Baustelle NSU-Aufklärung
Versuch einer Bestandsaufnahme
Zweieinhalb Jahre ist es her, seit sich der NSU selbst enttarnt und in einem Video zu zehn Morden und zwei Bombenanschlägen bekannt hat. Durch die Untersuchungsausschüsse, den Münchener NSU-Prozess und die Recherche engagierter Journalist_innen sind viele Aspekte und Details zum NSU, seinen Verbrechen, den Polizeiermittlungen sowie den Verstrickungen der Geheimdienste an die Öffentlichkeit gelangt. Doch von einem kompletten Bild sind wir noch meilenweit entfernt, ob es sich überhaupt je wird fertigstellen lassen, ist fraglich. Dazu tragen die Vertuschungsversuche der Behörden genauso bei wie die beharrlichen, großflächigen „Erinnerungslücken“ vermeintlicher Ex-Nazis vor dem Münchener Oberlandesgericht. Kurzzeitig sorgte die Bekundung Zschäpes, sie sei mit der Prozessstrategie ihrer Verteidigung unzufrieden und wolle sie deshalb auswechseln, für die Hoffnung, sie könne sich doch zu einer umfassenden Aussage entschließen. Dies zeichnet sich jedoch nach wie vor nicht ab.
Entgegen allen Erwartungen haben sich die Landtage von Hessen und NRW nun doch noch dazu durchgerungen, Untersuchungsausschüsse (UA) zum NSU-Komplex einzusetzen. Der hessische UA hat sich bereits konstituiert, der nordrhein-westfälische soll im Herbst beschlossen werden. In Baden-Württemberg hat eine Enquete-Kommission die Arbeit aufgenommen. Dagegen haben drei UA ihre Arbeit bereits abgeschlossen: der des Bundestages und die der Landtage von Thüringen, Sachsen und Bayern, nach jeweils unterschiedlich intensiven und engagierten Untersuchungen und mit entsprechend unterschiedlich aufschlussreichen Ergebnissen.
Da eine Zusammenfassung der bisherigen Aufklärung ebenso ausufernd wie ein umfassendes Zwischenfazit vermessen wäre, beleuchtet dieser Schwerpunkt einzelne Aspekte des NSU-Komplexes und zeigt „Baustellen“ auf. Viel zu oft wird einfach die Sprachregelung vom „NSU-Trio“ übernommen, das „aus dem Untergrund“ gemordet und geraubt habe. Allein die Auswahl der Opfer wirft jedoch Zweifel an dieser These auf. Das NSU-Unterstützungsnetzwerk kann auch nicht auf die vier mit Zschäpe angeklagten Helfer reduziert werden. Nicht aus dem Blick geraten darf zudem der strukturelle Rassismus, der die Ermittlungen seit dem ersten Mord prägte und bis ins Münchener Verfahren hinein wirkt, wie es Nebenklageanwältin Seda Basay-Yildiz in einem Interview mit dem Tagesspiegel schilderte: „Dieses Verfahren hat mir vergegenwärtigt, dass ich niemals zu dieser Gesellschaft gehören werde.“ Leider kam ein geplantes Interview zu den gesellschaftlichen Debatten um (strukturellen) Rassismus nach dem Bekanntwerden des NSU nicht zu Stande, da die Interviewpartnerin kurzfristig verhindert war.