Kapuzis sind keine Uniform

Das Uniformierungsverbot unter der Lupe

Das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) sprach einen der Teilnehmer einer linken Demo in letzter Instanz frei, der an einem sogenannten „schwarzen Block“ beteiligt gewesen sein soll. Zuvor hatte das Landgericht Karlsruhe (LG) ihn mit der Begründung verurteilt, dass dunkle Kleidung gegen das Uniformierungsverbot verstoßen würde.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) sprach einen der Teilnehmer einer linken Demo in letzter Instanz frei, der an einem sogenannten „schwarzen Block“ beteiligt gewesen sein soll. Zuvor hatte das Landgericht Karlsruhe (LG) ihn mit der Begründung verurteilt, dass dunkle Kleidung gegen das Uniformierungsverbot verstoßen würde.

Seine Wurzeln hat das Uniformierungsverbot in der Weimarer Republik und zielte eher auf die extreme Rechte, insbesondere Aufmärsche der SA ab. Dabei ging der Gesetzgeber davon aus, dass Menschen, die uniformiert in der Öffentlichkeit auftreten und damit ihre Mitgliedschaft zu paramilitärischen Organisationen deutlich machen, gegenüber Dritten ihre Gewaltbereitschaft signalisieren und auf diese einschüchternd wirken. Bezeichnenderweise wurde das erste Uniformierungsverbot, das erst 1930 in Bayern in Kraft trat, 1932 von Reichspräsident von Hindenburg aufgehoben.

„Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung“

In dem für NRW maßgeblichen Versammlungsgesetz (VersG) findet sich das Uniformierungsverbot in Paragraph 3. Dessen Absatz 1 verbietet es, „öffentlich oder in einer Versammlung Uniformen, Uniformteile oder gleichartige Kleidungsstücke als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung zu tragen“. Absatz 2 enthält eine Ausnahmeregelung für Pfadfinder und ähnliche Organisationen. § 28 VersG bestimmt, dass Verstöße gegen des Uniformierungsverbot mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe bestraft werden.

Obwohl das Uniformierungsverbot heute im Versammlungsgesetz zu finden ist, handelt es sich nur bedingt um eine Norm des Versammlungsrechts. Dies zeigt bereits der Wortlaut „öffentlich oder(!) in Versammlungen“. Das öffentliche Tragen von Uniformen „als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung“ ist eben nicht nur bei Versammlungen verboten, sondern generell. Auch spielt der Charakter einer Versammlung für das Verbot keine Rolle. Es gilt also gleichermaßen für öffentliche wie für nichtöffentliche Versammlungen, für solche unter freiem Himmel wie für solche in geschlossenen Räumen.

Der Tatbestand

Relativ unproblematisch ist die Vorschrift, soweit sie das Tragen von Uniformen oder Teilen von Uniformen verbietet. Der Gesetzgeber hatte dabei insbesondere Uniformen von SA und SS im Kopf. Das Problem liegt in der dritten Tatvariante, die auch das Tragen „gleich­artiger Kleidungsstücke“ verbietet. Denn dieser Wortlaut lässt Raum für Interpretationen. So wurde auch schon gegen Gewerkschaftsmitglieder ermittelt, die mit einheitlichen Streikwesten demonstriert hatten. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren von sich aus ein, ohne überhaupt erst Anklage zu erheben. Die dünnen Plastikwesten stellen nämlich keine Kleidungsstücke dar und unterliegen damit nicht dem Uniformierungsverbot.

Um zu verstehen, was der Gesetzgeber mit „gleichartigen Kleidungsstücken“ meint, ist wiederum ein Blick in die Geschichte erforderlich. So alt wie das Verbot selbst, sind auch die Versuche, es zu umgehen. Wer seine Nähe zur SA bekunden möchte, ohne dabei eine Uniform der SA zu tragen, mag eine Kombination aus braunem Hemd und schwarzer Hose, Jacke und Stiefeln tragen. Tritt eine Gruppe so auf, wird die Botschaft auch ohne echte Uniform deutlich. Dem wollte der Gesetzgeber mit der Vorschrift einen Riegel vorschieben. Auch in dieser Variante zielt die Norm also primär auf die extreme Rechte ab.

Dass diese Variante des Uniformierungsverbots als ein Umgehungsverbot verstanden werden muss, hat auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in einem Beschluss im Jahre 1982 festgestellt, in dem es heißt: „Das Tragen speziell von Uniformen als Ausdruck politischer Gesinnung ist aber – wie historische Erfahrungen bestätigen – geeignet, nicht nur die Außenwirkung kollektiver Äußerungen zu verstärken, sondern darüber hinaus suggestiv-militante Effekte in Richtung auf einschüchternde uniforme Militanz auszulösen. Wegen der damit verbundenen Beeinträchtigung des freien Meinungskampfes ist der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht gehindert, die Meinungsäußerungsform des öffentlichen Uniformtragens schon in den Ansätzen und auch in ihren Umgehungsformen zu unterbinden. Zu solchen Umgehungsformen gehört insbesondere das Tragen solcher (ziviler) Kleidungsstücke, die im Wesentlichen einheitlich aussehen und erkennbare Bezüge zur uniformen Bekleidung historisch bekannter militanter Gruppierungen aufweisen.“

Vereinfacht ausgedrückt, geht es nach dem Verständnis des höchsten deutschen Gerichts also darum, dass das Verbot, eine politische Gesinnung durch das Tragen einer historischen Uniform zum Ausdruck zu bringen, nicht umgangen werden können soll, indem man eine einheitliche zivile Kleidung trägt, die dieser Uniform ähnlich sieht. Hieraus wird deutlich, dass „Kapuzis“ diesem Verbot nicht unterfallen können. Eine militante Gruppierung, deren Uniform aus schwarzen Kapuzis bestand oder solchen zumindest ähnlich war, gab und gibt es nicht.

Das LG meinte jedoch, dass dieses Verständnis des Verbots zu eng gefasst sei. Auch Kleidung, die keiner historischen Uniform ähnlich sehe, könne eine sogenannte „suggestiv-militante Wirkung“ entfalten und dadurch Dritten gegenüber Gewaltbereitschaft signalisieren und einschüchternd wirken. Dies gelte insbesondere auch für die sogenannten „schwarzen Blöcke“, wie sie heutzutage sowohl auf rechten als auch auf linken Demos zu finden seien. Folgerichtig kam es mehrfach zu Verurteilungen von Menschen, die mit solchen Kleidungsstücken an Demos teilgenommen haben sollen. Das OLG hingegen hat nunmehr unter Bezugnahme auf den genannten Beschluss des BVerfG klargestellt, dass die Entscheidung des LG mit den darin skizzierten verfassungsrechtlichen Erfordernissen nicht zu vereinbaren ist.

Ausblick

Rechtspolitisch ist das Ergebnis des OLG durchaus umstritten. Einige PolitikerInnen teilen die Einschätzung des LG und fordern eine Verschärfung des Uniformierungsverbots. Das Versammlungsgesetz des Bundes, wie es in NRW noch gilt, ist ein Auslaufmodell. Mehrere Bundesländer haben es bereits durch eigene Versammlungsgesetze ersetzt. Dort, wo das geschehen ist, ergibt sich ein eher ambivalentes Bild. Vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlich geforderten einschränkenden Auslegung des Uniformierungsverbots haben sich manche Länder eher für eine liberalere Ausgestaltung entschieden. Das bayerische Versammlungsgesetz hingegen ist so formuliert, dass auch „schwarze Blöcke“ erfasst sein sollen. Andererseits ist der Verstoß in Bayern keine Straftat mehr, sondern „nur noch“ eine Ordnungswidrigkeit und ggf. darüber hinaus auch ein Anlass für die Polizei, versammlungsrechtliche Maßnahmen wie zum Beispiel die Auflösung der Versammlung zu veranlassen.

Für NRW liegt noch kein Entwurf für ein Versammlungsgesetz vor. Bedenkt man aber, dass NRW traditionell zu den liberaleren Bundesländern gehört, mag man derzeit vielleicht verhalten optimistisch annehmen, dass mit einer entsprechenden Verschärfung des Versammlungsrechts zumindest in NRW derzeit nicht gerechnet werden muss.

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