Öffentlich im Inland
Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen
Christian Remberg, NPD-Ratsmitglied in Erkelenz (Kreis Heinsberg) und erst kürzlich zum Vorsitzenden des für die Kreise Heinsberg, Viersen, Neuss sowie die Stadt Mönchengladbach zuständigen NPD-Kreisverbands Mönchengladbach gewählt, präsentierte während der Kommunalwahl im Mai 2014 für jedermann zugänglich in seinem Facebook-Profil ein Foto seines linken Unterarms, auf dem die Tätowierung „Meine Ehre heißt Treue“, die Losung der „Schutzstaffel“ der NSDAP, zu sehen war. Er wurde wegen Verstoßes gegen § 86a StGB angeklagt.
Nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 Strafgesetzbuch wird bestraft, wer im Inland Kennzeichen von verfassungswidrigen Organisationen öffentlich verwendet. Öffentlichkeit liegt vor, wenn die Kennzeichen – unabhängig von der Öffentlichkeit des fraglichen Orts – von einem größeren, nach Zahl und Individualität unbestimmten oder durch nähere Beziehung nicht verbundenen Personenkreis unmittelbar wahrgenommen werden können. Anhand einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Celle aus dem Jahre 1994 wird deutlich, wie schwierig die Abgrenzung zwischen einem öffentlichen und nicht öffentlichen Verwenden ist. Dem Angeklagten wurde hier zur Last gelegt, 1992 anlässlich einer Geburtstagsfeier in einem Aufenthaltsraum der Landespolizeischule, in der er sich als Polizeimeisteranwärter aufhielt, gegenüber den dort anwesenden Personen den rechten Arm zum „Hitlergruß“ erhoben und „Heil Hitler“ gerufen zu haben. Daraus, dass sich die dem Angeklagten vorgeworfenen Handlungen in einem für Polizeischüler_innen und sonstige sich in der Landespolizeischule aufhaltende Personen allgemein zugänglichen Aufenthaltsraum abspielten, folgte nach Ansicht des OLG aber noch nicht, dass diese öffentlich präsentiert wurden. Eingeladen waren (nur) Polizeischüler_innen seiner Klasse, mit denen er durch persönliche Beziehungen verbunden war. Zwar gab es einige wenige Teilnehmer_innen an der Geburtstagsfeier, die aufgrund ihrer Freundschaft mit Eingeladenen dazu gestoßen waren, eine Öffentlichkeit des eingeladenen Kreises wurde aber auch dadurch nach Ansicht des OLG Celle nicht hergestellt. Denn der Einladende war damit einverstanden, dass die Eingeladenen Personen aus ihrem Bekanntenkreis mitbringen. Als öffentlich begangen seien die dem Angeklagten vorgeworfenen Handlungen auch nicht deshalb zu werten, weil die Geburtstagsfeier in einem Raum stattfand, den Dritte – aus welchen Gründen auch immer – bei dieser Gelegenheit ebenfalls betreten konnten. Denn es ist anerkannt, dass die bloße Möglichkeit, dass unbeteiligte Dritte jederzeit hinzutreten können, nicht ausreicht, um die Öffentlichkeit eines im übrigen nichtöffentlichen Kreises von Personen zu begründen. Letztlich hat das OLG Celle die Öffentlichkeit mit der Begründung bejaht, dass drei unbeteiligte Polizeibeamte, die nicht zum Kreis der Eingeladenen gehörten, offenbar angelockt durch Musik und Lärm den Aufenthaltsraum betreten hatten, die Tat wahrnahmen und sie zur Anzeige brachten.
Öffentliches Verwenden von Kennzeichen durch Upload bei „YouTube“ und „Facebook“?
Damit eine strafbare Handlung vorliegt, müssen besagte Kennzeichen nach dem Gesetzestext öffentlich im Inland verwendet werden. Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahre 2014 fehlt es auch an einer Strafbarkeit, wenn Personen gezielt die BRD verlassen, um Kennzeichen in das Internet einzustellen, deren Verwendung im Inland mit Strafe bedroht wären. Im vom BGH zu entscheidenden Fall behauptete der Angeklagte, er habe im April 2011 von einem Computer in Tschechien aus auf dem Internet-Videoportal „YouTube“ eine Plattform mit der Bezeichnung „Arische Musikfraktion“ gegründet. Auf diese lud er auch Abbildungen von Hakenkreuzen hoch. Der BGH bejahte zwar hinsichtlich der Hakenkreuze das öffentliche Verwenden, da der Angeklagte dies aber in Tschechien tat, fehlte es an dem Tatbestandsmerkmal der Inlandstat. Der BGH verkannte dabei nicht die aus seiner Auffassung folgende Strafbarkeitslücke, sah es jedoch als Aufgabe des Gesetzgebers an, diese Strafbarkeitslücke zu schließen, falls dies für erforderlich erachtet würde.
Das Tatbestandsmerkmal „im Inland“ ist anhand §§ 3, 9 Strafgesetzbuch zu bestimmen. Danach muss im Inland entweder „ein zum Tatbestand gehörender Erfolg eingetreten bzw. beabsichtigt gewesen“ oder „die Tathandlung begangen bzw. unterlassen worden sein“. Dies konnte der BGH indes nicht feststellen. Der Angeklagte habe allein im Ausland gehandelt. Da es sich bei § 86a StGB um ein sogenanntes abstraktes Gefährdungsdelikt handele und nicht um ein sogenanntes Erfolgsdelikt, habe es keinen zum Tatbestand gehörenden Erfolg, weshalb eine Inlandstat hiernach nicht begründet werden könne. Der Handlungsort werde bei aktivem Tun durch den Aufenthaltsort des Täters – hier: die Tschechische Republik – bestimmt. Ein Handlungsort sei nicht auch dort gegeben, wo die durch mediale Übertragung transportierte Handlung ihre Wirkung entfalte. Der Radius der Wahrnehmbarkeit einer Handlung sei nicht Teil ihrer selbst. Aus denselben Erwägungen komme es auch nicht in Betracht, den Standort des vom Täter angewählten Servers für ausschlaggebend zu erachten. Außerdem ließen sich im Fall des BGH der Angeklagte und sein Bekannter im Mai 2012 von einem Dritten fotografieren, wobei beide die rechte Hand zum Hitlergruß ausstreckten und der Angeklagte in der linken Hand eine Fahne hielt, die eine schwarze, eckig gestaltete Triskele (Dreifuß) in weißem Kreis auf rotem Grund zeigte. Das Foto stellte der Angeklagte am selben Abend in sein Facebook-Profil sowie das seines Bekannten ein, wo es für mindestens eine Stunde für alle Nutzer sichtbar war, die mit zumindest einem der beiden als Freunde verlinkt waren. Die Fahne sowie das Kennzeichen des Hitlergrußes verwendete der Angeklagte nach der Entscheidung des BGH öffentlich, indem er das ihn und seinen Bekannten in entsprechender Pose zeigende Foto in ihre Facebook-Profile einstellte. Der BGH warf auch hier die aus der Entscheidung des OLG Celle bekannte Frage auf, ob es einen durch nähere Beziehung verbundenen Personenkreis gegeben hat. Dies lag deshalb nahe, weil zwischen den als „Freunden“ gespeicherten Nutzern und dem Inhaber eines Facebook-Profils jeweils eine Beziehung derart besteht, dass die entsprechende Anfrage des einen zur Aufnahme in den Kreis der „Freunde“ durch den anderen bestätigt werden muss. Damit ist über die persönliche Ebene dieser Beziehung jedoch noch nichts Hinreichendes ausgesagt. Bei den 844 „Freunden“ des Bekannten des Angeklagten konnte der BGH allerdings ausschließen, dass zu mehr als einem Bruchteil von diesen eine Verbindung bestand, die über eine zufällige, mitunter sogar nur virtuelle Bekanntschaft hinausging.
Remberg muss zahlen
Bei Christian Remberg stellten sich die geschilderten Schwierigkeiten nicht. In der Berufungsinstanz verurteilte das Landgericht Mönchengladbach deshalb den bereits wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren Verurteilten wegen „Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“ (§ 86a StGB) zu einer Geldstrafe von 110 Tagessätzen zu je 50,- Euro.