Ende der Abschiebehaft in Büren!?
Urteil des EuGH hat Konsequenzen für Flüchtlinge in NRW
Am 17. Juli 2014 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass die gemeinsame Unterbringung von Abschiebegefangenen und Strafgefangenen in einem Gefängnis nicht zulässig ist. Das Urteil hat auch Konsequenzen für die Asylpolitik in NRW, da das Zentrale Abschiebegefängnis in der JVA Büren in der bisherigen Form nicht weiter bestehen darf.
Der EuGH stützt seine Entscheidungen auf die sogenannte Rückführungslinie des Europäischen Parlaments und des Rates von 2008, deren Grundsätze im sogenannten Aufenthaltsgesetz in deutsches Recht übernommen wurden. In § 62a Absatz 1 AufenthG heißt es: „Die Abschiebungshaft wird grundsätzlich in speziellen Hafteinrichtungen vollzogen. Sind spezielle Hafteinrichtungen im Land nicht vorhanden, kann sie in diesem Land in sonstigen Haftanstalten vollzogen werden; die Abschiebegefangenen sind in diesem Fall getrennt von Strafgefangenen unterzubringen. Werden mehrere Angehörige einer Familie inhaftiert, so sind diese getrennt von den übrigen Abschiebungsgefangenen unterzubringen. Ihnen ist ein angemessenes Maß an Privatsphäre zu gewährleisten.“ Trotz dieser gesetzlichen Regelungen haben in Deutschland mehr als die Hälfte der Länder keine eigenen Abschiebehafteinrichtungen, so dass diese überwiegend in Haftanstalten für Strafgefangene untergebracht waren, ohne dass das in der Richtlinie vorgesehene Trennungsgebot eingehalten wurde. Hiergegen hatten eine Geflüchtete aus Syrien und ein Geflüchteter aus Marokko, die 2011 und 2012 aus Hessen und Bayern abgeschoben werden sollten, geklagt. Der Bundesgerichtshof (BGH) bzw. das Landgericht München setzten die Verfahren aus und legten dem EuGH die Frage vor, wie die Rückführungsrichtlinie auszulegen sei. In einem dritten entschiedenen Fall ging es um eine Frau aus Vietnam, die eingewilligt hatte, in Strafhaft auf die Abschiebung zu warten. In seiner Entscheidung stellte das EuGH ausdrücklich fest, dass Art. 16 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2008/115 dahin auszulegen ist, dass es einem Mitgliedstaat auch dann nicht erlaubt ist, einen Drittstaatsangehörigen für die Zwecke der Abschiebung in einer gewöhnlichen Haftanstalt gemeinsam mit gewöhnlichen Strafgefangenen unterzubringen, wenn der Drittstaatsangehörige in diese Unterbringung einwilligt.
Konsequenzen für die JVA Büren
Bis zur EuGH-Entscheidung war die JVA Büren seit 1994 auch als Abschiebeanstalt im Auftrag der Ausländerbehörden des Landes NRW für den Vollzug der Abschiebehaft zuständig. Auf die Klage eines in der JVA Büren inhaftierten Asylsuchenden aus der Türkei hin beschloss folgerichtig auch der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 25. Juli 2014, dass in der JVA Büren Abschiebegefangene nicht inhaftiert werden dürfen, da auch eine gesonderte Unterbringung von Abschiebehäftlingen in einem normalen Gefängnis gegen europarechtliche Vorgaben verstoße. Spätestens nach diesem Urteil hätten alle Abschiebegefangenen aus der JVA Büren entlassen werden müssen, da in NRW keine spezielle Hafteinrichtung für Abschiebegefangene besteht. Stattdessen wurden die 21 Abschiebegefangenen am 26. Juli 2014 in das Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick verlegt. Die Maßnahmen des NRW-Innenministeriums führten statt zu einer Verbesserung der Situation der Abschiebegefangenen zu massiven Einschränkungen. „Durch die Verlegung ist der Kontakt zu den Anwälten, Verwandten, Freunden und Hilfsorganisationen gestört oder gar unterbrochen,“ erklärte Frank Gockel Pressesprecher des Vereins Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren. „Ein Innenminister, der sich bewusst gegen ein Urteil des BGH stellt und Freiheitsberaubung begeht, ist ein Skandal.“ Die ehemals in der JVA Büren inhaftierten Gefangenen fordern daher weiterhin ihre sofortige Freilassung: „Wir sind Menschen, kein Vieh, was man einfach so durch Deutschland treiben kann“. Auch viele andere Flüchtlingsorganisationen wie pro Asyl fordern die unverzügliche Freilassung aller Abschiebegefangenen aus der JVA Büren.
Planung hinter verschlossenen Türen
Was aus dem Standort Büren wird, ist nach momentanem Kenntnisstand noch unklar. Das NRW-Innenministerium entzieht sich aktuell einem Dialog mit Hilfsorganisationen zum Thema Abschiebehaft. „Damit verstößt NRW-Innenminister Ralf Jäger gegen seine eigenen Aussagen“, so Frank Gockel. In einer schriftlichen Mitteilung des Innenministerausschusses am 28.08.2014 hat Jäger noch verkündet, dass er Verbände und Organisationen bei den Beratungsgesprächen hinzuziehen wolle. Nicht nur vor dem Hintergrund der aktuellen Skandale bezüglich der Übergriffe durch private Wachdienste in den Flüchtlingsheimen ist eine frühe Beteiligung der Flüchtlingsorganisationen bereits bei der Diskussion und Beratung über die grundsätzlichen Fragen der Abschiebehaft in NRW zwingend erforderlich. Es bleibt zu befürchten, dass das NRW-Innenministerium den Standort Büren zu einer speziellen Abschiebehafteinrichtung umfunktioniert und diese schlimmstenfalls mit einer sogenannten „Zentralen Unterbringungseinrichtung“ für AsylbewerberInnen kombiniert. Möglich ist auch, dass einzelne Bundesländer weiterhin miteinander kooperieren und keine eigenen Abschiebehafteinrichtungen errichten.
Alternativen und Mindeststandards
Vor diesem Hintergrund stellt sich die grundlegende Frage, wie man künftig mit der Abschiebehaft noch verfahren möchte. Nach einer Studie des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes von 2010 sind mit einer Inhaftierung unweigerlich Beeinträchtigungen der physischen und psychischen Integrität sowie das Gefühl, stigmatisiert und kriminalisiert zu werden, verbunden. Eine Abschaffung würde angesichts der immensen Kosten von Abschiebehaft auch die staatlichen Kassen entlasten.
Gerade Abschiebehaft, welche in der Regel nach Antrag der Ausländerbehörden oder der (Grenzschutz-) Polizei erfolgt, wird durch die zuständigen RichterInnen zumeist ohne richtige Sachkenntnisse und gründliche Prüfung angeordnet. Viele der Haftanordnungen erweisen sich als rechtswidrig, da sie mit Form- und Rechtsfehlern behaftet sind und zudem gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip verstoßen. Zur Durchsetzung ihrer Rechte benötigen Abschiebehäftlinge die Unterstützung seitens der Flüchtlingsberatungsstellen. Die Nutzung solcher Beratungsangebote wird ihnen jedoch nicht ausreichend ermöglicht. Die Unterbringung von Abschiebegefangenen, die lediglich ausreisepflichtig sind und keine Straftat begangen haben, in einer Haft bedeutet auch bei der Einhaltung des Trennungsgebotes eine Freiheitsberaubung und eine Menschenrechtsverletzung. Die Abschiebehaft ist keine verhältnismäßige, legitime Maßnahme und verstößt gegen verfassungs- und rechtsstaatliche Grundsätze, weshalb sie komplett abgeschafft gehört. So hat das Saarland schon länger kein Abschiebegefängnis mehr, diesem Beispiel sollte auch NRW folgen.
Über die Autorin
Dr. Zübeyde Duyar ist Juristin und arbeitet für den AK Asyl e.V. in Bielefeld.