Eine terroristische Vereinigung?

Die Entwicklung der Kameradschaft „Weisse Wölfe Terrorcrew“

Aktuell machen Mitglieder der „Weisse Wölfe Terrorcrew“ Schlagzeilen, da sie in Verdacht stehen, eine terroristische Vereinigung namens „Werwolf-Kommando“ gebildet zu haben. Im Juli 2013 wurden auf Veranlassung der Bundesanwaltschaft mehrere Wohnungen, Haftzellen und Geschäftsräume in Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden durchsucht.

Aktuell machen Mitglieder der „Weisse Wölfe Terrorcrew“ Schlagzeilen, da sie in Verdacht stehen, eine terroristische Vereinigung namens „Werwolf-Kommando“ gebildet zu haben. Im Juli 2013 wurden auf Veranlassung der Bundesanwaltschaft mehrere Wohnungen, Haftzellen und Geschäftsräume in Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden durchsucht. Denny Reitzenstein (Buchholz), Sebastien Nussbaumer (Schweiz) und Heiko Wöhler (Hamburg/Blowatz) sowie drei weiteren Neonazis wird die „Bildung einer terroristischen Vereinigung“ (§129 a) unter dem Namen Werwolf-Kommando vorgeworfen. Sie alle sind einschlägig bekannt. Nussbaumer war an diversen Angriffen und Überfällen beteiligt, wofür er 2012 wegen 44 Delikten zu 39 Monaten Haft verurteilt wurde. Dennoch war es ihm im Mai 2012 möglich, nachdem er aus bislang unbekannten Gründen auf einen Menschen geschossen hatte, mit einer geladenen Waffe aus der Schweiz nach Hamburg zu flüchten. Sein Ziel war es, nach Buchholz in die Nordheide zu gelangen, um dort vermutlich unterzutauchen. Bereits 2008 schmuggelte er eine Waffe mit Munition aus der Schweiz nach Hamburg, die 2009 bei Hausdurchsuchungen gegen Mitglieder der Weisse Wölfe Terrorcrew gefunden wurde. Wöhler ist bereits seit 2005 aktiver Neonazi und betrieb von 2007 bis 2009 den neonazistischen Versandhandel germaniashop. Reitzenstein ist seit 2007 in der Neonazi-Szene aktiv. Er absolvierte eine militärische Ausbildung bei der Bundeswehr. Alle drei – Reitzenstein, Nussbaumer und Wöhler – gehören der Weisse Wölfe Terrorcrew an, einer Kameradschaft, deren Ursprünge in Hamburg und im Umfeld der Naziband Weisse Wölfe zu finden sind.

Gründung und Basis

Die Weisse Wölfe Terrorcrew feierte 2008 im Hamburger Jacobi Park ihre Gründung. Für ein Gruppenfoto posierten sie in einheitlichen T-Shirts, deren Vorderseite mit einem Schlagring und dem Gruppennamen Weisse Wölfe Terrorcrew bedruckt war, die Rückseite zierte die Aufschrift „Unbelehrbar – C 18“. C18 ist die Abkürzung der Neonazi-Gruppe Combat 18, deren Mitglieder in den 1990er Jahren in Skandinavien und Großbritannien mehrere Anschläge verübten. Bei der Feier zeigten Mitglieder den „Hitlergruß“ und grölten rechte Parolen. Die Polizei beendete die Versammlung mit Ingewahrsam- und Festnahmen. Ein Jahr später fanden aufgrund der einheitlichen T-Shirts – die Polizei sah darin einen Verstoß gegen das Uniformierungsverbot – bundesweit Hausdurchsuchungen bei den Mitgliedern der Gruppe statt.

Ursprünglich bestand die Weisse Wölfe Terrorcrew überwiegend aus Nazi-Skinheads, die sich als Fans um die nordrhein-westfälische Naziband Weisse Wölfe (siehe LOTTA #13, S. 10-12) gruppierten. Die Band ist wegen ihrer Songtexte berüchtigt, ihre im Sommer 2002 veröffentlichte Debüt-CD „Weisse Wut“ wurde wegen Liedern wie „Ruhm und Ehre“ indiziert. In dem Song wird die Waffen-SS idealisiert: „Ihre Treue soll uns ein Vorbild sein bei unserm Handeln und Denken. Sieg Heil! […] im Kampf gegen die rote Gefahr machte selbst das Sterben einen Sinn. Ruhm und Ehre der Waffen SS, die besten Soldaten der Welt“. In „Unsere Antwort“ hetzen die Weissen Wölfe: „Und haben wir die alleinige Führung, dann weinen viele, doch nicht vor Rührung. Für unser Fest ist nichts zu teuer, 10.000 Juden für ein Freudenfeuer.“ Diese Band, die in ihren Texten faschistische und antisemitische Ideologien propagiert, den Nationalsozialismus glorifiziert und neonazistischen Aktionismus anpreist, ist ideologisches Vorbild der Weissen Wölfe Terrorcrew und repräsentiert die politische Ausrichtung der Gruppe.

Gruppenstruktur im Wandel

Die Weisse Wölfe Terrorcrew ist in Sektionen unterteilt. Bekannt ist unter anderem die Sektion Helvetia (Schweiz) um Sebastien Nussbaumer, die von Sandy Ludwig angeführte Sektion in der Region Wittstock/Dosse (Brandenburg) sowie die bedeutendste Sektion Hamburg unter Sebastian Rudow. Seit ihrer Entstehung 2008 hat sich die Weisse Wölfe Terrorcrew/Sektion Hamburg personell stark verändert, viele Gründungsmitglieder sind nicht mehr in der Öffentlichkeit präsent, neue Mitglieder sind hinzugekommen. Spezifisch für die Gruppe ist eine hohe Fluktuation an Personen und damit eine unbeständige Gruppenstruktur. Die Kameradschaft ist relativ heterogen in Bezug auf Alter und Erscheinung. Einige junge Mitglieder sind den „Autonomen Nationalisten“ zuzurechnen, andere den Nazi-Skinheads.

Die gegenwärtig aktivste Sektion Hamburg schloss sich Anfang 2011 mit dem Hamburger Nationalkollektiv, einer Gruppe um Denny Reitzenstein, unter dem Namen Weisse Wölfe Terrorcrew/Hamburger Nationalkollektiv zusammen. Aufgrund privater Konflikte zwischen Reitzenstein und Heiko Wöhler löste sich diese Vereinigung im September 2012 wieder auf. Reitzenstein versucht seitdem, die in Buchholz in der Nordheide agierende Kameradschaft AG Nordheide aufzubauen. Die Weisse Wölfe Terrorcrew in Hamburg blieb mit dem harten Kern um Sebastian Rudow, Nando Grosch, Timo Niemeier, Tim Müller, Mario Zitzlaff, Carsten Papenfuß und Sebastian Reisdorf bestehen. Heiko Wöhler zog im Winter 2012 von Hamburg nach Blowatz in Mecklenburg-Vorpommern.

Agitation und Anti-Antifa

Die Aktivitäten der Weisse Wölfe Terrorcrew umfassen Veröffentlichungen sowie die Verbreitung neonazistischer Propaganda in Form von Sprühaktionen sowie selbstgedrehten Videos im Internet. Hinzu kommen die gemeinschaftliche Teilnahme an zahlreichen Kundgebungen und Demonstrationen, vermehrt auch Einschüchterungsversuche und gezielte Angriffe auf Menschen, die nicht ihrer neonazistischen Ideologie entsprechen. Die Mitglieder der unterschiedlichen Sektionen treten auf Demonstrationen oder Veranstaltungen oft gemeinsam als Block formiert mit einem Gruppentransparent auf. Beispielhaft ist dafür die 1.-Mai-Demonstration in Hamburg 2008, bei der der Schweizer Sebastién Nussbaumer und Sandy Ludwig aus Wittstock/Dosse mit dem Hamburger Mitglied Sebastian Rudow auftraten.

Zu Beginn des Jahres 2011 wurde die Präsenz auf bundesweiten Demonstrationen forciert. 2012 nahmen Gruppenmitglieder unter anderem an Demonstrationen in Magdeburg, Dresden, Wittstock/Dosse, Bad Nenndorf und Koblenz teil. Am 1. September 2012 beteiligte sich die Gruppe mit einem Redebeitrag an einem „Nationalen Fußballtunier“ in Velten (Brandenbirg). Teil ihrer Organisationsstruktur ist es unter anderem, auf neonazistischen Veranstaltungen untereinander mit Funkgeräten zu kommunizieren. Damit stellen sie eine interne, eigenständige Struktur, die nicht in Verbindung mit der Ordnerstruktur vor Ort steht. Demonstrationen werden von ihnen fast immer dokumentiert, wobei zum einen die Inszenierung der eigenen Gruppe und zum anderen die „Anti-Antifa“-Arbeit im Fokus steht. In der Vergangenheit übernahm Denny Reitzenstein die Medienarbeit für die Gruppe, aktuell sieht sich Nando Grosch dafür verantwortlich, auf Demonstrationen Antifaschist_innen zu fotografieren und zu filmen. Zwischen 2010 und 2012 präsentierte die Gruppe eine eigene Internetseite, seit Januar 2013 agiert sie medial auf der Facebook-Seite „North Rules“.

Im Dezember 2011 organisierte die Weisse Wölfe Terrorcrew eine unangemeldete Demonstration im Stile der „Unsterblichen“, woraufhin es in Hamburg und Niedersachsen zu Hausdurchsuchungen in 17 Wohnungen kam. Unter anderem wurden die Wohnungen des Gründungsmitglieds Simon „Kachel“ Bartels und Heiko Wöhlers in Hamburg, sowie die von Tim Müller und Denny Reitzenstein in Buchholz durchsucht. Wöhler und Reitzenstein akzeptierten die Strafbefehle nicht und legten Widerspruch ein, wonach es folglich zu Gerichtsverhandlungen kommen wird. Ernstzunehmende Konsequenzen sind von staatlicher Seite allerdings nicht zu erwarten.

In den vergangenen Jahren gelang es der aktionistisch orientierten Weisse Wölfe Terrorcrew, das Machtvakuum aufzufüllen, das das jahrelang in Hamburg dominierende Aktionsbüro Nord um Tobias Thiessen, Christian Worch, Inge Nottelmann und Thomas Wulff hinterlassen hatte. Das eng an NPD-Strukturen angebundene Aktionsbüro verlor ebenso wie die NPD Hamburg die Vormachtstellung in der Kameradschaftsszene. Im Gegensatz zum ehemals führenden Aktionsbüro Nord schaffte es die Terrorcrew durch Aktionsformen im Stil der „Autonomen Nationalisten“, öffentliche Aufmerksamkeit zu erlangen und dadurch für die rechte Szene an Attraktivität zu gewinnen.

Gefährliche Kontinuität

Zu den Aktionen der Gruppe zählen nicht zuletzt gewalttätige Angriffe, die sich wie ein roter Faden durch die Gruppengeschichte ziehen. Zur Fußball-Europameisterschaft der Männer im Juni 2008 sangen Terrorcrew-Mitglieder öffentlich auf dem Steindamm in Hamburg St. Georg die erste Strophe der deutschen Nationalhymne, verbrannten eine türkische Nationalflagge und griffen aus rassistischen Motiven Menschen an. In der Silvesternacht 2009/10 attackierten einige Mitglieder aus gleichen Beweggründen eine Frau am Steindamm in Hamburg und schlugen ihr unter anderem gegen den Kopf. Nach dem „Nationalen Fußballtunier“ in Velten 2012 versammelten sich die Neonazis in der Berliner Nazi-Kneipe Zum Henker. Im Laufe des Abends jagten Maximilian Früchel und Heiko Wöhler einen jungen Mann durch Berlin. Ein paar Tage später war die Weisse Wölfe Terrorcrew bei einem NPD-Infostand in Hamburg-Bramfeld anwesend und übernahm Schutzaufgaben. Dabei verfolgten sie Antifaschist_innen und versuchten, diese anzugreifen. Im Juli 2012 überfielen Maximilian Früchel und Tim Müller am Hamburger Hauptbahnhof einen St. Pauli-Fan. Sie beschimpften ihn als „Scheiß Zecke“ , schlugen ihm mehrmals gegen den Kopf und verletzten ihn mit Pfefferspray. Müller wurde wegen der Tat zu einer Geldstrafe verurteilt. Das Gericht wertete den Angriff allerdings nicht als rechts motiviert. Der Neonazi Früchel ist dem Aktionsbündnis Lübeck/Stormarn zuzuordnen und galt als Verbindungsglied beider Gruppen. Aktuell sitzt Früchel aufgrund mehrerer Gewaltdelikte eine Haftstrafe in Schleswig ab. Die Weisse Wölfe Terrorcrew steht derzeit noch unter Verdacht, im Juni 2013 den antifaschistischen Treffpunkt Café Flop sowie aktive Antifaschist_innen in Hamburg-Bergedorf angegriffen zu haben.

Von der „Fangruppe“ zur Terrorzelle?

Einzelne Mitglieder einer anfänglich als „Saufgruppe“ wahrgenommenen Kameradschaft, die sich durch gemeinsame Konzertbesuche und Gewalttaten definierte, sollen nun nach Ansicht der Bundesanwaltschaft in einem internationalen Netzwerk agieren, das durch terroristische Akte die „Staatssicherheit“ in Gefahr bringen könnte. Allerdings fanden die Ermittlungsbehörden bei den Durchsuchungen weder konkrete Anschlagspläne noch Waffen oder Sprengstoff. Zu Festnahmen der Terrorverdächtigen kam es auch nicht. So sind Verurteilungen in diesem Verfahren kaum vorstellbar. Der Sturz des politischen Systems der BRD, ausgehend von dieser Gruppe, ist ohnehin realitätsfern. Das Potenzial und die Motivation, Menschenleben bewusst zu gefährden, ist jedoch vorhanden, was die zahlreichen Gewalttaten dokumentieren.

Unverständlich bleibt, warum die Hamburger Behörden einzelne Mitglieder in einem relativ aussichtslosen Verfahren unter Terrorverdacht stellen und nicht – wie in anderen Bundesländern geschehen – mittels ministerieller Verbotsverfügungen auf Grundlage des Vereinsgesetzes gegen die „Kameradschaft“ vorgehen. Angesichts systemimmanent versagender staatlicher Repressionsorgane sind antifaschistische Praxen notwendig, um neonazistische Kameradschaften wie die Weisse Wölfe Terrorcrew von ihrem Handeln sowie der weiteren Rekrutierung junger Mitstreiter_innen abzuhalten.

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