevor er Mitarbeiter bei den Abgeordneten Christian Blex und Thomas Röckemann wurde. Er führt ebenso Veranstaltungen für den „Verein für Kommunalpolitik e.V.“ durch, der die Mitglieder der AfD im Vorfeld der Kommunalwahlen in NRW im September 2020 schulen will.
Was weiterhin auffällt: Das Layout von „FritzFeed“ weist starke Ähnlichkeiten mit der Website des extrem rechten „Arcadi“-Magazin auf (vgl. LOTTA #72). Gut möglich, dass auch aus dieser Ecke Unterstützung für das neue Onlineprojekt organisiert wurde. Die Wege sind in diesem Fall kurz: Auch der Initiator von „Arcadi“, Yannick Noé, ist als Mitarbeiter für die AfD im nordrhein-westfälischen Landtag angestellt.
Rezeption der Seite
„FritzFeed“ wird bislang vor allem in der rechten social-media-Blase wahrgenommen. Dabei lassen sich weitere Rückschlüsse auf die politische Verortung des Projekts schließen. Insbesondere die AfD-Landtagsabgeordneten Roger Beckamp, Sven W. Tritschler (stellvertretender Fraktionsvorsitzender) und Markus Wagner (Fraktionsvorsitzender) teilten bereits kurz nach Erscheinen mehrere Beiträge von „FritzFeed“ bei Facebook oder Twitter.
Martin Sellner, Chef der „Identitären Bewegung“ bewarb die Seite bei YouTube. „Lukreta“, eine Nachfolgeorganisation der IB-Kampagne „120-Dezibel“, verlinkte Artikel bei Twitter. Der marktradikale Ökonom Max Otte, Vorsitzender der AfD-nahen „Desiderius-Erasmus-Stiftung“ und Mitglied der „WerteUnion“, bewarb „FritzFeed“ über seine mit 29.000 Followern recht weit reichende Twitter-Seite. Otte schrieb dort, dass er „die Macher“ des Projekts kenne. Die Jugendorganisation der AfD in NRW, die „Junge Alternative“, schrieb am 14. April 2020 auf Facebook, es handle sich bei „FritzFeed“ um ein „großartiges“ Portal und eine „professionell gemachte Plattform“, die ein Teil des „vorpolitischen Raumes“ darstelle.
Nicht zuletzt verweist auch der eingangs zitierte Artikel bei „PI News“ auf das rechte Netzwerk, zu dem „FritzFeed“ zu zählen ist: Autor des Artikels ist der Kölner Markus Wiener, der viele Jahre ein führender Funktionär der mittlerweile aufgelösten, extrem rechten „Bürgerbewegung pro Köln“ war. Im Juni 2019 teilte der AfD-Abgeordnete Roger Beckamp mit, dass jener Markus Wiener für ihn nun als Referent tätig ist.
Ausblick
Es zeigt sich, dass „FritzFeed“ ein Projekt ist, in dem sich Mitarbeitende der AfD und (vormalige) Mitglieder der „Identitären Bewegung“ zusammen finden, um mediale Kenntnisse und Ressourcen zu vereinen. Ihr Ziel: der Ausbau der extrem rechten Medienlandschaft und die Verbreitung von Propaganda, die insbesondere ein junges Publikum adressiert und die Themen der AfD bedient. Ob dies gelingen wird, ist allerdings noch ungewiss, denn die Rezeption von „FritzFeed“ in den sozialen Medien ist bislang eher mäßig.