Das 20-Prozent-Bündnis
Geert Wilders arbeitet an einem europaweiten Parteienbündnis für die Europawahl
Seit Monaten kursieren Gerüchte, der Niederländer Geert Wilders plane mit seiner anti-islamischen Partij voor de Vrijheid (PVV) ein europaweites Parteienbündnis für die Europawahl im Mai 2014. Jetzt beginnt sich das Vorhaben zu konkretisieren.Marine Le Pen wäre gerne dabei. „Es ist wichtig, dass der Wähler sieht, dass wir nicht isoliert sind, sondern dass in allen europäischen Ländern ähnliche patriotische Bewegungen aktiv sind”, sagt die Vorsitzende des extrem rechten französischen Front National (FN). Die niederländische Zeitung NRC Handelsblad hat Le Pen für die Wochenendausgabe vom 14./15. September 2013 interviewt, und natürlich geht es dabei auch um die Frage, ob der FN sich an dem Parteienbündnis beteiligen wird, an dem Geert Wilders gerade arbeitet. Sicherlich gebe es Differenzen, sagt Le Pen; so sei der FN in seiner Ablehnung des Islam nicht so radikal wie Wilders, der den Koran mit „Mein Kampf” verglichen hat. Aber das Einigende überwiege letztlich doch: „Wir kämpfen gegen eine erstickende Immigration und gegen die Islamisierung”, erklärt die FN-Chefin; auch seien ihre Partei und Wilders’ Partij voor de Vrijheid (PVV) in gleichem Maße stolz auf die eigene Kultur und gegen die EU. Man werde Erfolg haben: Die traditionellen Parteien hätten „jede Glaubwürdigkeit verloren”, Europa stünden „große politische Veränderungen” bevor.
Ohne Nazis gegen den Islam?
Geert Wilders, mit dem Marine Le Pen gern kooperieren würde, ist seit einigen Monaten dabei, einen einschneidenden Kurswechsel zu vollziehen. Als er 2006 die PVV gründete, um dem Islam zumindest in Europa den Garaus zu machen, da war für ihn eine Maxime klar: Arbeite nie mit der extremen Rechten zusammen, denn das schließt dich unter heutigen Bedingungen von jeder Regierungsbeteiligung aus. Wilders konstruierte die PVV also einerseits so, dass er formell das einzige Mitglied war und seine Partei nicht von umherstreunenden Neonazis unterwandert werden konnte. Auf der anderen Seite hielt er sich international von allen Organisationen fern, die zur extremen Rechten gezählt werden. Damit war für ihn ein Bündnis mit der FPÖ oder gar dem FN von vornherein ausgeschlossen. Nur einmal, im Dezember 2008, drang an die Öffentlichkeit, dass Wilders darüber nachdachte, es sich womöglich anders zu überlegen und mit dem Vlaams Belang zu kooperieren. Daraus ist damals allerdings nichts geworden.
Wilders hat sich natürlich dennoch um internationale Kontakte bemüht. In die US-amerikanische und in die israelische Rechte hat er gute Verbindungen; im Juli 2010 kündigte er an, einen Verband namens International Freedom Alliance zu gründen, als Dachorganisation für Zusammenschlüsse und für Einzelpersonen, „die gegen den Islam für Freiheit kämpfen”. Daraus ist nichts geworden. Wilders hat sich unter anderem auch in Deutschland versucht – bislang ohne Erfolg. Pax Europa, eine selbsternannte „Bürgerbewegung”, zu der er Kontakt hält, ist bedeutungslos geblieben; Die Freiheit, der er am 3. September 2011 mit einem medienwirksamen Auftritt in Berlin Auftrieb zu verschaffen suchte, ist kläglich gescheitert. Offenkundig – so muss man Wilders’ fehlgeschlagene Bemühungen wohl interpretieren – gelingt es derzeit nicht, in Europa ein Netz von Parteien nach dem Modell der PVV zu schaffen, die das große rassistische Potenzial durch anti-islamische Agitation abzuschöpfen in der Lage sind, ohne am koalitionshemmenden Makel einer Einbindung in die extreme Rechte zu leiden. Entweder sind Platzhirsche wie die FPÖ oder der Vlaams Belang zu stark oder die Umstände für rechte Parteiengründungen – aus historischen Gründen etwa in Deutschland – allzu widrig.
Kurswechsel
Und so beginnt Wilders nun doch mit Parteien zu kooperieren, die eine klare Verankerung in der extremen Rechten haben. Im April traf er in Paris mit FN-Chefin Marine Le Pen zusammen, um sich über ein Bündnis für die Europawahl auszutauschen. Das Treffen sei gut verlaufen, twitterte er anschließend; er habe Le Pen zu weiteren Gesprächen in die Niederlande eingeladen. Ebenfalls im April berichtete der belgische De Standaard, Wilders strebe ein Bündnis mit dem Vlaams Belang an. Dessen führender Kopf Filip Dewinter habe geradezu enthusiastisch reagiert. Im Algemeen Dagblad aus Rotterdam konnte man erfahren, dass Wilders mit „ungefähr zehn Anti-Euro-Parteien” über eine Zusammenarbeit sprechen wolle. Gelinge dies, so ließ sich der PVV-Mann zitieren, dann wäre das „ein starkes Signal” an die etablierten Parteien in Brüssel.
Am 20. August traf Wilders nun in Wien mit dem FPÖ-Vorsitzenden Heinz-Christian Strache zusammen. Strache hatte sich mit Blick auf Wilders’ Abgrenzungskurs unter anderem gegenüber seiner Partei Anfang 2011 öffentlich verärgert geäußert: „Eine Zusammenarbeit strebe ich aufgrund seiner undifferenzierten Positionen zur Zeit nicht an”, hatte er im Interview mit Zur Zeit erklärt. Im vergangenen Jahr hatte FPÖ-Vordenker Andreas Mölzer ebenfalls öffentlich gewarnt: „Wer sich von gleichgesinnten rechtsdemokratischen Bewegungen abschottet wie Wilders, läuft Gefahr, sich in eigenen Irrwegen zu laufen”. Derlei Dissonanzen sollen nun der Vergangenheit angehören. Wie es nach dem Treffen hieß, seien die Gespräche „konstruktiv” und in einer angenehmen Atmosphäre verlaufen; man habe sich mit inhaltlichen Schnittstellen und mit einer künftigen Zusammenarbeit der FPÖ und der PVV befasst. „Wilders erklärte, daß seine Partei mit der FPÖ mehr gemeinsam habe als mit dem Rest des niederländischen Parlaments”, berichtete mit Interesse das deutsche Rechtsaußen-Blatt Zuerst: „Er blicke mit Bewunderung nach Österreich und zur FPÖ.” Strache hingegen habe „seiner Freude Ausdruck” verliehen, „Wilders kennenzulernen, und blicke einer weiteren Zusammenarbeit mit Spannung entgegen”.
Erfolgreiche Parteien
Nicht überall sind Wilders’ Bemühungen von Erfolg gekrönt. Die britische UKIP hat ihm eine Abfuhr erteilt, ebenso – zumindest nach aktuellem Stand – die italienische Lega Nord. Die Schwedendemokraten geben sich skeptisch. Die Alternative für Deutschland hat Berichten zufolge eine Kooperation ebenfalls zurückgewiesen. Pro NRW würde gerne mitmischen; allerdings fehlt es der rheinischen Clique dann doch an Format. Immerhin sind die vier Parteien, die sich derzeit in Richtung einer Kooperation bewegen, durchaus erfolgreich. Die FPÖ liegt aktuellen Umfragen zufolge bei 20 Prozent. Der FN schwimmt auf einer Erfolgswelle; Marine Le Pen könnte bei Präsidentschaftswahlen ebenfalls auf 20 Prozent hoffen. Der Vlaams Belang würde derzeit – etwas geschwächt durch die Erfolge des konservativen Separatisten Bart De Wever – landesweit wohl elf Prozent erzielen, was jedoch umgerechnet auf Flandern, das Gebiet, in dem der Vlaams Belang allein tätig ist, ebenfalls rund 20 Prozent entspricht. Wilders’ PVV wäre derzeit laut Umfragen mit 21 Prozent sogar die stärkste Partei in den Niederlanden überhaupt. Ein Potenzial für die extreme Rechte hätte ein Bündnis der genannten vier Parteien auf jeden Fall.