Beherzt zupacken
Der VDSt Münster und die Junge Union
In der Jungen Union Münster – und nicht nur dort – gehen Rechtskräfte in die Offensive. Einige von ihnen sind im Verein Deutscher Studenten (VDSt) aktiv.
Das Foto machte die Runde in Nordrhein-Westfalen. Erst druckte die Lokalpresse in Münster es ab, dann Der Westen, und schließlich fand man es sogar beim WDR: ein Gruppenbild des frisch gewählten Vorstands der Jungen Union Münster, der stolz unter zwei Flaggen posierte – unter einer schwarz-rot-goldenen und einer schwarz-weiß-roten. Wollte die Junge Union (JU) nach der verlorenen Schlacht um den Münsteraner Hindenburgplatz (vgl. LOTTA #49, S. 4 ff.) sich jetzt direkt dem Deutschen Reich unterstellen? Waren gar leicht verwirrte „Reichsbürger“ am Werk, die der Ansicht sind, das Deutsche Reich bestehe unerkannt bis heute fort? Gott bewahre, hieß es umgehend bei der JU: Man habe sich lediglich beim Münsteraner Verein Deutscher Studenten (VDSt) getroffen, und da sei dessen Verbandsfahne halt mit aufs Foto geraten – ganz zufällig natürlich. Es half nichts: Der WDR stellte das Foto im Internet neben eines von demonstrierenden Nazis mit Reichsflagge, von der CDU gab’s ein Donnerwetter – und die JU zog das Provo-Foto kleinlaut zurück.
Traditionell-konservativ?
Der Verband der Vereine Deutscher Studenten (VVDSt), dessen Vereinsfahne Ende 2012 ungekannte Aufmerksamkeit erfuhr, ist keiner der ganz großen, aber durchaus einer der politisch aktiven Korporations-Dachverbände. Gegründet 1881 von Studenten, die sich im damaligen Antisemitismusstreit als Unterstützer Heinrich von Treitschkes („Die Juden sind unser Unglück“) zusammengetan hatten, besteht er bis heute in annähernd 40 Städten Deutschlands, Österreichs und Ungarns fort. Er nimmt ausschließlich Männer auf, die sich der „deutschen Kultur“ verbunden fühlen, schlägt keine Mensuren und trägt keine Couleur. Verbandsfarben hat er dennoch – das Schwarz-weiß-rot des Kaiserreichs, „als Symbol der nationalen Einigung von 1871“, wie es in einer Selbstdarstellung heißt. In Münster ist der VDSt seit 1902 registriert, er geht in diesem Frühjahr in sein 222. Couleursemester. Innerhalb des Verbandes ordnet er sich selbst auf dem rechten Flügel ein: Man habe sich in den 1990er Jahren „stark den traditionell-konservativen und korporativen Elementen“ zugewandt, teilt er auf seiner Website mit.
Der VDSt Münster ist eng mit der örtlichen JU verflochten. Seine aktuell 18 Männer umfassende Aktivitas stellt mit Christoph Sluka, Michael Kosmider und Sebastian Seelhof drei Vorstandsmitglieder der Jungen Union Münster; Sluka ist gar stellvertretender Vorsitzender. Die Beziehungen sind seit Jahren gewachsen. Bereits 2009 hatte der VDSt der Parteijugend der Konservativen seine Räumlichkeiten in der Grimmstraße für ihre Weihnachtsfeier zur Verfügung gestellt. Diese veröffentlichte schon damals ein Foto im Internet, auf dem die Verbandsfahne über ihrer Feier wehte, und berichtete stolz, „mit dem CDU-Landtagskandidaten Josef Rickfelder und dem CDU-Kreisvorsitzenden Stefan Weber“ habe sie im VDSt-Haus „gleich zwei Münsteraner ‘Politgrößen’“ neben schwarz-weiß-rotem Equipment begrüßen dürfen. Der VDSt hat in den letzten Jahren mehrfach CDU-Politiker zu Vorträgen geladen, darunter den NRW-Landtagsabgeordneten Thomas Sternberg oder den Europaparlamentarier Markus Pieper. Auch der Münsteraner CDU-Bundestagsabgeordnete Ruprecht Polenz ist beim VDSt Münster zu Gast gewesen, wenngleich er gewisse Differenzen zumindest mit einem Teil des VDSt hat.
Letzteres zeigte sich deutlich in den Auseinandersetzungen um die Umbenennung des Münsteraner Hindenburgplatzes. Während Polenz die Umbenennung befürwortete, agitierte die JU aggressiv für die Beibehaltung des Namens – die VDSt-Mitglieder der Parteijugend inbegriffen. Vor allem Sluka, der auch als Sprecher der Initiative Pro Hindenburgplatz auftrat und Gründungsmitglied des Vereins Ja zum Hindenburgplatz war, tat sich dabei hervor. „Man sollte das Leben Hindenburgs nicht auf die Jahre 1933 und 1934 beschränken“, dozierte er in einem Interview mit dem Rechtsaußen-Blatt Junge Freiheit (JF) im August 2012. Auf die Frage, wieso sich die JU für die Beibehaltung des Namens einsetze, antwortete der VDSt-Mann: „Es ist heute wichtig, ein klares Profil zu zeigen und nicht wie ein Fähnlein im Wind zu wehen.“ Das „klare Profil“, das die JU Münster unter der schwarz-weiß-roten Fahne und im Kampf für den Namen Hindenburg zeigt ist das Profil des harten rechten Parteiflügels, der, angewidert vom Merkel’schen Mitte-Kurs, allzu gern wieder in die Offensive ginge. In Münster mischen dabei auch VDSt-Aktivisten mit – und nicht nur dort.
Rechter Flügel
Auf dem rechten CDU-Parteiflügel ist in diesem Sinne zuletzt vor allem die Aktion Linkstrend stoppen aktiv geworden. Im November 2010 hatte etwa der VDSt Breslau-Bochum deren Pressesprecher Michael Nickel zum Vortrag geladen. Nickel, Alter Herr der Sängerschaft Borussia Berlin, stieß beim VDSt in Bochum auf reges Interesse. Wenige Wochen später hielt Alexander Röhlig beim Bochumer VDSt einen Fuxenvortrag. Röhlig schrieb damals recht häufig auf dem ultrarechten Internetportal Blaue Narzisse, für deren Bochumer „Stammtisch“ er zeitweise warb. Unter anderem berichtete er auf der Website über die Aktivitäten von pro NRW. Die Aktion Linkstrend stoppen findet darüber hinaus Unterstützung beim VDSt. So hat Johannes Lihl vom VDSt Bremen und erster stellvertretender Vorsitzender des Bremer Landesverbandes der JU ihr Manifest unterzeichnet.
Der VDSt Bremen ist zur Zeit der bekannteste Rechtsausleger seines Dachverbandes. Vor einiger Zeit lud er Felix Menzel, Chefredakteur der Blauen Narzisse, zum Vortrag ein. „Eine mutige Entscheidung [...], auch einmal den Blick über den Tellerrand des politischen ‘Mainstreams’ der ‘Political Correctness’ zu wagen“, schrieben die Bremer Verbandsbrüder. Neben dem schwarz-weiß-roten Wappen des VDSt Bremen referierten zum Beispiel auch Gerd Schultze-Rhonhof, der die deutsche Alleinschuld am Zweiten Weltkrieg leugnet, und Jan Timke (Bürger in Wut, Vortragsthema: „Ausländerkriminalität im Bundesland Bremen“). Ein Alter Herr des Bremer VDSt, Bastian Behrens, fungiert zudem als offizieller Ansprechpartner für die Kommanditgesellschaft der JF und als PR-Mann der Förderstiftung Konservative Bildung und Forschung, die im direkten politischen Umfeld der JF angesiedelt ist. „Die Lage der Konservativen ist in Deutschland nicht rosig“, hatte Behrens im Juli 2011 in der JF geklagt; doch sei das „kein Grund, die Flinte ins Korn zu werfen“. Stattdessen müsse die Rechte endlich wieder „zum beherzten Zupacken“ übergehen. Es gebe Medien, die man dafür nutzen könne – „Junge Freiheit, Blaue Narzisse und Sezession sind Beispiele dafür“ –, aber auch Organisationen, in denen man sich engagieren könne: „Studenten- und Schülerverbindungen haben wieder neu aufgemacht.“ Man darf unterstellen, dass Autor Behrens seine eigene Verbindung, den VDSt, zu den aus rechter Sicht politisch nützlichen Kräften zählt.