Auf hohem Niveau reaktionär

Die Bonner Zeitschrift „Etappe“

Seit 1988 erscheint in Bonn die Zeitschrift „Etappe“. Das schwarze Heft im Buchformat mit dem Untertitel „Zeitschrift für Politik, Kultur und Wissenschaft“ kommt dabei optisch recht unscheinbar daher. Inhaltlich ist die „Etappe“ – benannt nach dem Versorgungsraum hinter der Front – aber starker Tobak.

Seit 1988 erscheint in Bonn die Zeitschrift „Etappe“. Das schwarze Heft im Buchformat mit dem Untertitel „Zeitschrift für Politik, Kultur und Wissenschaft“ kommt dabei optisch recht unscheinbar daher. Inhaltlich ist die „Etappe“ – benannt nach dem Versorgungsraum hinter der Front – aber starker Tobak.

Das Insider-Blatt findet nur in wenigen einschlägig rechten Publikationen, wie zum Beispiel der Jungen Freiheit, Erwähnung. Eine Außendarstellung scheint nicht erwünscht zu sein, Herausgeber, Autoren- und Leserschaft scheinen sich als elitäre, intellektuelle und zugleich avantgardistische Gemeinschaft innerhalb der extremen Rechten zu betrachten. Die Zeitschrift sieht sich „keiner Organisation und damit auch keinen Organisationszielen verpflichtet“, heißt es in einer Selbstdarstellung aus dem Jahr 1988. Politisch ausgerichtet ist die Etappe klar auf frühe Akteure der „Konservativen Revolution“, jene extrem rechte politische Strömung des frühen 20. Jahrhunderts, die einen großen Anteil an der Vorbereitung der Machtübertragung an die NSDAP im Jahr 1933 hatte. In der von Heinz-Theo Homann und Günter Maschke herausgegebenen Zeitschrift werden zum Beispiel der frühere NS-Staatsrechtler Carl Schmitt, der nationalistische Untergangsphilosoph Oswald Spengler, der schriftstellernde Mussolini-Fan Rudolf Borchardt und die Brüder Ernst Jünger und Friedrich Georg Jünger in zahlreichen Beiträgen geehrt. Maschke ist geradezu vernarrt in Carl Schmitt, einem entschiedenen Gegner demokratischer Wertvorstellungen, der die Diktatur und die Expansionspolitik der Nazis rechtfertigte. Andere Beiträge befassen sich mit Geopolitik, Metapolitik, dem Verlust der „Nationalen Identität“, der „primitiven Gleichmacherei“, der Entwicklung des Christentums sowie Kulturkritik von ganz rechts. Im O-Ton werden zum Beispiel Texte von Erich Ludendorff und dem Franzosen William Gueydan de Roussel abgedruckt. So de Roussels Aufsatz „Über den Ursprung der Wissenschaft vom Menschen und die Wandlungen des Rassebegriffs vom 16. bis 18. Jahrhundert“. De Roussel kollaborierte während der deutschen Besetzung Frankreichs mit den Nazis und arbeitete zeitweise für Rosenbergs Zeitschrift Weltkampf. Nach der Befreiung Frankreichs wurde er – in Abwesenheit – zum Tode verurteilt.

Literaturberichte und Rezensionen

Breiten Raum nehmen in der Etappe neben den Aufsätzen die Literaturberichte und die Rezensionen ein. Beworben werden zudem Veröffentlichungen der österreichischen Verlage Stocker und Karolinger, des Dietmar Fölbach Verlages, des San Casciano-Verlags, des Berlin Verlags, des Akademie Verlags, der Deutschen Richard-Wagner-Gesellschaft, der Gesellschaft zur Förderung der Stefan-George-Gedenkstätte und des Verlags Duncker&Humblot. Letzterer Verlag aus Berlin war schon während des NS-Regimes gut im Geschäft. Heute veröffentlichen dort unter anderem Akteure aus der extremen Rechten ihre Bücher. So beispielsweise Günter Maschke „Carl Schmitts Arbeiten aus den Jahren 1916-1969“. Beworben werden in der Etappe auch alte bis neue rechte Publikationen aus dem Ausland: Die Weisse Rose aus Österreich, Nouvelle École und Krisis aus Frankreich, TeKoS aus Belgien, Razón española aus Spanien, Telos aus den USA sowie Futuro Presente und `talia aus Italien. Im Kreise dieser Publikationen verortet sich die Etappe.

Die Herausgeber

Erschienen die ersten Ausgaben der Etappe noch in alleiniger Herausgeberschaft von Heinz-Theo Homann aus Bonn, stieg später Günter Maschke in das Zeitschriftenprojekt mit ein. Der Anstoß zu diesem Projekt, so eine Selbstdarstellung der Zeitschrift aus dem Jahr 1988, „kam von Personen, die den Kern der Zeitschrift ‘Phönix’ bildeten“. Diese erschien in Goslar, später erweiterte sich dieser Kreis „um Personen, die unterschiedlichen akademischen Disziplinen angehören und teilweise stark divergierende politische Biographien aufweisen“, heißt es dort. Der „Wagner-Verehrer“ und Theologe Homann schreibt in der 4. Etappe, dass er Ordensnovize gewesen sei und später dem Marxistischen Studentenbund angehört hätte, bevor er zum „rechten Rechten“ mutierte. Eine Zeitlang war Homann sogar für die Partei Die Republikaner aktiv. 1994 gab er mit Gerhard Quast das „Jahrbuch zur Konservativen Revolution“ im Verlag Anneliese Thomas heraus, für das Armin Mohler das Geleitwort schrieb. Quast war früher Chefredakteur der nationalrevolutionären Zeitschrift Wir Selbst. Später wurde er Redakteur der Jungen Freiheit.

Der 1943 geborene Günter Maschke war – nach eigenen Angaben – Kommunist und lebte zeitweise auf Kuba. Dann wandelte er sich zu einem der bekanntesten Publizisten in der extremen Rechten, wurde Mitautor der „Festschrift für David Irving“, unterzeichnete mit Horst Mahler und Reinhold Oberlercher die „Kanonische Erklärung“ – in der sie die Aufassung vertraten, dass die 68er-Bewegung „allein für das Recht eines jeden Volkes auf nationalrevolutionäre wie sozialrevolutionäre Selbstbefreiung“ eintrat – und referierte bei einschlägig rechten Gruppierungen.

Autoren

Die Autorenschaft der Etappe – es handelt sich fast ausschließlich um Männer – reicht von Akteuren der extremen Rechten bis weit ins konservative Lager. Unter ihnen befinden sich unter anderem der „neurechte“ Publizist Karlheinz Weißmann, der Junge Freiheit-Autor Claus-Martin Wolfschlag, der heutige Leiter der Berliner Bibliothek des Konservatismus, Wolfgang Fenske, der „neurechte“ Carl-Schmitt-Forscher Piet Tommissen aus Belgien, Axel Matthes vom Matthes&Seitz-Verlag, der Verleger Nils Aschenbeck und der katholisch-konservative Publizist Martin Mosebach. Auch der damalige Distriktobere der reaktionären Priesterbruderschaft St. Pius X, Franz Schmidberger, kommt in der Etappe in einem Interview zu Wort. Ebenso zu den Autoren der Zeitschrift gehörte Peter Krause. Der Thüringer CDU-Landtagsabgeordnete wäre 2008 beinahe Kultusminister des Landes geworden. Nachdem aber öffentlich bekannt wurde, für welche rechten Publikationen Krause so alles geschrieben hatte, verzichtete er auf den begehrten Posten. Zu den Autoren der ersten Ausgaben der Etappe gehörte auch ein weiterer CDU-Politiker: Karl-Eckhard Hahn. Dieser hatte schon in den 1980er Jahren für den Phönix geschrieben, den Vorläufer der Bonner Zeitschrift, die gleichfalls in der Tradition der „Konservativen Revolution“ stand. Zudem betätigte er sich für die völkisch geprägte Deutsche Gildenschaft. Am 1. Juli 2013 wurde Hahn in Thüringen zum Sprecher der CDU-SPD-Landesregierung ernannt. Nachdem Hahns Vergangenheit bekannt wurde, distanzierte er sich letztlich von seinen damaligen Aktivitäten und erklärte, seine Mitgliedschaft bei der Deutschen Gildenschaft ruhen lassen zu wollen. Nun wartet die Landesregierung in Thüringen auf ein Gutachten der Innenministerkonferenz über Hahns außerparlamentarische Aktivitäten. Die Fälle Krause und Hahn zeigen einmal mehr, dass die extreme Rechte und ihre Ideologen in dieser Gesellschaft nicht isoliert agieren, sondern ihre Verbindungen bis weit in die Mitte der Gesellschaft reichen. Manchmal sogar bis in die Regierungsspitzen.

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