„Drinnen“ oder „draußen“?
Der Mythos Ausstieg aus der extremen Rechten
Es ist nicht sehr außergewöhnlich, wenn sich Menschen von der extremen Rechten abwenden. Ihre Gründe, auf Distanz zu extrem rechten Gruppen und Szenen zu gehen, in denen sie sich teilweise viele Jahre lang bewegten und deren Aktivitäten einen bedeutsamen Teil ihres Lebens ausmachten, sind vielschichtig. Bei manchen führen veränderte persönliche Lebensverhältnisse – Gründung einer Familie, stärkere Eingebundenheit im Beruf etc. – zu einem Rückzug. Andere halten einem Druck von außen – Strafverfahren, öffentliche Thematisierung ihrer Eingebundenheit – nicht länger stand. Wieder andere sind desillusioniert und haben das Gefühl, sich in eine politische Sackgasse manövriert zu haben. Einige wenige erkennen in den Wertvorstellungen und politischen Forderungen der extremen Rechten die ihnen innewohnende Menschenverachtung, die sie nicht länger mittragen wollen. Sie alle sehen für sich in ihren bisherigen Politik- und Szene-Zusammenhängen keine Zukunft mehr. Doch längst nicht alle vollziehen einen wirklichen Bruch mit der Szene, geschweige denn, dass sie die bislang vertretenen ideologischen Positionen reflektieren und überwinden. Sie alle werden aber gemeinhin als „AussteigerInnen“ bezeichnet. Der Begriff des Ausstiegs suggeriert, dass eine Distanzierung von der extremen Rechten ein schwieriger und gefahrvoller Prozess ist, in dem die Ausstiegswilligen auf Hilfe von „außen“ angewiesen sind. So gibt es verschiedene Aussteigerprogramme, die sowohl von Organisationen wie exit als auch von den Verfassungsschutzämtern angeboten werden. Auch antifaschistische Initiativen sind oftmals mit „AussteigerInnen“ konfrontiert, beispielsweise wenn Neonazis gegenüber ihrem Arbeitgeber oder vor Gericht behaupten, „ausgestiegen“ zu sein, wenn vormalige Rechte in linksgeprägten Musikszenen auftauchen oder sich gar mit der Bitte um Unterstützung an die lokale Antifa-Gruppe wenden. Hoch im Kurs stehen „AussteigerInnen“ auch bei den Medien und in der Bildungsarbeit, da sie eine „authentische Stimme“ verkörpern sollen.
Eine Auseinandersetzung mit Distanzierungsprozessen ist deshalb ebenso von Nöten wie eine Diskussion über den richtigen Umgang mit den sich von der Szene abwendenden Personen und die Kriterien für eine gelungene Distanzierung. LOTTA hat das Thema zuletzt vor genau zehn Jahren in der Ausgabe #13 (Sommer 2003) als Schwerpunkt behandelt. Höchste Zeit also, die Diskussion wieder aufzunehmen.