Das letzte Aufgebot?!
Neonazi unter der Lupe: Markus Walter
Markus Walter weist mittlerweile eine rund 20-jährige „Karriere“ in der extremen Rechten auf. Diese reicht vom militanten Neonazismus Anfang der 1990er Jahre hin zum heutigen Parteifunktionär der NPD. Im Juli 2013 wurde Walter zum rheinland-pfälzischen Landesvorsitzenden gewählt.„Ich bin Nationalsozialist!“ Mit diesen Worten bezeichnete sich Mitte der 1990er Jahre der 1975 geborene Markus Walter in einer Ausgabe der neonazistischen Kleinstpostille Reichsruf. Der Reichsruf, betitelt als „Stimme der NS-Bewegung Saar-Pfalz“, wurde von dem damaligen Multiaktivisten und Selbstdarsteller Ernst Tag herausgegeben. Verwunderlich ist weder dieses offene Bekenntnis zum NS noch die Zeitschrift, in der Walter dieses verkündete. Denn insbesondere Ernst Tag und die von ihm ins Leben gerufenen Kleinstorganisationen dürften Walters politische Laufbahn entscheidend geprägt haben.
Saubermann
So fungierte Walter in den 1990er Jahren als „Ortsgruppenleiter Pirmasens“ der Aktion Sauberes Deutschland (ASD). Die 1986 von Ernst Tag gegründete ASD war eine militante neonazistische Kleinstorganisation mit mehreren Ortsgruppen, die meisten davon in Südwestdeutschland. Die politische Ausrichtung macht ein Zitat aus einem Flugblatt der Pirmasenser Gruppe deutlich: „Wir nehmen an keinen Wahlen der brd teil und kämpfen für den Nationalen Sozialismus in Verbindung mit den Naturgesetzen, da er nur überhaupt einen Fortbestand des Deutschen Volkes gewährleisten kann.“ Neben seiner Tätigkeit bei der ASD war Walter 1996 zeitweise auch Vorsitzender des ebenfalls von Ernst Tag initiierten Vereins Internationales Hilfskomitee für nationale politische Verfolgte und deren Angehörige (IHV). Das „Hilfskomitee“, das als Alternative zu der in der Szene dominierenden Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V. (HNG) geplant war, verschwand allerdings im Laufe der 90er Jahre in der Bedeutungslosigkeit – ebenso wie Ernst Tag selbst.
Nicht nur Worte
Zunächst fiel unter die „Aktivitäten“ der ASD in Pirmasens vor allem das Verteilen rassistischer und antisemitischer Flugblätter. Ab Mitte der 1990er Jahre folgten überregionale Schlagzeilen. In Südwestdeutschland kam es zu einer Reihe von Schändungen jüdischer Friedhöfe. Im November 1994 wurde unter anderem der jüdische Friedhof in Busenberg (Landkreis Südwestpfalz) verwüstet. In Publikationen von ASD und IHV waren zuvor mehrmals Adressen jüdischer Einrichtungen veröffentlicht worden. Mehrere Neonazis der ASD gerieten in den Fokus der Sicherheitsbehörden. So auch Walter, der unter anderem für die Beteiligung an der Verwüstung des jüdische Friedhofes in Busenberg zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt wurde, die aber in einem Berufungsprozess im Jahr 2003 zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Parteifunktionär
Nach seiner Verurteilung hielt Walter die Füße still und trat erst mit Ende seiner Bewährungszeit politisch wieder in Erscheinung – und zwar bei der einstigen Konkurrenzorganisation NPD. Im Vorfeld der Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz im Jahre 2006 kam es zu einer Neustrukturierung des damals nicht handlungsfähigen Landesverbandes der NPD. Von Bedeutung dabei war die Rückkehr des 2002 nach Sachsen verzogenen Reisekaders Sascha Wagner. Dieser bezog ein Haus in Pirmasens und verfolgte das langfristige Ziel, eine Landesparteizentrale in Pirmasens aufzubauen. Stets an seiner Seite war seitdem Markus Walter anzutreffen, der sich in kürzester Zeit zum NPD-Kader entwickelte. So übernahm er den Vorsitz des damaligen NPD-Kreisverbandes Südwestpfalz (später KV Westpfalz), der dann auch prompt eine Vielzahl von Veranstaltungen durchführte. Als „Landesorganisationsleiter“ im Landesvorstand der NPD trat Walter zunehmend auch überregional in Erscheinung.
Das Projekt einer Landesparteizentrale konnte die NPD in Pirmasens nicht verwirklichen. Nichtsdestotrotz verankerte sich die NPD um Walter zunehmend in Pirmasens und der Region Westpfalz. Von Bedeutung dabei war insbesondere das maßgeblich von Wagner und Walter betriebene selbsternannte Haus der Demokratie in Herschberg, wo nahezu kontinuierlich Veranstaltungen der NPD stattfanden. Seit 2009 sitzt Walter zudem für die NPD im Stadtrat von Pirmasens und fungiert(e) als Vorstandsmitglied beziehungsweise zeitweiliger Pressesprecher der Kommunalpolitischen Vereinigung der NPD, einem bundesweiten Zusammenschluss der kommunalen NPD-MandatsträgerInnen..
Landesverband
Der RLP-NPD-Landesverband zeichnet sich in den letzten Jahren immer wieder durch interne Streitigkeiten und Querelen aus. Eine Hauptkonfliktlinie verläuft dabei zwischen einem eher völkisch orientierten Flügel um das Ehepaar Armstroff und einem eher subkulturell geprägten Flügel der Partei um Sascha Wagner, zu dem auch Walter zählt. Walter geriet in seiner Funktion im Landesvorstand recht schnell mit der damaligen Landesvorsitzenden Dörthe Armstroff aneinander. Der Streit ging soweit, dass sich Walter 2009 ein Parteiausschlussverfahren einhandelte, da er Armstroff als vermeintliche Mitarbeiterin des VS bezeichnete. Nachdem er dieses abwenden konnte, schienen sich die beiden wieder zu arrangieren, Walter kehrte 2010 in den Landesvorstand zurück.
Das endgültige Zerwürfnis brachte im Juni 2013 ein Parteitag zur Listenwahl für die anstehende Bundestagswahl, wo sich eine Gruppe um Walter nicht an eine Absprache gehalten haben soll und eine eigene Liste mit KandidatInnen durchgesetzt hatte. Eine entscheidende Rolle dabei spielten neben Walter dessen Lebensgefährtin Ricarda Riefling und Landespressesprecher Safet Babic aus Trier (vgl. LOTTA # 52, S. 32).
Auf dem darauffolgenden Landesparteitag am 20. Juli kandidierte Armstroff nicht mehr für den Posten der Landesvorsitzenden. Somit war der Weg für Walter frei: Er wurde mit zwei Dritteln der Stimmen zum neuen Landesvorsitzenden gewählt.
Was kommt?
„Retter in der Not oder das letzte Aufgebot?” titelte infoportal24 – eine Internetseite aus dem Umfeld des Aktionsbüro Rhein Neckar (ABRN) – als Reaktion auf den neu gewählten Landesvorstand. Es stellt kein Geheimnis dar, dass insbesondere die Strukturen des ABRN um dessen Führungsfigur Matthias Herrmann keine Freunde Walters sind. Gerade jene Strukturen waren in der Vergangenheit jedoch von zentraler Bedeutung für die rheinland-pfälzische NPD.
In Walters noch kurzer Amtszeit hat sich schon gezeigt, dass er landesweit kaum auf eine Basis aktiver NPD-Strukturen zurückgreifen kann und auch nicht die Integrationskaft besitzt, verschiedene Spektren der extremen Rechten in RLP zu bündeln. So kann er zwar die bereits bestehende Zusammenarbeit mit Strukturen aus dem Raum Kaiserslautern, Zweibrücken und Trier weiterführen, allerdings fallen genau diese Strukturen seit einiger Zeit durch eine Vielzahl von Kleinstkundgebungen auf, auf denen Walter zwar wiederholt als Redner aufgetreten konnte, die aber eine tatsächliche Mobilisierungsfähigkeit vermissen lassen und zuweilen tatsächlich wie ein letztes Aufgebot wirken.