Zur braunen Verfügung
Örtlichkeiten in NRW, Rheinland-Pfalz und Hessen
Die folgenden Texte dokumentieren beispielhaft extrem rechte, dauerhaft oder temporär bestehende Frei-Räume in NRW, Rheinland-Pfalz und Hessen aus Vergangenheit und Gegenwart.
Hamm (NRW): „Zuchthaus“
Seit November 2012 mietet Tim Hauptführer, Mitglied der „Bruderschaft“ Fraternitas Germania eine ehemalige Gaststätte in einem Hinterhof am Kentroper Weg in Hamm. Zunächst traf sich im „Zuchthaus“ genannten Clubheim nur die Fraternitas Germania, die laut Eigenaussagen besonderen Wert auf „Bürderlichkeit, Respekt, Zusammenhalt, Treue und Vertrauen“ legt. Die Fraternitas Germania bezeichnete sich selbst als „unpolitisch“, allerdings stand ein Teil der Mitglieder in Kontakt zur Neonazi-Szene. Nachdem die Lokalzeitung über diese Verbindungen berichtete, wandten sich andere Mitglieder von der Gruppe ab. Die Verbliebenen vollzogen daraufhin den Schulterschluss mit den AktivistInnen der verbotenen Kameradschaft Hamm (KSH). Mittlerweile finden nicht nur gemeinsame Partys im „Zuchthaus“ statt, auch der Kreisverband Hamm von Die Rechte und die NPD Unna/Hamm nutzen die Räume.
Durch die Zusammenarbeit mit der „Bruderschaft“ kann die Hammer Neonazi-Szene den Verlust ihres „Nationalen Zentrums“ an der Werler Straße kompensieren, das der damalige KSH-Führer Sascha Krolzig 2012 anmietete. In der ehemaligen Gaststätte fanden ein halbes Jahr lang Feiern, Kameradschaftsabende und NPD-Veranstaltungen statt. Im Zuge des Verbotes der KSH im August 2012 wurden die Räume als Teil des „Vereinsbesitzes“ beschlagnahmt und ihre weitere Nutzung untersagt.
Dortmund (NRW): „Nationales Zentrum“
Mit dem Verbot des Nationalen Widerstands Dortmund (NWDO) im August 2012 verlor die Szene in Dortmund ihren überregional wichtigen Treffpunkt, das „Nationale Zentrum R135“ an der Rheinischen Straße. Seit Juli 2009 residierte die Kameradschaft an der Straße, welche die westliche Innenstadt mit dem von vielen Neonazis bewohnten Stadtteil Dorstfeld verbindet. In dem Quartier hatte in den Jahren 2002 bis 2004 bereits der Neonazi-Laden Buy or Die seinen Standort. Nach dessen Aus bezog einige Meter entfernt sein Nachfolger Donnerschlag ein Ladenlokal, das wiederum 2009 schließen musste. Die Behörden versuchten eine weitere Nutzung von Ladenlokalen durch die Szene zu verhindern. Dennoch gelang es Michael Brück 2009 die ehemaligen Räume des Buy or Die in der Hausnummer 135 anzumieten.
Dort entstand ein vielseitig genutztes „Nationales Zentrum“: Die Räume wurden als Lager, Büro sowie für Veranstaltungen und Feiern genutzt. Die wöchentlichen Kameradschaftsabende des NWDO fanden hier ebenso statt wie seit Oktober 2009 die monatlichen Veranstaltungen der NPD Unna/Hamm. Im Haus mieteten die Neonazis noch eine Wohnung an. Die Stadt Dortmund versuchte sich der Neonazis durch den Kauf des Gebäudes zu entledigen. Um den laufenden Mietvertrag frühzeitig zu beenden, verpflichtete sich die Stadt im Juli 2012, 10.000 Euro an Brück zu zahlen.
Nach dem NWDO-Verbot schufen sich die Neonazis schnell Ersatz. Dietrich Surmann kaufte ein Ladenlokal im Stadtteil Huckarde, das am 11. Oktober 2012 als Geschäftsstelle von Die Rechte eröffnet wurde. Zurzeit können die Räume an der Huckarder Straße 336 jedoch nicht genutzt werden, weil bei Renovierungsarbeiten eine tragende Wand eingerissen wurde und die Nutzung des Gebäudes bis auf weiteres untersagt ist.
Mettmann (NRW): „Lounge Deluxe“
Nach Erkenntnissen regionaler Antifa-Gruppen nutzt die Neonazi-Szene seit mindestens vier Jahren die Gaststätte Lounge Deluxe an der Elberfelder Straße in Mettmann. Am 5. Dezember 2009 wurde eine Veranstaltung der neonazistischen Gemeinschaft Deutscher Frauen (GDF) bekannt, die in der Lounge Deluxe einen „Tag der Generationen“ in „weihnachtlicher Umgebung“ durchführte. In der Gaststätte finden sowohl Kameradschaftsabende und Vortragsveranstaltungen als auch Mitgliederversammlungen und kleinere kulturelle Events statt, die sowohl von „Freien Kameradschaften“ bzw. ab 2012 der Partei Die Rechte als auch von der NPD organisiert werden. Inhaber ist Frank Krellner, der anfangs behauptete, nichts vom Charakter derartiger Veranstaltungen gewusst zu haben. Ab 2010/2011 häuften sich dort extrem rechte Veranstaltungen und es wurde bekannt, dass die NPD die Gaststätte seit längerer Zeit als regelmäßigen Treffpunkt nutzt. „Ich bin kein Nazi. Mir ist es egal, ob sich Rechte oder Linke bei mir treffen“, zitierte eine Lokalzeitung Krellner. Ein Engagement Krellners in der extremen Rechten ist nicht bekannt, dennoch scheint er bei ihm verkehrende Neonazis als „Freunde“ anzusehen. Als am 28. Juni 2011 zirka 50 Neonazis in der Mettmanner Innenstadt eine Solidaritätskundgebung für die Lounge Deluxe durchführten, hielt sich Krellner zwar etwas verschämt im Hintergrund, bedankte sich aber bei den Neonazis und ergriff kurz das Wort. Auf sein Lokal hat die Neonazi-Szene bis heute ungehinderten Zugriff.
Essen (NRW): NPD- Landesgeschäftsstelle
Noch bevor die nordrhein-westfälische NPD Ende Juni 2012 ihre über Jahrzehnte günstig angemietete Landeszentrale in Bochum-Wattenscheid verloren hatte, gelang es ihr, neue Räume in Form eines ehemaligen Firmengebäudes in einem Hinterhof in Essen-Kray zu organisieren. Formell ist die NPD nur Mieterin, Eigentümer des Objektes ist der in Münster ansässige Verein Bürgerbewegung Pro Münster e.V., den münsterländer NPD-Funktionsträger im Jahr 2007 als provokative Reaktion auf die Konkurrenz durch die Partei pro NRW gründeten. Im Fall eines NPD-Verbotes würde das Gebäude also nicht als NPD-Vermögen gelten und damit auch nicht beschlagnahmt werden. Nach anfänglichen Bemühungen der Essener Lokalpolitik, den Kauf rückgängig zu machen bzw. juristisch anzugreifen, scheint man sich zwischenzeitlich mit der Situation abgefunden zu haben. In der für Versammlungen von maximal 60 bis 70 Personen geeigneten Lokalität ist die von Claus Cremer geleitete Landesgeschäftsstelle der NPD NRW untergebracht. Auch der NPD-Kreisverband Essen nutzt die Räume.
Kirtorf (Hessen): Köhlers Anwesen
Zwölf Jahre lang – 1992 bis 2004 – verfügte die mittelhessische Neonazi-Szene mit dem Anwesen von Bertram Köhler über einen sicheren Veranstaltungsort in Kirtorf. Regelmäßig fanden dort auf dem Hof oder in der Scheune regionale wie überregionale Veranstaltungen, Treffen, Konzerte oder Feiern statt. Auch zur „Sturmkneipe“ der Kameradschaft Berserker Kirtorf wurde auf das Gelände geladen. Aus dem Dunstkreis der Kameradschaft gründete sich die Band Gegenschlag, ihr Manager war der Anführer der Berserker. Im März 2002 reisten zu einem Konzert der Band Kategorie C anlässlich des 20-jährigen Bestehens der Dortmunder Hooltruppe Borussenfront 600 BesucherInnen an. In Dortmund war die Feier bereits im Vorfeld unterbunden worden. Da einer der führenden Neonazis der Berserker Kirtorf am 20. April Geburtstag hat, konnten die anderenorts unterbundenen Feiern zum Hitler-Geburtstag hier meist durchgeführt werden. Erst im Herbst 2004 erfolgte ein Nutzungsverbot für den Veranstaltungsort, nachdem Medien über die Konzerte berichtet hatten und eine antifaschistische Demonstration angekündigt wurde. Bei einer Razzia auf dem Anwesen von Köhler wurden Waffen und NS-Propagandamaterial gefunden.
Büdingen-Orleshausen (Hessen): Landgasthof Schroth
In Hessen gibt es einige Gaststätten, die der NPD regelmäßig für ihre Veranstaltungen zur Verfügung stehen. Am häufigsten genutzt wird der Landgasthof Schroth in der Wetterau. Hier finden regelmäßig Vorstandsitzungen, Mitgliederversammlungen und Schulungen der NPD statt. Zuletzt fand dort eine Wahlkampfveranstaltung „Gemeinsam für politische Veränderung in Hessen“ statt.
Karben (Hessen): „Projektwerkstatt“
Seit Mai 2013 verfügt auch die „neurechte“ Szene in Hessen über einen Frei-Raum. In einem Wohnhaus in Karben besteht seitdem die sogenannte Projektwerkstatt. Sie soll als „Treffpunkt, Werkstatt und Plattform für politisch und gesellschaftlich Engagierte“ dienen. Die Räume befinden sich im Besitz des Vorsitzenden des Institut für Staatspolitik (IfS), Andreas Lichert. In dem gut einsehbaren Schaufenster findet sich Literatur aus dem Kopp-Verlag und vom IfS. Fand die Gründung noch in Zusammenarbeit mit der Identitären Bewegung Rhein-Main statt, so geht Lichert nun nach außen hin auf Distanz zu dieser.
Bechhofen (RLP): Grundstück des „Nationalen Widerstands Zweibrücken“
Die Kameradschaft Nationaler Widerstand Zweibrücken aus der Pfalz verfügt über ein eigenes Grundstück bei Bechhofen an der Grenze zwischen Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Das Grundstück ist im Besitz von Detlef Walk, einem Anführer der Gruppe. Auf dem Gelände fanden mehrfach Rechtsrock-Konzerte statt. Als am 13. August 2011 dort die Band Kategorie C auftrat, dürften es etwa 1.000 Besucher_innen gewesen sein, die auf der Wiese im Wald dem Konzert beiwohnten. Auch dient das Grundstück als Austragungsort für „Wikingerspiele“.
Herschberg/Pirmasens/ Ramstein (RLP): NPD-Objekte
Nachdem bei der Kommunalwahl 2009 die NPDler Sascha Wagner und Markus Walter in den Kreistag des Landkreises Südwestpfalz bzw. in den Stadtrat von Pirmasens einzogen waren, mietete Walter im kleinen Ort Herschberg ein ehemaliges Café an. In der“Haus der Demokratie“ genannten Räumlichkeit fanden in den Jahren 2010 bis 2012 zahlreiche NPD-Veranstaltungen statt. Dann unterband ein behördliches Verbot die weitere öffentliche Nutzung.
In Pirmasens untersagten die Behörden der Besitzerin eines Hauses, in diesem ein Rotlicht-Etablissement zu betreiben. Verärgert vermietete sie daraufhin das Gebäude an Markus Walter, der dort nun ein „NPD-Bürgerbüro“ betreibt.
Jüngst ist ein weiteres Objekt dazu gekommen: Am 13. September 2013 gab die NPD bekannt, dass sie in Ramstein (Landkreis Kaiserslautern) ein „Nationales Zentrum“ eröffnet habe. Die Räume einer ehemaligen Diskothek bieten laut NPD „vielfältige Nutzungsmöglichkeiten“, die man in Zukunft erschließen werde.
Mendig (RLP): „Ganghouse“
Seit Ende 2007 betreibt Patrick Lehmitz in der Osteifel ein kleines Ladengeschäft, wo er Bekleidung von Thor Steinar, Erik & Sons und Ansgar Aryan verkauft. Nachdem eine Antifa-Kampagne auf den Laden aufmerksam gemacht hatte, geriet Lehmitz vor Ort unter Druck. Mittlerweile bietet er sein Sortiment im Internet an, der Laden dient nur noch als „Abholstelle“. Neben Bekleidung rüstet Lehmitz die Szene auch mit Schlagstöcken und Handschuhen mit „Bleigranulat-Füllung“ aus.
Mainz-Gonsenheim (RLP): Gärtnerei des Ehepaars Müller
Das Gelände der von Curt und Ursel Müller betriebenen Gärtnerei diente immer wieder als regionale und überregionale Anlaufstelle und Veranstaltungsort für Treffen von bis zu mehreren hundert Neonazis. Seit den 1960er Jahren sind beide in der Neonazi-Szene aktiv und wohnen seit Jahrzehnten in Mainz-Gonsenheim. Auch die Neonazis vom späteren NSU waren bei den Müllers und lernten dort Neonazis aus der Region kennen.
Auf dem Gelände finden seit einem behördlichen Verbot im Jahr 1993 keine Großveranstaltungen mehr statt. Mit dem 83-jährigen Curt Müller ist aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr viel los, die 79-jährige Ursel Müller hingegen ist bis heute aktiv. So gab es erst im Mai 2013 eine Hausdurchsuchung wegen Fortführung der verbotenen Hilfsgemeinschaft für nationale politische Gefangene und deren Angehörige (HNG) in Gonsenheim.