Reaktionäre Umtriebe in Biblis
Die „Freie Liste Biblis“ und ihre Nähe zur NPD
„Biblis hat Zukunft, weil es hier die hübschesten Mädchen gibt!“ Dieser Satz des Vorsitzenden der „Freien Liste Biblis“ (FLB), Hans-Peter Fischer, klingt zunächst wie ein schlechter Herrenwitz, passt aber zu einem völkischen Repertoire, das er seit langem im hessischen Hinterland und der sächsischen Provinz vertritt. Seit 2003 sitzt Fischer für die FLB als Fraktionsvorsitzender in der Bibliser Gemeindevertretung. Bei der Bürgermeisterwahl am 22. September erhielt er 24,7 Prozent der Stimmen.
Schon in den 1990er Jahren fungierte der 65-jährige Hans-Peter Fischer als Kreisvorsitzender der Republikaner (REP) an der Bergstraße. Für die REP saß er auch seit 1993 als Abgeordneter in der Gemeindevertretung der Stadt Biblis. In einem Interview in der NPD-Parteizeitung Deutsche Stimme plädierte er 1999 offen für eine Zusammenarbeit mit der NPD, sie sei „nicht nur sinnvoll, sondern überlebenswichtig für alle nationalen und demokratischen Kräfte aus dem sogenannten rechten Lager“. Es dürfte kein Zufall sein, dass noch 1999 ein Konzert mit dem neonazistischen Liedermacher Frank Rennicke in Biblis stattfand, das von der Republikanischen Jugend organisiert wurde. Eben wegen Fischers Avancen und Verbindungen zur NPD kam es letztendlich zum Bruch mit den REP. Daraufhin gründete Fischer im Jahre 2001 die rechte Wahlliste Freie Liste Biblis. Die Liste erhielt auf Anhieb 6 Prozent der Stimmen und zwei Sitze in der Gemeindevertretung. Bei den Wahlen 2006 und 2011 konnte sie das Ergebnis noch steigern und verfügt nun mit 22,7 Prozent der Wähler*innenstimmen über fünf Mandate.
„Bürgerbriefe“
Auf der Webseite der FLB befinden sich immer wieder von anderen Seiten – beispielsweise auch pi-news – kopierte Artikel, die mit Überschriften wie „FAS: Asylbewerber sind nutzlos“ rassistische Hetze verbreiten. Kommunalpolitische Bezüge zur Gemeinde Biblis sind dabei nicht vorhanden. Zudem lässt die FLB einen „Bürgerbrief“ verbreiten. Zum Inhalt gehören beleidigende Darstellungen von Kommunalpolitiker*innen und der FLB missliebiger Bürger*innen, die Verwendung von Begriffen wie „Blockparteien“ oder das Lamentieren über die negative Darstellung Fischers in den Medien. Auch mit gelegentlichen Zitaten der extremen Rechten wie „Ein Volk ist nur so viel wert, wie es seine Toten ehrt“, versucht die FLB für sich und ihren Vorsitzenden Hans-Peter Fischer zu werben. Die meist vierseitige Publikation wird laut eigenen Angaben in einer Auflage von 4.000 in der Gemeinde Biblis, die lediglich rund 9.000 Einwohner*innen zählt, verteilt. Damit stellt sie eine nicht zu unterschätzende Beeinflussung der öffentlichen Meinung innerhalb der Gemeinde dar.
„Neisseblick“
Zu Fischers Besitz gehören zwei Hotels: das Route 44 in Biblis und das Hotel Neisseblick in Ostritz (Sachsen). An letzterem zeigt sich seine Nähe zur NPD besonders deutlich: Schon 1997 beherbergte Fischer dort die „Mitteldeutschen Vortragstage“, unter anderem mit prominenten Neonazis wie Jürgen Rieger und Frank Rennicke. Zuletzt fand im Januar 2012 der Landesparteitag der NPD Sachsen in Fischers Hotel statt. Als Fischer im April 2012 eine Kundgebung vor seinem Hotel in Ostritz abhielt, traten nach ihm mehrere NPD-Politiker*innen wie beispielsweise Arne Schimmer an das Mikrofon. Anlass für die Kundgebung war, dass er – so Fischer – nach dem Hochwasser 2010 keine Hilfe vom Land erhalten habe. Daher schmückte auch ein Plakat mit der Aufschrift „Keine Hilfe für uns Hochwasseropfer, Milliarden für Griechenland“ den Lautsprecherwagen. Fischer ließ außerdem sein Hotel, das sich direkt an der polnischen Grenze befindet, mit Stacheldraht „absichern“. Dazu stellte er Banner auf mit Parolen wie „Einbrüche am laufenden Band und keine Hilfe“, um auf sein angebliches Problem mit „Grenzkriminalität“ hinzuweisen.
Umgang
Über Hans-Peter Fischers Verbindungen zur NPD wurde die Öffentlichkeit erst 2012 durch ein Flugblatt eines engagierten Bibliser Bürgers informiert. Dies mündete in einer letztendlich erfolglosen Klage von Fischer gegen besagten Bürger wegen Verleumdung. Stattdessen wurde Fischer 2013 wegen Beleidigung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, da er den Bibliser Bürger als „Möchtegerngoebbels“ tituliert und ihn bildlich als Hund dargestellt hatte.
Seither hat sich einiges in der Gemeinde Biblis getan. Zwar hatten antifaschistische Gruppen schon seit längerer Zeit extrem rechte Umtriebe um die Nationalen Sozialisten Ried und auch die FLB im Blick (vgl. LOTTA #48, S. 32 und #52, S. 29), aber insbesondere die FLB und ihre Funktion als Bindeglied ins bürgerliche Milieu erhielt nicht die Aufmerksamkeit, die sie verdient hätte. Seitens der Gemeinde wird das Problem nun aber so langsam anerkannt, im April wurde zu einer Informationsveranstaltung mit dem Titel „Rechtsextremismus im ländlichen Raum“ eingeladen. Dem Vortrag wohnten mehrere regionale Neonazis bei, die sich auch rege an der anschließenden Diskussion beteiligten. Während des gesamten Abends saßen sie in einer Reihe mit Hans-Peter Fischer.
Das Gemeindeparlament verabschiedete jüngst auch mit den Stimmen von CDU und SPD eine „Resolution gegen Rechts“. Diese bezog sich zunächst explizit nur auf das vorhandene Problem mit „Rechtsextremismus“, wurde dann jedoch um „andere Extremismen“ erweitert. Die FLB spricht in ihrem „Bürgerbrief“ von der „Herbeiredung“ einer rechten Gefahr und sieht ihren Vorsitzenden Fischer als Opfer einer Verschwörung.
„...ein Stück FLB“
Vorläufiger Höhepunkt der öffentlichen Auseinandersetzung mit der FLB war eine Demonstration gegen rechte Strukturen am 14. September 2013 in Biblis, an der sich rund 150 Menschen beteiligten. Die Demo fand im Vorfeld der am 22. September zeitgleich zu Landtags- und Bundestagswahl terminierten Bibliser Bürgermeisterwahl statt. Trotz der zahlreichen Informationen über seine Verbindungen zur extremen Rechten lag Fischer mit 24,7 Prozent (1.224) der Stimmen dann nur knapp hinter dem SPD-Kandidaten Ewald Gleich. Zur folgenden Stichwahl zwischen Felix Kusicka (CDU) und Gleich rief die FLB zur Unterstützung des SPD-Kandidaten auf: „Wer Gleich wählt, wählt auch ein Stück FLB“.
Grund dafür dürfte nicht nur die besondere Feindschaft zwischen FLB und CDU sein, vermutlich war es auch der Dank für die vorherige Solidaritätsbekundung Gleichs mit Fischer. Fischer hatte behauptet, Opfer eines versuchten Anschlages geworden zu sein, an einem Firmenfahrzeug seien von Unbekannten die Schrauben gelockert worden. Diese unbewiesene Tat wurde von Gleich mit einem Leserbrief aufgegriffen. Als dieser nicht abgedruckt wurde, schickte er ihn an Fischer, der ihn dann in seinem „Bürgerbrief“ veröffentlichte. Trotz der Unterstützung durch die FLB unterlag Gleich in der Stichwahl.
Auch wenn sich in der Bibliser Öffentlichkeit im letzten Jahr einiges bewegt hat, bleibt die breite Akzeptanz einer Partei mit solch offensichtlichen Verbindungen zur extremen Rechten, die sich in den Wahlergebnissen zeigt, besorgniserregend – und eine kontinuierliche antifaschistische Begleitung der weiteren Entwicklung unabdingbar.