Schwarz-rot-gold mit brauner Kappe
Der „außerordentliche Burschentag” der „Deutschen Burschenschaft”
Ein Schritt zurück, zwei Schritte nach rechts: Der Rechtsaußen-Flügel der Deutschen Burschenschaft (DB) kann den „außerordentlichen Burschentag” Ende November in Stuttgart als Erfolg verbuchen.
Schluss mit dem Streit! Die Deutsche Burschenschaft (DB), schreibt Robin Slupinski, sollte Wichtigeres zu tun haben als sich in internem Zwist aufzureiben. „Sie hat einen Auftrag zu erfüllen”, erklärt er auf dem Internetportal blauenarzisse.de. Dazu müsse jedoch ihr Flügelkampf nun endlich eingestellt werden. Die Beschlüsse, die auf dem „außerordentlichen Burschentag” vom 22. bis zum 24. November 2012 in Stuttgart gefasst wurden, sollten „für jede Burschenschaft vorzeigbar sein”, urteilt Slupinski und mahnt, nicht weiter über Spaltung und Austritte aus dem Dachverband zu räsonieren. Die Deutsche Burschenschaft, verlangt er mit Blick auf die politische Situation in der Bundesrepublik, „muss offensiv Stellung beziehen”.
Der Flügelkampf
Seit der Flügelstreit in der DB auf dem letzten regulären „Burschentag” Anfang Juni in Eisenach völlig unkontrolliert eskalierte (siehe LOTTA #48), ist die Debatte über die Spaltung oder gar Auflösung des Dachverbandes nicht mehr zur Ruhe gekommen. Die konservativen Bünde laufen Amok, weil ihre Rechtsaußen-Bundesbrüder mit immer neuen Exzessen das ohnehin stark lädierte Image der DB endgültig ramponieren. Den Rechtsaußen hingegen geht die stets wiederholte Forderung nach Rücksichtnahme auf konservative Bedürfnisse nicht weniger auf den Geist. Der Geduldsfaden der Konservativen war eigentlich definitiv gerissen, als im Frühjahr 2012 der damalige Chefredakteur der Burschenschaftlichen Blätter, Norbert Weidner (Alte Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn), mit seinen Rechtsauffassungen über den Mord der Nazis an dem Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer („rein juristisch gerechtfertigt”) durch die deutschen Medien gereicht wurde. Als er beim letzten „Burschentag” dennoch im Amt bestätigt wurde, musste das Treffen umgehend abgebrochen werden. Man habe, hieß es auf dem konservativen DB-Flügel, nun endgültig die Nase voll.
Die konservativen Bünde drohten seither ganz offen mit dem Austritt aus der DB – auch weil sich im Verband die Kräfteverhältnisse längst zu ihren Ungunsten geklärt hatten. Ihre innerverbandliche Fraktion, die am 3. März 2012 gegründete Initiative Burschenschaftliche Zukunft (IBZ), hatte es trotz Bündelung aller Kräfte nur auf rund 25 Mitgliedsbünde gebracht. Ihr Gegenpart hingegen, die Burschenschaftliche Gemeinschaft (BG), zählte vor dem „außerordentlichen Burschentag” stolze 45 Mitglieder – beinahe die Hälfte der DB (damals noch 100 Mitgliedsbünde). Dabei gehören der innerverbandlichen „Mitte”, die sich weder in der IBZ noch in der BG organisieren will, immerhin Burschenschaften an, die – wie die Dresdensia-Rugia zu Gießen und die Marburger Rheinfranken – teils prominente NPD-Aktivisten zu ihren „Alten Herren” zählen. Für den konservativen Flügel gibt es in der Tat, wenn es hart auf hart kommt, schon seit Jahren kaum noch etwas zu holen. Drohen kann er allenfalls damit, dass ihm einige besonders mitgliedsstarke Bünde angehören und er daher überproportional finanzielles Gewicht besitzt. Das wiederum stärkt auf dem Rechtsaußen-Flügel Kräfte, die regelmäßig dafür plädieren, es doch noch einmal mit der Einbindung der Konservativen zu versuchen.
Weg mit dem Parteienstaat!
Das war vor dem „außerordentlichen Burschentag” zumindest ansatzweise zu spüren. Noch im Sommer hatte Chefredakteur Weidner einen Beitrag in die Burschenschaftlichen Blätter aufgenommen, der so manchen konservativen Burschenschafter dem Herzinfarkt näher gebracht haben mag. Der Artikel, überschrieben mit „Weg in die Freiheit: Deutschlands Aufbruch 2012”, stammte von Michael Vogt, einem Burschenschafter, der im Jahr 1972 der Münchener Danubia und 1980 der Kölner Germania beigetreten war. Vogt hatte zeitweise sogar das Amt des DB-Sprechers inne. In dem Artikel, den er Weidner für die DB-Zeitschrift zur Verfügung stellte (als „Manifest zur revolutionären Neuordnung”), erklärte er, Deutschland befinde sich „in einer vorrevolutionären Phase eines im Niedergang befindlichen Systems”. Notwendig sei deshalb „ein gemeinsames Ringen um Antworten” auf Fragen wie diejenige, ob nicht eine „Abschaffung des Parteienstaates” sowie eine „Herstellung wirklicher Volksherrschaft” auf die Tagesordnung zu setzen seien. Vogt schloss seine Ergüsse, deren Lektüre so manchen Nazi erfreuen dürfte, mit dem Plädoyer: „An der tatsächlichen Neuordnung Deutschlands zu arbeiten, wäre vornehmste Pflicht der Deutschen Burschenschaft.”
Selbst Weidner muss gemerkt haben, dass er mit dem Abdruck von Vogts Umsturz-Phantasien den Bogen etwas überspannt hatte. Der folgenden Ausgabe der DB-Zeitschrift verpasste er das unverfängliche Schwerpunktthema „Damenverbindungen”. Zudem nahm er einen Beitrag auf, der die Debatte um den Mord an Bonhoeffer für alle gesichtswahrend beenden sollte – einen Artikel seines Kartellbruders Fred Duswald (Münchener Burschenschaft Danubia). Der Text befasst sich mit dem Kardinal August Graf von Galen, der sich vor allem wegen der „Euthanasie”-Morde mit den Nazis überworfen hatte. Galen sei trotz allem kein „Vaterlandsverräter” gewesen, schreibt Duswald: So habe er etwa beim Einzug der Weltkriegs-Sieger 1945 erklärt, dass er „treu gesinnt” sei „gegenüber dem Vaterland” und deshalb „die Alliierten als Feinde betrachten” müsse. Auch habe der Kardinal behauptet, die Soldaten der Wehrmacht hätten „auch im Kriegsgetümmel Herz und Hand rein bewahrt” von „Haß, Plünderungen und ungerechter Gewalttat”. Seine letzten Worte vor seinem Tod am 22. März 1946 seien gewesen: „Gott schütze das liebe Vaterland.” Also gibt es doch Persönlichkeiten, die mit den Nazis nicht konform gingen und dennoch Zustimmung auf beiden DB-Flügeln finden? „Möge die Besinnung auf die vorbehaltslose Vaterlandsliebe der verewigten Eminenz”, schloss Duswald, „der Deutschen Burschenschaft den inneren Frieden bringen.”
Vollendete Assimilation
Die Bemühungen um einen Ausgleich zwischen den beiden Flügeln wurden auch auf inhaltlicher Ebene forciert. Dies betraf vor allem die Frage, die den Flügelstreit seit 2011 verschärft hatte – die Frage, ob Männer mit nichtdeutschen Vorfahren einer DB-Burschenschaft beitreten dürfen. Eine eigens eingesetzte Arbeitsgruppe hatte dazu zwar keinen Konsens erreicht, aber die Debatte so weit vorangetrieben, dass die Vorsitzende Burschenschaft, Redaria-Allemannia zu Rostock, gemeinsam mit den Marburger Rheinfranken ein Diskussionspapier dazu vorlegen konnte. Das Papier berücksichtigt die Forderungen des Rechtsaußen-Flügels in allen wesentlichen Punkten. Demnach dürfe nur in einen Mitgliedsbund der DB aufgenommen werden, wer sich „durch Abstammung als Deutscher auszeichnet”. „Bewerber nichtdeutscher Abstammung” seien „nur bei vollendeter Assimilation an das deutsche Volk” zu tolerieren. Wolle jemand „mit Herkunft aus dem abendländisch-europäischen Kulturkreis” Burschenschafter werden, dann solle der betroffene Bund eigenständig die „vollendete Assimilation” überprüfen – schließlich gehe diese „leichter vonstatten, wenn man aus einem Kulturraum kommt, der demjenigen, in den man sich assimilieren möchte, eng verwandt ist”. „Die Frage der Assimilation” werde in einem solchen Fall recht problemlos „unstrittig zu klären sein”.
Schwieriger allerdings sei „die Frage der Assimilation” bei Bewerbern, deren Herkunft „zumindest teilweise außerhalb des abendländisch-europäischen Kulturkreises” liege. Für diesen Fall schlagen die Redaria-Allemannia zu Rostock und die Marburger Rheinfranken die Gründung eines gesamtverbandlichen „Aufnahmerates” vor. Er könne „aus je vier Aktiven und Alten Herren” bestehen, die jeweils „vom „Burschentag” für vier Jahre” zu wählen seien. Als erste Amtshandlung solle er „zügig eine Geschäftsordnung” erstellen und klare Kriterien für die Entscheidungsfindung in ihr benennen. Die Geschäftsordnung sei ebenfalls vom „Burschentag” zu bestätigen. Der „Burschentag” und von ihm eingesetzte Gremien aber – und damit auch die Entscheidung über die Aufnahme strittiger Kandidaten – werden vom Rechtsaußen-Flügel zuverlässig kontrolliert.
Gerne auch verfassungsfeindlich
Der „außerordentliche Burschentag” begann mit einem kleinen Paukenschlag: Chefredakteur Weidner wurde in einem geschickten Schachzug abgewählt. Wäre er erneut im Amt bestätigt worden, dann hätte der sofortige Austritt diverser konservativer Bünde bevorgestanden. Weidners Abwahl blieb allerdings der einzige Punktgewinn, den die Rechtsaußen dem konservativen Flügel gönnten. Abgeschmettert wurden sämtliche Anträge, drei besonders exponierte ultrarechte Bünde auszuschließen oder zumindest solchen Burschenschaften das Stimmrecht zu entziehen, die in einem jeweils aktuellen Verfassungsschutzbericht genannt werden. Ebenfalls nur eine Minderheit konnte sich dafür erwärmen, Burschenschafter aus dem Verband zu entfernen, die in einer „verfassungsfeindlichen” Organisation Mitglied sind. Man einigte sich stattdessen darauf, Doppelmitgliedschaften in Burschenschaften und in offen nationalsozialistischen Organisationen zu untersagen. Inhaltliches wurde weitgehend vertagt; zwei wichtige Personalwahlen stellten allerdings neue Weichen. Bei beiden setzte sich der Rechtsaußen-Flügel völlig problemlos durch.
Nationalneurosen
So wurde Michael Paulwitz zum Nachfolger von Norbert Weidner im Amt des Chefredakteurs der Burschenschaftlichen Blätter bestimmt. Paulwitz (Burschenschaft Normannia Heidelberg) ist Landesvorstandsmitglied der Partei Die Republikaner in Baden-Württemberg, die einst die stärkste Partei der extremen Rechten in Deutschland war und bis heute von einem Burschenschafter geführt wird (Rolf Schlierer, Burschenschaft Germania Gießen). Er hat gemeinsam mit Götz Kubitschek eine rassistische Schrift über „Ausländergewalt in Deutschland” verfasst, die in der Edition Antaios des extrem rechten Instituts für Staatspolitik erschienen ist. Über die Zielsetzung erklärte Paulwitz in einem Interview mit den extrem rechten Unabhängigen Nachrichten, „das Ausgreifen der Deutschenfeindlichkeit in den öffentlichen Raum außerhalb der Multikulti-Ghettos” habe „die Schweigespirale überhaupt erst einmal durchbrochen”; nun könne man daran anknüpfen und „die Bresche offenhalten und erweitern”. Letztlich gehe es freilich um einen Kampf gegen bestehende „Nationalneurosen” in Deutschland.
Paulwitz, der regelmäßig Beiträge auf der Website Sezession im Netz und in der Wochenzeitung Junge Freiheit publiziert, hat sich kürzlich zu den Fragen von Deutschtum und Abstammung geäußert, die die DB gegenwärtig umtreiben. „Vollständig integriert” sei ein Migrant erst dann, wenn er „sich assimiliert, sich mit diesem Land identifiziert” und explizit „Teil der Nation und des Volkes werden will, in deren Mitte er lebt”, schrieb der künftige Chefredakteur der Burschenschaftlichen Blätter in der Jungen Freiheit. „Das dauert freilich länger als eine Paßverleihungszeremonie; oft braucht es Generationen, bis die Einschmelzung krisenfest geworden ist.” Der Weg bis dahin sei „umso steiniger, je weiter voneinander entfernt die Kulturkreise von Einwanderern und Einheimischen sind”. Die Assimilations-Experten der DB hätten es wohl nicht anders formuliert. Nebenbei: Das österreichische Pendant zur deutschen Jungen Freiheit ist die Wochenzeitung Zur Zeit. Deren Verlag wird von Walter Tributsch geleitet, der auch in der Redaktion des Blattes tätig ist – und seit dem Sommer als Pressesprecher der DB fungiert. Die öffentliche Wahrnehmung der DB wird also – wenn es ihr gelingt, ihre wiederkehrenden Skandale zu beenden – in starkem Maße durch zwei erfahrene Schreiber aus der Rechtsaußen-Medienlandschaft bestimmt.
Schönerer-Kneipen
DB-Pressesprecher Tributsch ist Mitglied der Wiener akademischen Burschenschaft Teutonia, die – das war der zweite Punktgewinn des Rechtsaußen-Flügels auf dem „außerordentlichen Burschentag“ in Stuttgart – zur Vorsitzenden Burschenschaft für das Geschäftsjahr 2013 gewählt worden ist. Die Wiener Teutonia gilt als eine der am weitesten rechts stehenden Burschenschaften überhaupt. Die DB war ihr lange Jahre zu liberal, weshalb sie dem Dachverband erst im Jahr 2007 beitrat – zu einer Zeit, als der Rechtsaußen-Flügel bereits mächtig mobil machte: Nur ein Jahr später übernahm etwa Norbert Weidner, dessen Alte Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn mit der Wiener Teutonia in einem Sonderbund (Ostdeutsches Kartell) zusammengeschlossen ist, den Chefredakteursposten bei der Verbandszeitschrift. Die Teutonen gehören seither zu denjenigen Burschen, die besonders entschlossen nach rechts drängen. Es sei ihr „erklärter Wille”, sich für die DB „einzusetzen, um unseren Verband schlagkräftig und zukunftsfähig zu erhalten”, teilen sie mit.
Was bei den Teutonen als „zukunftsfähig” gilt, darauf gibt ihre Vergangenheit Hinweise – nicht nur ihre Frühgeschichte kurz nach ihrer Gründung 1868 in Wien, die mit schwarz-rot-goldenem Band und brauner Kappe vollzogen wurde. Die Teutonen gehörten schon bald zu den fanatischsten Anhängern des völkischen Antisemiten Georg von Schönerer, den sie 1889 zu ihrem „Ehrenburschen” ernannten. Noch heute erinnern sie immer wieder an das Hitler-Vorbild; zuletzt hielten sie am 10. November 2012 eine „Schönererkneipe” ab.
Von Interesse für ihre heutige Politik ist jedoch vor allem, dass die Teutonia in der ersten Hälfte der 1990er Jahre enge Beziehungen zur österreichischen NS-Szene unterhielt. So unterstützten einige ihrer Mitglieder damals die VAPO (Volkstreue Außerparlamentarische Opposition), eine der krassesten Neonazi-Organisationen im damaligen Österreich, deren Anführer Gottfried Küssel 1992 wegen NS-Wiederbetätigung in Haft genommen und zu elf Jahren Haft verurteilt wurde. Der Wiener Teutonia gehört Jan Ackermeier an, der es tatsächlich geschafft hat, von einem FPÖ-Politiker – er war Mitarbeiter des FPÖ-Nationalratsabgeordneten Harald Stefan – wegen seiner Rechtsaußen-Aktivitäten gefeuert zu werden. Ackermeier hatte als Vorstandsmitglied der Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland, die jedes Jahr im Februar den berüchtigten Dresdener Neonazi-Aufmarsch durchführt, unter dem Titel „Andreas-Hofer-Wander- und Schulungswoche” ein Treffen extrem rechter Aktivisten in der Steiermark organisiert. Das war selbst Stefan (Wiener akademische Burschenschaft Olympia) zu viel; Ackermeier, der ein Zweitband bei der Burschenschaft Normannia-Nibelungen zu Bielefeld führt, verlor im Herbst 2010 nach Bekanntwerden der Affäre seinen Mitarbeiterjob.
Austrittswelle
Wie die DB sich angesichts klarer Mehrheitsverhältnisse unter dem Vorsitz der Wiener Teutonia weiterentwickeln wird – begleitet von Öffentlichkeitsarbeit Marke Junge Freiheit/Zur Zeit –, lässt sich unschwer ausmalen. Unmittelbar nach dem „außerordentlichen Burschentag“ begannen denn auch die Austritte der Konservativen; bis Redaktionsschluss verließen zwölf aktive Burschenschaften sowie zwei weitere, die nur noch „Altherrenschaften“ haben, die DB. Noch einige weitere dürften sich der Austrittswelle anschließen. Übrig bleibt wohl ein Verband, der – sofern er dann noch finanzierbar ist – aus rund 80 Burschenschaften in gut 40 Hochschulorten in Deutschland und Österreich bestünde und politisch einheitlicher, damit aber auch schlagkräftiger wäre als die heutige DB. Eine derart umfassende universitäre Infrastruktur hatte die extreme Rechte zumindest in der Bundesrepublik noch nie; sie wird wohl, wie es sich Robin Slupinski auf blauenarzisse.de wünscht, künftig in der Tat „offensiv Stellung beziehen” können.