Love football – Hate sexism

Sexismus und Antisexismus im deutschen Männer-Fußball

Das Fußballstadion gilt bis heute als eine der letzten männlichen Bastionen. Die assoziative Verbindung von Fußball und Männlichkeit ist tief im gesellschaftlichen Bewusstsein verankert. Dabei ist es nicht nur der gesellschaftliche Blick auf den Fußball, der Frauen die gleich­berechtigte Teilhabe an Fußball-Fankulturen erschwert.

Das Fußballstadion gilt bis heute als eine der letzten männlichen Bastionen. Die assoziative Verbindung von Fußball und Männlichkeit ist tief im gesellschaftlichen Bewusstsein verankert. Dabei ist es nicht nur der gesellschaftliche Blick auf den Fußball, der Frauen die gleich­berechtigte Teilhabe an Fußball-Fankulturen erschwert.

„Das Bild vom männlichen Fußballfan ist tief verwurzelt und die Fans tun oftmals alles, um das Klischee vom sexistischen, saufenden und prolligen Fußballfan zu erfüllen. (...) Viele Männer nutzen den Fußball, um spätpubertäre Phantasien auszuleben und ein überholtes Männlichkeitsbild zu pflegen. (...) Frauen werden in dieser Welt höchstens als störende Anhängsel oder Sexobjekt (‚zieh dich aus kleine Maus...’) akzep­tiert.“, so die Ultras der Schickeria Mün­chen. Weite Teile der organisierten Fan­szene inszenieren Fußball-Fankulturen als Räume, wo Männer unter sich sind – nicht zuletzt, um Formen tradierter Männlichkeit zu leben, die an anderen Orten gesellschaftlich sanktioniert ist. Die Männlichkeit jener Fankultur(en) basiert dabei auf dem Ausschluss klassischer Weiblichkeit (und männ­licher Homosexualität) und stellt sich somit nicht selten offen sexistisch dar.

Das Bild des ‘echten Fans’

Der offensichtlichen Anwesenheit von Frauen im Stadion widerspricht das weitläufige Bild des Fußballfans. Fußball-Fankulturen sind durch traditionell-männliche Ideale der (kör­per­lichen) Stärke, der Standhaftigkeit und der Durchsetzungskraft im Wett­bewerb geprägt; ritterliche Ideale von Kampf, bedingungslosem Einsatz, Treue, Kameradschaft und Aufopferung finden sich im Bild des ‘echten Fans’ wieder. Eben jenes Bild des ‘echten Fans’ dient zur Abgrenzung gegenüber Frauen und Weiblichkeit im Stadion.

Männer des Fanclubs Erfurt-Süd 1998 stilisierten sich im vergangenen Jahr auf einem Aufkleber als „Frauenfeinde Süd gegen Kurvenschlampen“: Auf dem Aufkleber ist eine im Stil japanischer Mangas gezeichnete Frau zu sehen, die – in rosafarbene Reizwäsche gekleidet – lasziv die Beine in Richtung Betrachter_in spreizt. In einer Twitter-Diskussion zum Thema kommentiert ein Nutzer dies mit den Worten: „Mich nerven Typen, die ihre Freundin als Accessoire irgendwohin (ins Stadion) mitbringen. Und eben auch diese Frauen.“ Anders als bei Männern wird die Anwesenheit von Frauen nicht über das Interesse am Fußball erklärt. Viel mehr sehen sich Frauen mit der Vorannahme konfrontiert, sie gingen nur wegen der Männer ins Stadion: als Begleitung eines männlichen Fans – die ihn nicht selten davon abhält, ungehemmt sein Team zu unterstützen, als Groupie männlicher Fußballspieler oder aber als „Kurvenschlampe“, die (männlich-heterosexuell gedachte) Fans vom eigentlichen Spiel ablenkt.

Unterstrichen wird dies in Selbst- und Fremdinszenierungen von Fans, in denen sich Frauen nur selten als selbstverständlicher Teil von Fankul­turen wiederfinden und in der Regel als „Störenfrieda“ gelten. So druckt die Sonderausgabe des Fußballfanmagazins 11Freunde zur „Geschichte des Fuß­ball­fans“ von 2012 in zeichnerischer Form festgehalten die „gängigsten Fangesten und ihre wahre Bedeutung“ ab: Die Zeichnungen bilden u.a. Fußballfans in schreiender, trauernder oder beglückter Pose ab. Dabei ist die jeweilige Figur immer allein abgebildet; teilweise oberkörperfrei und ausladend gestiku­lie­rend ist sie eindeutig als männlicher Fan zu erkennen. In nur einer Zeichnung erscheint eine weiblich-gezeichnete Figur: als Begleiterin des (männlichen) ‚echten Fans’ schmiegt sie sich eng an ihn. Gezeichnete Mimik und Gestik sagen dabei viel über beide Figuren aus: Sie schmiegt sich verträumt an ihn, er hält sie mit einer Hand fest und zeigt mit dem anderen Arm vermutlich in Richtung Kamera. Er ist nicht halb entkleidet oder von Regungen ergriffen wie in den vorhergehenden Zeich­nungen, sondern ‚Herr seiner selbst’ und Beschützer seiner Begleiterin. All seine Aufmerksamkeit gilt in diesem Moment nicht wie zuvor dem Spiel, sondern der Frau sowie den Fernsehkameras. Aus der Haltung der beiden sowie dem Ausspruch „Wir sind im Fernsehen!“ spricht all jenes, was ein ‚echter Fan’ idealerweise nicht zu sein hat: Zunächst einmal ist er nicht weiblich. Ebenso nimmt der ‚echte’ (männliche) Fan seine weibliche Begleitung bezeichnender­weise nicht wie in dem Bild gezeichnet mit ins Stadion. Im selben Zuge, wie ihr Unkenntnis und Desinteresse an Fußball unterstellt wird, ist sie für ihn lediglich Ballast, der ihn vom Verfolgen des Spiels und dem gesamten Drumherum abhält.

Mädchen undFrauen im Stadion

Im Gegensatz dazu sind Wege von Mädchen und Frauen ins Stadion sowie ihr Engagement in Fußball-Fankulturen vielfältig. Allen gemeinsam ist jedoch die Erfahrung, einen Umgang mit der „männlichen Grammatik“ (Sülzle 2011) des Männerfußballs finden zu müssen – sich also mit Erwartungen daran auseinanderzusetzen, wie ‚echte Fans’ sind und wie in Abgrenzung dazu jene Frauen sind, die auf den Rängen nicht gern gesehen sind. Das heißt, dass Frauen der Zugang zum Stadion nicht völlig verstellt ist. Die Anerkennung als ‚echter Fan’ setzt für Frauen zunächst die Abgrenzung von allem ‚typisch Weiblichen’ voraus. Weibliche Fans berichten von Strategien, das eigene Geschlecht möglichst unsichtbar zu machen, etwa durch wenig feminine Kleidung oder durch betont maskulines Auftreten.

Dies sorgt bei Teilen der weiblichen Fanszene für Unmut, den sie in den letzten Jahren vermehrt öffentlich artikulieren: „Muss ich mich wirklich verkleiden und auch den letzten Funken Weiblichkeit ablegen, nur um auch etwas Anerkennung für mein Tun zu bekommen?!”, kommentieren die Frau­en des weiblichen Fanclubs Senorithas Jena empört. In ihrem Papier „If I were a boy“ heißt es außerdem: „Wenn ich ein Junge wäre, dann würde ich anziehen, was ich will, mit meinen Freunden Bier trinken gehen und dann zum Stadion fahren. Ich würde mir das Spiel angucken und schreien, bis ich keine Stimme mehr habe. Ich würde meinen Emotionen freien Lauf lassen und auch schimpfen, wenn mir etwas nicht passt. Wenn ich ein Junge wäre, würde ich mich anlegen mit wem ich will, würde 90 Minuten lang alles geben und dann den Abend in der Kneipe ausklingen lassen – aber ich bin nun mal kein Junge.“ Deutlich verweisen sie auf die ungleichen Erwartungen an männliche und weibliche Fans und geben sich nicht zufrieden mit dem Status quo der unsichtbaren weiblichen Fans: Zunehmend machen weibliche Fan­gruppen in selbstbewussten Insze­nie­rungen die Vielfalt unterschiedlicher Frauen im Stadion sichtbar und deut­lich.

Dies alles ist in einem ge­samt­ge­sel­l­schaftlichen Kontext zu betrachten: Mädchen und Frauen sind im Stadion keineswegs mit einer Geschlechterord­nung und deren Normen konfrontiert, wie sie in anderen gesellschaftlichen Sphären unbekannt wären. Fußball findet nicht im luftleeren Raum statt und erfindet die Geschlechter nicht neu. Gesellschaftliche Geschlechternormen werden in Fußball-Fankulturen lediglich fester gezogen als in anderen ge­sellschaftlichen Sphären. Eine „Arena der Männlichkeit“ eben, denn „der Fußball und speziell das Stadion sind durchaus Orte mit eigenen Regeln, auch was das Geschlechterverhältnis betrifft. Hier werden Geschlechtergrenzen nach wie vor enger gezogen als in der umgebenen Gesellschaft.“ (Kreisky/ Spitaler 2006: 9). Dies hält Mädchen und Frauen nicht davon ab, aktiver Part organisierter Fankulturen zu werden. Ganz im Gegenteil: nicht selten wird darauf verwiesen, dass gerade junge Frauen das Stadion zuweilen als Ort empfinden, in dem sie gängigen Erwartungen daran, wie eine Frau zu sein hat, entkommen können. Es ist gerade die Männlichkeit der Fankurve, die es Mädchen und Frauen ermöglicht, mit gängigen Geschlechternormen zu brechen und zu tun, „was sonst eher als männlich gilt: schreien, hart sein und alles, was zickig, rosa, zimperlich und schwach ist rundweg ablehnen“ (Selmer/Sülzle 2006: 125f.). Das nach wie vor wirkmächtige Klischee der weiblichen Stadionbesucherin als Begleiterin eines männlichen Fans dient den meisten Frauen im Stadion dabei als Folie der Projektion und zugleich der Abgrenzung.

Antisexismus auf den Rängen?

Der weitgehend größte Teil weiblicher Fans in den Kurven der Stadien fordert für sich eine selbstverständliche Teilhabe an der nach wie vor männlich dominierten Fankultur ein, ohne sich selbst als Frau – und damit als das Besondere in der männlich-dominierten Kurve – herausheben zu wollen. Dem steht ein offen konfrontativer Umgang v.a. junger Frauen (und pro­fe­mi­nis­tischer Männer) entgegen, die Fußball als Raum für alle begreifen und sich klar antisexistisch positionieren. Mit eigenen (Frauen-)Fanclubs und in antisexis­ti­schen Choreografien im Stadion po­si­tio­nieren sie sich gegen den Malestream auf den Rängen.

Dass dies von Teilen der Fanszene als unwillkommene Politisierung der Fan­kurve aufgenommen und kritisiert wird, liegt nahe. Fußball und Politik – ein Begriffspaar, das vom Gros der Fans kritisch bis ablehnend beäugt wird. Doch Fußball findet nicht abseits von Gesellschaft statt und ist damit alles andere als unpolitisch. Er lässt sich auch weitergehend als Mikrokosmos gesamt­gesellschaftlicher Machtver­hältnisse beschreiben. In diesem Sinne können Phänomene wie Sexismus oder Homo­phobie in Fußball-Fankulturen letztlich als stilisierte Varianten eines ge­samt­ge­sellschaftlich ungleichen Geschlechter­ver­hältnisses verstanden werden. Und somit eröffnen sich in Fußball-Fan­kul­turen auch Möglichkeiten des Engagements gegen Sexismus. So schreibt die gemischtgeschlechtliche Schickeria München: „Wir sehen unsere Gruppe (...) auch als einen Versuch an, Dinge die in der Gesellschaft schief laufen in unserem Mikrokosmos Gruppe besser zu machen. Die Frage, ob jemand ein ‘guter’ Ultrà ist, ist für uns keine Frage des Geschlechtes, sondern des Engagements und der Persönlichkeit. Deswegen haben wir als Gruppe den Anspruch und das Ziel, jede Form von Diskriminierung – auch die von Frauen – abzubauen. Gleichzeitig wollen wir auch das typische Bild vom männlichen Fußballfan aus den Köpfen entfernen! Fußball ist auch Frauensache!“

Die deutlichen Positionierungen von Fans bezeugen zum einen, dass diskriminierende Strukturen dem Fußball nicht immanent und somit veränderbar sind. Sie widersprechen zugleich einem exotisierenden Blick auf Fußballstadien und –fans als un­zivilisierte Ansammlung von Hypermas­ku­linität und Frauenverachtung, derer sich die Gesamtgesellschaft entledigt hätte.

Literatur

Hagel, Antje / Selmer, Nicole / Sülzle, Almut: gender kicks: Texte zu Fussball und Geschlecht. Frankfurt a.M., 2005.

Sülzle, Almut (2011): Fußball, Frauen, Männlichkeiten. Ein ethnographische Untersuchung im Fanblock. Frankfurt/ New York.

Kreisky, Eva / Spitaler, Georg (Hrsg.) (2006): Arena der Männlichkeit. Frankfurt/ New York.