Nazis raus?

Ausschluss von Neonazis aus Veranstaltungen in geschlossenen Räumen

Einen „Sieg für die Meinungsfreiheit“ will der Kreisverband Hamm der Vereinigung „Die Rechte“ erstritten haben. Tatsächlich handelt es sich um eine olle Kamelle: Es gibt versammlungsrechtliche Probleme beim Ausschluss von Neonazis aus Veranstaltungen in geschlossenen Räumen. Dass das Thema jetzt wieder hochkommt, zeigt, dass viele VeranstalterInnen sich noch immer nicht genug mit ihm auseinandergesetzt haben.

Einen „Sieg für die Meinungsfreiheit“ will der Kreisverband Hamm der Vereinigung „Die Rechte“ erstritten haben. Tatsächlich handelt es sich um eine olle Kamelle: Es gibt versammlungsrechtliche Probleme beim Ausschluss von Neonazis aus Veranstaltungen in geschlossenen Räumen. Dass das Thema jetzt wieder hochkommt, zeigt, dass viele VeranstalterInnen sich noch immer nicht genug mit ihm auseinandergesetzt haben.

Was war geschehen?

2012 fand in einer nordrhein-westfälischen Kirche eine Veranstaltung zur extremen Rechten statt, zu der die VeranstalterInnen über eine Website eingeladen hatten. Der spätere Kläger, der der rechten Szene angehört, betrat die Kirche und setzte sich. Nachdem er erkannt wurde, wiesen die VeranstalterInnen ihn auf ein Schild im Eingangsbereich hin, wonach man sich vorbehalte, einzelne Personen von der Veranstaltung auszuschließen. Von dieser Möglichkeit mache man in seinem Falle Gebrauch. Dabei war ein Polizist anwesend, der den Kläger nach dessen Angaben „mit sanftem Druck aus der Kirche gedrängt“ habe, woraufhin er – der Kläger – Klage gegen das Land Nordrhein-Westfalen erhob. Das Verwaltungsgericht (VG) Arnsberg entschied mit Urteil vom 22. März 2013 – Az: 3 K 733/12 –, dass der Hinauswurf rechtswidrig war und das Land die Prozesskosten zu tragen habe.

Das mag auf den ersten Blick erstaunlich erscheinen, unerfreulich ist es allemal. Tatsächlich liegt es jedoch auf der Linie der Rechtsprechung in ähnlichen Fällen. Auch LOTTA berichtete bereits vor gut vier Jahren über einen ähnlichen Fall (LOTTA #33, S. 54 f.).

(Ab-)Gründe

Um die zugrundeliegende Argumentation zu verstehen, ist ein kurzer Exkurs in das Versammlungsrecht erforderlich. Nach Artikel 8 Grundgesetz (GG) haben „alle Deutschen das Recht, sich [...] zu versammeln“. Einzelheiten hierzu stehen im auch für NRW geltenden Versammlungsgesetz (VersG) des Bundes. Dessen zweiter Abschnitt regelt „Öffentliche Versammlungen in geschlossenen Räumen“, und um eine solche ging es hier. Der Kläger hätte nur dann von der Versammlung ausgeschlossen werden dürfen, wenn sich in diesem Abschnitt eine Regelung finden würde, die den Ausschluss in solchen Fällen erlaubt. Dies ist nach der geltenden Rechtsprechung jedoch nicht der Fall.

Zwar übt nach § 7 Abs. 4 VersG der „Versammlungsleiter“ das Hausrecht aus. Jedoch schränkt das VersG das Hausrecht nach der Rechtsprechung dahingehend ein, dass er das Hausrecht nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen nutzen darf, um TeilnehmerInnen aus der Versammlung auszuschließen. Das VersG sieht dies nur in zwei Fällen vor:

Nach § 11 Abs. 1 VersG können TeilnehmerInnen ausgeschlossen werden, die „gröblich stören“. Dies war hier jedoch (noch) nicht der Fall. Dass der Kläger die Versammlung möglicherweise später gestört hätte, genügt der Rechtsprechung nicht. Freilich liegt die Messlatte für eine gröbliche Störung relativ hoch. Selbst wenn jemand seiner extrem rechten Gesinnung durch entsprechende Fragen oder Kommentare Ausdruck verleiht, kann daraus noch nicht auf eine „gröbliche Störung“ geschlossen werden.

Der zweite Fall findet sich in § 6 Abs. 1 VersG: „Bestimmte Personen oder Personenkreise können in der Einladung von der Teilnahme an einer Versammlung ausgeschlossen werden.“ Leider hatten es die VeranstalterInnen in diesem Falle – wie so oft – versäumt, diese Möglichkeit zu nutzen. Wichtig dabei ist, dass der Ausschluss bereits in der Einladung erfolgt. Ein Schild im Eingangsbereich genügt nicht.

Was tun?

VeranstalterInnen sollten sich rechtzeitig mit der Problematik befassen und einen Umgang damit finden. Die Entscheidung zeigt, wie wichtig es ist, bereits in der Einladung deutlich zu machen, welche Personen(gruppen) man nicht dabeihaben möchte. Zwar kann eine Einladung auch nachträglich modifiziert werden, dies ist jedoch fehleranfällig. Der entsprechende Ausschluss sollte daher von Anfang an vorgenommen werden. Wird eine Veranstaltung im Internet und über Flyer beworben, dann gehört der Ausschluss auch an beiden Stellen dazu. Ansonsten könnte sich jemand darauf berufen, von der Veranstaltung durch eine Einladung erfahren zu haben, die keinen Ausschluss enthielt.

Wie sollte ein Ausschluss aussehen? Typischerweise werden Formulierungen wie diese empfohlen: „Die VeranstalterInnen behalten sich vor, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen und Personen, die rechtsextremen Parteien oder Organisationen angehören, der rechtsextremen Szene zuzuordnen sind oder bereits in der Vergangenheit durch rassistische, nationalistische, antisemitische oder sonstige menschenverachtende Äußerungen in Erscheinung getreten sind, den Zutritt zur Veranstaltung zu verwehren oder von dieser auszuschließen.“

Das VG Arnsberg ließ Zweifel anklingen, ob diese Formulierung scharf genug ist, um einen wirksamen Ausschluss darzustellen, entschied jedoch nicht darüber, weil es im vorliegenden Falle nicht darauf ankam. Jedoch wird deutlich, dass auch die Verwendung einer derartigen Klausel keine absolute Sicherheit gibt.

Da sich die Klage gegen das Land richtete und konkret das Verhalten des Polizisten betraf, sagt das Urteil auch nichts darüber, wie es rechtlich zu beurteilen ist, wenn man das Hausrecht selbst, also ohne Polizei durchsetzt. Hierzu ist zunächst festzustellen, dass es schon vorgekommen ist, dass die Polizei in solchen Fällen das Recht zur Teilnahme an einer Versammlung gegen den Willen des Veranstaltungsleiters durchsetzte, etwa in dem Fall, der im oben erwähnten Artikel aus LOTTA #33 beschrieben wurde. Zudem gehen die Beteiligten wohl auch das Risiko ein, sich strafbar zu machen, etwa wegen Nötigung oder Körperverletzung, wenn sie einen nach versammlungsrechtlichen Maßstäben rechtswidrigen Ausschluss durchsetzen. Der unwirksam ausgeschlossenen Person dürfte darüber hinaus sogar ein Notwehrrecht zustehen. Rechtlich gesehen löst dieser Weg das Problem also nicht.

Versammlungen außerhalb geschlossener Räume

All dies bezieht sich auf Versammlungen in geschlossenen Räumen. Außerhalb geschlossener Räume ist die Rechtslage anders. Die Möglichkeit, Personen durch die Einladung auszuschließen, ist dort grundsätzlich nicht vorgesehen. Das Recht, TeilnehmerInnen, die die Versammlung „gröblich stören“, auszuschließen, liegt bei der Polizei und nicht beim Leiter oder der Leiterin. Die Polizei hat auch die Möglichkeit, solche Personen von der Versammlung fernzuhalten, von denen sie annimmt, dass sie nicht an der Versammlung teilnehmen, sondern diese nur stören oder verhindern möchten. Damit verlässt man allerdings das Versammlungsrecht und begibt sich in das Polizeirecht, weshalb dieses Thema hier nicht vertieft wird. Praktisch bedeutet das, dass die Möglichkeiten des Versammlungsleiters oder der Versammlungsleiterin noch stärker eingeschränkt sind als in geschlossenen Räumen, während der Polizei ein relativ weites Ermessen eingeräumt wird.

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