Vereint gegen den Westen

Was die äußerste Rechte von Russland will

In der äußersten Rechten sind prorussische Positionen stark vertreten. Sie haben strategische Bedeutung: Es geht um ein Bündnis gegen die USA.

In der äußersten Rechten sind prorussische Positionen stark vertreten. Sie haben strategische Bedeutung: Es geht um ein Bündnis gegen die USA.

Kersten Radzimanowski ist hocherfreut. „Es ist ein deutliches Signal“, schreibt der NPD-Mann in der März-Ausgabe der NPD-Parteizeitung Deutsche Stimme. Russlands Präsident Wladimir Putin hat Anfang 2015 ein Dekret unterzeichnet, das es Bürgern fremder Staaten erlaubt, in der russischen Armee zu dienen. Ha! Endlich eine neue Job-Chance für arbeitslose Nationaldemokraten? Gemach, gemach – man muss „die russische Sprache beherrschen“ und man darf „keine Einträge im polizeilichen Führungszeugnis aufweisen“, wenn man in Russland Soldat werden will, warnt Radzimanowski. Für den gemeinen NPD’ler scheidet der Brotwerwerb in den russischen Streitkräften damit wohl eher aus. Was aber macht die Sache dann zu einem „deutlichen Signal“? Radzimanowski holt weit aus: „Ein Blick in die Geschichte zeigt bemerkenswerte Parallelen“, schreibt er. Die Begründung, die er in seinem knappen Kommentar liefert, könnte kaum typischer sein: Sie greift auf ein zentrales Motiv der Sympathie großer Teile der heutigen Rechten für Russland zurück.

Der anglo-amerikanische Bonaparte

„Vor gut 200 Jahren“, erläutert Radzimanowski, genaugenommen: am 30. Dezember 1812 unterzeichneten weit weg in Ostpreußen „der preußische General Johann David von York und der in russischen Diensten stehende General Hans Karl von Diebitsch die Konvention von Tauroggen“. Sie „besiegelte das preußisch-russische Bündnis“ gegen Frankreich und gegen dessen Herrscher Napoleon Bonaparte, „den Versklaver der Völker Europas“, fährt Radzimanowski fort. Napoleon habe „zeitweise die Herrschaft über weite Teile Kontinentaleuropas“ errungen, „gestützt auch auf die von den Vasallen-Regimen rekrutierten Söldner“ – ganz, und nun kommt der Kick, wie „Merkel & Co.“, die heute „den neuen Besatzern, den mammon-gierigen Tyrannen der Völker Europas“ als moderne Vasallen dienten. „Und wie einst die Soldaten der Rheinbundstaaten“ – sie waren mit Frankreich verbündet – „selbst gegen das deutsche Volk kämpfen mußten, ist die Bundeswehr ... schon längst nicht mehr Verteidiger der Heimat, sondern Söldner im Dienst der anglo-amerikanischen Besatzer“, schäumt der NPD-Mann. „Der Vertrag von Tauroggen war das Fanal zur Befreiung Europas. Wird es einem russisch-deutschen Bündnis 200 Jahre später noch einmal gelingen, Europa ... zu befreien“, diesmal „von der Diktatur der Plutokraten“? Der NPD-Mann verpasst seinem Kommentar den Titel: „Vereint gegen den anglo-amerikanischen Bonaparte“.

Die Idee, sich mit Russland zusammenzutun, um sich gegen westliche Mächte durchzusetzen, ist in der deutschen Geschichte, ganz unabhängig von der extremen Rechten, ziemlich alt. Sie ist in der staatlichen Außenpolitik – siehe etwa die Bismarck’sche Bündnispolitik, siehe den Vertrag von Rapallo vom April 1922 – immer wieder wirksam geworden, wenngleich sie stets nur eine von mehreren Optionen deutscher Machtpolitik war. Für die äußerste Rechte hat sie in den 1920er Jahren über strategische Aspekte hinaus auch ideologische Bedeutung gewonnen. Etwa für den Nationalbolschewisten Ernst Niekisch, der in seinem Hass gegen „den Westen“, den er mit Demokratie und Liberalismus identifizierte, als Gegenbild den russischen „Osten“ entwarf und folgerichtig für einen „deutsch-russischen Block“ zwecks „radikaler Abkehr vom Westen“ warb. Dass Deutschlands schlimmste Feinde im „Westen“ zu finden seien, wo der Liberalismus seine Heimat habe – in Großbritannien und vor allem natürlich in den USA –, das ist ein Gedanke, der in der extremen Rechten seit dem Ende der Sowjetunion wieder besondere Beliebtheit genießt. Gern wird er mit antisemitischen Stereotypen verbunden, etwa mit demjenigen von den „Strippenziehern an der US-Ostküste“ oder eben auch mit dem von den „Plutokraten“, von denen Radzimanowski schreibt.

Eurasien

Entsprechend positioniert sich die NPD. Das Europaparlament diskutiert über Russland? Der NPD-Abgeordnete in Strasbourg, Udo Voigt, beschwert sich, die EU dürfe mit ihren Sanktionen und anderweitigen Übergriffen gegen Russland nicht ständig „Benzin ins Feuer gießen“. Wie soll man sich denn ohne russische Rückendeckung von den USA und den „Plutokraten“ lösen?! Die russische Partei Rodina, deren Vorsitzender Alexej Schurawljow auf dem Ticket der Kreml-Partei Einiges Russland in die russische Duma gewählt worden ist, lädt für den 22. März 2015 zu einem „Internationalen Russischen Konservativen Forum“ nach St. Petersburg ein? Na klar, Voigt kommt und bringt seinen Parlamentsmitarbeiter Karl Richter mit. Auch über „Eurasien“ wird dort diskutiert, und darunter versteht die russische Rechte, wie der lesekundige Nationaldemokrat aus der April-Ausgabe der Deutschen Stimme lernen kann, „die Vorstellung von einem fundamentalen Gegensatz zwischen der Kontinentalmacht Rußland und den angelsächsischen Seemächten“ – also etwas, was schon irgendwie zu der Sache mit den feindlichen Strippenziehern an der US-Ostküste passt. Der gegenwärtig populärste „Eurasien“-Ideologe ist ganz gewiss Alexander Dugin, ein extrem rechter russischer Publizist und einstiger Professor an der Moskauer Lomonossow-Universität, der in den Rechtsaußen-Segmenten des russischen Establishments durchaus auf offene Ohren stößt. Die Deutsche Stimme rezensiert brav seine „Vierte Politische Theorie“ und sein Buch „Konflikte der Zukunft“.

Dugin genießt zur Zeit in der äußersten Rechten weithin beträchtliche Popularität. Sein von krassem Antiamerikanismus durchdrungenes „Eurasien“-Konzept stößt nicht nur bei der NPD auf Interesse, sondern auch bei der jungkonservativen Zeitschrift Sezession, die bereits im Sommer 2014 erklärte, Dugin sei „so etwas wie der Slavoj Žižek der Rechten“. Der russische Publizist wurde im April 2014 von der Zeitschrift Zuerst! interviewt, die – darin der NPD durchaus ähnlich – von ihrem Antiamerikanismus zur Forderung nach einem Bündnis mit Russland getrieben wird. Über Dugin berichtet ab und an auch die Wochenzeitung Junge Freiheit. Allerdings ist sie sich nicht so ganz im Klaren darüber, welchen Stellenwert man dem Mann letztlich einräumen soll. Das liegt wohl daran, dass das Blatt sich nach Kräften bemüht, im Establishment anzukommen und hoffähig zu werden, was mit allzu exzessivem, womöglich noch antisemitisch fundiertem Antiamerikanismus nicht geht.

Putinversteher Bismarck

Dennoch: Auch im nationalkonservativen Spektrum ist es ohne weiteres zulässig und nicht unüblich, auf ein Bündnis mit Russland zu setzen. Großes Vorbild ist dort Bismarck. Der Eiserne Kanzler sei „in der Tradition der preußisch-russischen Freundschaft aus der Zeit der Befreiungskriege gegen Napoleon groß geworden“, schrieb Jürgen W. Schmidt im April 2015 in der Jungen Freiheit: Er habe „begriffen, daß es kaum grundlegende Widersprüche zwischen den deutschen und russischen Interessen gab und sich die Interessen beider Staaten ziemlich oft überschnitten und sinnvoll ergänzten“. Deshalb habe er „so großen Wert auf die Erhaltung guter Beziehungen zu Rußland“ gelegt. Der Autor war sich sicher: „Bismarck wäre heute ein Putinversteher“. Ähnlich könnte sich wohl auch Alexander Gauland äußern, der stellvertretende Bundesvorsitzende der AfD, der immer wieder für eine Zusammenarbeit mit Russland wirbt.

Allerdings sind im deutschen Establishment zur Zeit vor allem antirussische Positionen en vogue und da die Junge Freiheit dazugehören will, hat sie zuweilen auch ein offenes Ohr für sie, ganz wie übrigens auch der gegenwärtig dahinsiechende Ex-Lucke-Flügel der AfD. Ein Beispiel? Im Februar 2015 rezensierte Friedrich-Wilhelm Schlomann, CDU-Mitglied und Ex-Propagandaspezialist des Bundesverteidigungsministeriums, in der Jungen Freiheit ein Buch über den Einfluss des russischen Geheimdienstes auf die Machtzentralen des Landes. „Putin und sein FSB regieren heute Rußland“, lautete das Resümee – eine klare Positionierung gegen Moskau. Im Januar hatte Ronald Gläser in der Wochenzeitung geurteilt, Wladimir Putin und der ukrainische Staatspräsident Petro Poroschenko seien die „große(n) Gewinner“ des Krieges in der Ostukraine, weil beide „Politiker mit übergroßem Ego „jeweils mit Verweis auf die Kämpfe im Donbass von ihren Schwierigkeiten ablenken könnten. Die Äquidistanz zu Moskau und Kiew, die Gläser an den Tag legt, eröffnet Spielräume; sie bietet die Chance, im aktuell antirussischen Mainstream Anerkennung zu finden.

Querfront

Apropos Ukraine: Hat die NPD nicht eine Zeitlang eng mit Swoboda kooperiert? Haben die Jungen Nationaldemokraten nicht sogar einen Aktivisten des Rechten Sektors zu ihrem „Europa-Kongress“ am 22. März 2014 eingeladen, wenngleich der Mann letztlich kein Einreisevisum bekam? Beides trifft zu. Zum einen konnte die Partei bei ihren insgesamt eher dürren Auslandskontakten noch nie wirklich wählerisch sein; zum anderen übt Swoboda mit ihren Wahlerfolgen – bis zu 30 Prozent in der Westukraine – eine beträchtliche Faszination auf die Null-Komma-gewohnten NPD’ler aus. Als die extreme Rechte auf dem Majdan dann auch noch eine führende Rolle beim Sturz der Regierung spielen durfte, müssen vielen deutschen Nazis die Augen übergegangen sein. Auf Dauer aber setzen sich stets die strategischen Beziehungen durch, und das sind eben diejenigen zu Russland. Heute behilft sich die NPD damit, dass sie per Vorstandsbeschluss verkündet, sie kämpfe für „das Recht der Völker und Menschen auf Selbstbehauptung in ihren gewachsenen historischen Ordnungen“, und da gehöre eben auch eine nationalistisch geprägte Ukraine hinzu. Dies aber dürfe die „deutsch-russische Freundschaft“ natürlich nicht beschädigen.

Das gilt umso mehr, als eine prorussische Politik der extremen Rechten zur Zeit die Chance zu aussichtsreichen Querfront-Aktivitäten bietet. Begeistert berichtete der ehemalige sächsische NPD-Landtagsabgeordnete Arne Schimmer in der Januar-Ausgabe der Deutschen Stimme von der dritten „Souveränitätskonferenz“, die Jürgen Elsässer mit seinem Compact-Magazin Ende 2014 in Berlin abgehalten hatte. Es war Elsässer darum gegangen, prorussische Kräfte unterschiedlicher Spektren der Rechten zusammenzuführen und zumindest Breschen in die prorussischen Teile des Establishments zu schlagen – und das war ihm ohne Zweifel gelungen. Wie Schimmer berichten konnte, traten auf der Konferenz neben Elsässer selbst unter anderem der AfD-Mann Gauland, der Rechtsaußen-Jurist Karl Albrecht Schachtschneider, das SVP-Mitglied Oskar Freysinger aus der Schweiz, aber auch der ehemalige Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium Willy Wimmer (CDU) und der ehemalige Willy Brandt-Berater Egon Bahr (SPD) auf. Vor allem aber war mit Wladimir Jakunin, dem Präsidenten der staatlichen russischen Eisenbahngesellschaft RŽD, sogar ein Mann aus dem Umfeld des russischen Präsidenten Putin zugegen. Auf eine solche politische Breite hat es die äußerste Rechte zuvor in der Tat schon lange nicht mehr gebracht.

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