Antifeminismus als drittes Markenzeichen
Geschlechterpolitische Standpunkte der AfD
Die „Alternative für Deutschland“ (AfD) ist eine Männerpartei, darüber können auch 15,3 Prozent weibliche Mitglieder nicht hinwegtäuschen. Und die AfD vertritt geschlechterpolitisch antifeministische – im Eigenjargon „traditionelle“ – Standpunkte. In ihrem Programm zur Bundestagswahl vom 14. April 2013 stellt die AfD fest, dass Deutschland zu wenige Kinder habe. Das Land müsse „kinder- und familienfreundlicher“ werden, denn die Familie sei „Keimzelle der Gesellschaft“. Der Familie komme als Kernaufgabe zu, die Bildung der Kinder zu gewährleisten, denn in „erster Linie sind die Eltern für die Bildung und Erziehung ihrer Kinder verantwortlich“. Kitas und Schulen sollen dies „sinnvoll ergänzen“. Dass hier Erziehungsaufgaben nicht gleichwertig auf die Eltern verteilt sein sollen, liegt nahe. Denn die AfD strebt, so steht es im Programm für die Wahl zum Europäischen Parlament vom 22. März 2014, „die Gleichberechtigung der Geschlechter unter Anerkennung ihrer unterschiedlichen Identitäten, sozialen Rollen und Lebenssituationen an“. Das heißt, Frauen und Männern werden unterschiedliche Aufgaben zugewiesen, und diese wiederum werden biologisiert. Entsprechend lehnt die AfD „Gender Mainstreaming“ als Programm ab, das auf die „Aufhebung der Geschlechteridentitäten“ ziele. Im Online-Bereich „Fragen und Antworten“ zum Partei-Programm ist die Rede von einer durch Rot-Grün „ideologisch gesteuerte[n] Verzerrung der Geschlechterrollen“. Ideologisch verzerrt kann aber nur sein, was eigentlich, also natürlich, irgendwie anders ist. Geschlechterrollen scheinen so eben nicht historisch tradiert und gesellschaftlich produziert, sondern als etwas Wesentliches – dessen Veränderung damit widernatürlich, ideologisiert erscheint.
Familien als „natürlichste aller Gemeinschaften“
Im Wahlprogramm der sächsischen AfD vom 2. März 2014 liest sich all das weniger spröde und politisch deutlicher. Dort steht die Familienpolitik an erster Stelle, denn die Familie aus Mann, Frau und Kindern gilt als „natürlichste aller Gemeinschaften“ und bedürfe damit „des besonderen Schutzes“. Bereits in der Präambel bezieht man sich auf „mutige Bürger“, die im November 1989 aufstanden – allerdings nicht, damit „die strangulierende Ideologie des Marxismus-Leninismus durch neue und nicht weniger menschenfeindliche Ideologien wie den verqueren Genderismus ersetzt wird, der uns mit aller Macht aufgezwungen werden soll“. Die diskursive Verknüpfung von Feminismus und Marxismus ist in (extrem) rechten Publikationen nicht unüblich.
Wenn die AfD sonst davon spricht, staatliche Eingriffe in das Leben der Menschen als „ideologisch“ abzulehnen, zeigt sich hier die tatsächliche Kritik dahinter. Staatliche Eingriffe, staatliche Förderung und Regulierung scheinen nicht die grundsätzlichen Probleme zu sein, vorausgesetzt sie funktionieren im Sinne der AfD: Minderheitenschutz, geschlechtliche Gleichstellung und Förderprogramme werden mit dem Verweis auf unzulässige staatliche Einflussnahme abgelehnt, Familienförderung hingegen als essentielle staatliche Aufgabe angesehen. Die jeweilige Betreuungsform beispielsweise solle laut sächsischer AfD „gleichwertig und ideologiefrei“ unterstützt werden, allerdings sollen „aktuelle neurowissenschaftliche Erkenntnisse“ in diese Debatte einfließen. Damit ist zweifellos die umstrittene Hypothese einiger Wissenschaftler_innen gemeint, dass sich frühkindliche Fremdbetreuung negativ auf Kinder auswirke und wirklich stressfrei nur die Mutter-Kind-Bindung sei. Dass für die AfD „gestaltende Politik ihr Zentrum in der Familienpolitik finden“ soll, kann als Hinweis auf die Relevanz, die Familien- und damit geschlechterpolitische Themen für die Partei haben, gedeutet werden. Im sächsischen Wahlprogramm fühlt sich die AfD zum „Lebensschutz verpflichtet“, das heißt, sie positioniert sich gegen das Selbstbestimmungsrecht von Frauen und gegen Schwangerschaftsabbrüche. Auch die Gleichstellung homosexueller Paare und ein Adoptionsrecht für diese lehnt sie ab. Durch die Forderung des Familienwahlrechts, bei dem die Eltern die Stimmen ihrer minderjährigen Kinder wahrnehmen, und eines steuerrechtlichen Familiensplittingmodells, das vor allem Leistungsträger _innen zum Kinderkriegen animieren soll, will die AfD „die wertestiftenden Funktionen der Familie“ stärken und die Geburtenrate erhöhen.
Gegen „Frühsexualisierung“
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Ablehnung einer angenommenen „Früh- und Hypersexualisierung in Kindergarten und Schule“ – ein Thema, das auch in der der AfD nahestehenden Wochenzeitung Junge Freiheit großen Raum einnimmt. Die AfD befürchtet eine „indoktrinäre […] Beeinflussung von Kindern und Jugendlichen durch LGBT-Lehrplaninhalte“, die ihren Ausdruck in der Neugestaltung der Lehrpläne durch den Bildungsplan 2015 der rot-grünen Landesregierung in Baden-Württemberg fände. Dieser war der AfD ein Anlass zur politischen Intervention und Kampagnenarbeit. Die stellvertretende Sprecherin im Landesvorstand der AfD in Baden-Württemberg, Anna Schupeck, lehnt die schulische Beschäftigung mit einer „Akzeptanz sexueller Vielfalt“ rundum ab. Es sei ihr nicht bekannt, dass lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle, transgender und intersexuelle Menschen (LGBTI) in Deutschland diskriminiert würden, „ganz im Gegenteil“. Schupeck wünscht sich Bildung frei von „ideologischer Manipulation“ und beklagt gleichzeitig, dass im Lehrplan mit keinem Wort „auf Elternschaft, auf Mutterschaft oder Vaterschaft oder auf Familien eingegangen“ werde, „den tragenden Säulen unserer Gesellschaft“. Der Versuch, tatsächliche sexuelle Vielfalt in Lehrplänen widerzuspiegeln, also die Lehrpläne der gesellschaftlichen Realität anzupassen, wird vom baden-würtembergischen AfD-Landesverband nicht nur als Ideologie gekennzeichnet, sondern als „Relativierung und Diskreditierung traditioneller Geschlechterrollen unter der Flagge des Gender-Mainstreamings“. Der Ideologie-Begriff verkehrt sich hier in sein Gegenteil: Nicht die „Verschleierung“ und damit Rechtfertigung der gesellschaftlichen Machtverhältnisse wird als Ideologie bezeichnet, sondern die Orientierung an der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Dem politischen Gegner Ideologie vorzuwerfen, erscheint hier als wirkmächtiger diskursiver Trick. Und so heißt die den Mitgliedern zum Unterzeichnen empfohlene Petition auch „Zukunft – Verantwortung – Lernen: Kein Bildungsplan 2015 unter der Ideologie des Regenbogens”.
Ausgerechnet bei der erzkatholischen Nachrichtenseite kath.net äußerte sich Beatrix von Storch am 3. April 2014 in einem Gastkommentar zum Bildungsplan 2015. In dem Artikel „Die Katze ist nun aus dem Sack. Die Genderei verliert ihre Maske“ beschreibt sie den Bildungsplan als „Gift der Genderideologie“, das nun „in einer Klarheit und Gewalt“ verspritzt werde. Von Storch echauffiert sich ebenso über „Boysday“ und „Girlsday“ an Schulen, die Jugendliche dazu bringen sollen, „entgegen ihrer ansonsten freiwilligen Wahl sich für geschlechteratypische Berufe zu interessieren“, wie darüber, dass der Staat Elterngeld nur dann 14 Monate lang zahlt, „wenn auch der Vater mal in die Mutterrolle schlüpft und den Hausmann macht“. All dies sei zwar prinzipiell in Ordnung, entscheidend sei die „Summe der Manipulationen“. Neben dem Eintreten für traditionelle Familienkonstruktionen wird auch die geschlechterspezifische traditionelle Arbeitsteilung deutlich. Männer machen eben nur den Hausmann. Von Storch sitzt für die AfD im Fachausschuss „Rechte der Frau und Gleichstellung der Geschlechter“ des Europäischen Parlaments und ist wohl eine der schillerndsten Personen der AfD. Sie gilt als Netzwerkerin im rechtskonservativen Spektrum. Die antifeministisch ausgerichtete Zivile Koalition e.V. wird von ihr und ihrem Ehemann geführt, sie ist Mitglied der Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft, Vorstandsmitglied des Vereins BürgerKonvent, Mitbegründerin des Vereins Göttinger Kreis, der eine Wiedergutmachung durch die von Boden- und Industriereform in der DDR Geschädigten fordert, und führendes Mitglied der Allianz für den Rechtsstaat, die sich für eine Rückgabe des Bodenreformlandes in die Hände der früheren Großgrundbesitzer einsetzt. Von Storch publizierte in den Zeitschriften eigentümlich frei und Junge Freiheit (JF) und wird vom JF-Autor Michael Paulwitz liebevoll als „heimliche Geburtshelferin der ‘Alternative für Deutschland’“, als „Mutter der Bewegung“ bezeichnet.
Antifeminismus als Markenzeichen
Dass es vielen in der AfD um eine grundsätzliche Ablehnung des Feminismus geht, machte auch eine Kampagne der Jungen Alternativen deutlich, die Mitte März 2014 auf deren Facebook-Seite gestartet wurde. Jugendliche wurden mit so sinnvollen Plakaten abgebildet wie „Ich bin keine Feministin, weil ich mir gerne die Türe aufhalten und in die Jacke helfen lasse” oder „Ich bin keine Feministin, weil mein Mann mein Fels in der Brandung ist – und nicht mein Klassenfeind!“. Die geschlechterpolitischen Positionen der AfD betten sich ein in einen weiteren Zusammenhang. Die AfD nähert sich dem, was in „jungkonservativen“ Kreisen rund um die JF als Teil des eigenen Hegemonieprojektes ausgemacht wird, „nämlich durch die Verknüpfung von nationalliberalen, christlich konservativen, völkischen und staatspolitischen Ideen eine ‚moderne’ völkisch-konservative Bewegung im vorpolitischen Raum zu inspirieren und über deren parteipolitische Implementierung in den politischen Raum zu einer ‚Umwälzung’ (Stein) des politischen Systems beizutragen“. Sowohl für die AfD als auch für die JF gelten für ihr politisches Projekt zentrale Eckpunkte. Neben nationalliberalen Standpunkten, einer völkisch nationalistischen Ideologie jungkonservativer Lesart, die zwischen wünschenswerter und unliebsamer Einwanderung unterscheidet, neben einem Verständnis vom Staat, das sich gegen den „Parteienstaat“ wie auch den „Sozialstaat“ wendet, herrscht ein deutlicher Bezug auf den christlichen Konservatismus vor. Man fühlt sich hier wie da den „Werten des christlichen Abendlandes“ verpflichtet. Und sowohl bei der JF wie auch bei der AfD sind geschlechterpolitische Standpunkte, familienpolitische Forderungen, demographische Themen und eine rigide Sexualmoral durchaus nicht von untergeordneter Relevanz. Die Einschätzung, dass die AfD neben der „Euro-Kritik und der Positionierung als ‚Anti-Parteien-Partei’ einen dezidiert antifeministischen dritten Schwerpunkt ausbaut“, nämlich die „radikale […] Kritik an jeder Form von Gleichstellungspolitik“, liegt nicht fern. Und auch nicht, dass Antifeminismus damit weiter ins Zentrum politischer Debatten rückt.