Martin Renner
Der überzeugungstäter
Dass es ohne sie die AfD so gar nicht gäbe, können wenige ihrer heutigen Mitglieder sagen. Martin Renner gehört zu ihnen. Im Februar 2013 war er einer ihrer Gründungsväter. Gründungs-“Väter“ trifft es. Denn Frauen waren nicht dabei, als 15 Herren im hessischen Oberursel beschlossen, Partei zu werden. Dabei war ihm eine besondere Aufgabe zugedacht: Eitel, wie Renner ist, vergisst er auch heute nicht, in Gespräche oder Reden einzuflechten, dass er es war, der Namen und Logo der neuen Partei entwickeln sollte. Fremd war ihm die Arbeit an der Konstruktion eines Markenimages nicht, hatte der Diplom-Betriebswirt doch früher als Marketingdirektor in einem großen Unternehmen und später als geschäftsführender Gesellschafter einer Unternehmens- und Kommunikationsberatung gearbeitet.
Ganz früh war Renner, der von 1998 bis 2005 der CDU angehört hatte, in der AfD mit dabei, doch nie ganz oben. Eine Parteikarriere auf Bundesebene blieb ihm verwehrt. Und auch in NRW, wo der gebürtige Reutlinger seit längerem lebt, wurde ihm als Landesvorsitzender der Wirtschaftswissenschaftler Alexander Dilger vorgezogen. Der passte besser zur „Professorenpartei“ und bot Gewähr, nicht allzu sehr nach rechts abzudriften. Für Renner folgte der Komplettabsturz. Gerade einmal ein halbes Jahr im Amt, wurde er sogar als Landesvize abgewählt - es hatte Züge einer persönlichen Demontage. Anfang 2015, beim letzten AfD-Bundesparteitag, den sein Gründerkollege Bernd Lucke noch im Griff hatte, wurde Renner gnadenlos ausgebuht.
Doch am Ende stürzte Lucke. Der Wahl-Rheinländer Renner, der sich mit Vorträgen an der Basis eine neue Hausmacht aufgebaut hatte, triumphierte und wurde neben Marcus Pretzell zu einem der beiden Landesvorsitzenden gewählt. Es entstand ein Führungsduo der Gegensätzlichkeiten und Unverträglichkeiten. Hier Pretzell, der permanent unter Karrierismus- und Opportunismusverdacht steht. Auf der anderen Seite Renner, der zuweilen mitteilt, er arbeite an so etwas wie einer philosophischen Basis der AfD. Der nicht so flott wie Pretzell zu formulieren weiß, bei dem aber keine Zweifel bleiben, dass er seine Partei, wenn man ihn denn ließe, stramm nach rechts führen würde.
Wo Pretzell taktiert, spricht Renner Klartext. An der Basis kommt es an, wenn er sich freut, dass die AfD mit Lucke die „Systemlinge“ endlich losgeworden ist. Dort kommt es auch an, wenn Renner über „70 Jahre des linksideologischen Grauens“ klagt. Wenn er gegen die „zerstörerischen Kräfte der Linken und der Internationalisten“ wettert, wenn er „Gewerkschaften, Kirchen, Sozialindustrie, NGOs, Medien etc.“ als „Afterorganisationen“ der Parteien beschimpft. Wenn er eine multikulturelle Gesellschaft als „Gegenentwurf einer deutschen Staatsgrundeinstellung“ tituliert. Oder wenn er eine „Transkulturation von Deutsch zum Islam“ beklagt. Dass Renner mit Oswald Spengler gar einen herausragenden Akteur der antidemokratischen „Konservativen Revolution“ aus den Jahren der Weimarer Republik zur Lektüre empfiehlt, ist kein Zufall.
Als Renner 2015 sein Comeback erlebte, dachten seine Gegner, man werde einen Modus Vivendi finden: Pretzell für den Landtag, Renner für Berlin - und ansonsten ein allgemeines Wohlbefinden. Die Rechnung ging nicht auf. Einer der Strippenzieher im Dienste Pretzells drückte es so aus: „Wir hatten es wirklich gut vor, doch ich glaube, ich war naiv, als ich glaubte, dass sein Streben dann mit einem Mandat für den Bundestag befriedigt wäre.“ Die Rechnung konnte nicht aufgehen, da Überzeugungstäter für derlei Deals nicht sonderlich empfänglich sind.