Roy Godenau (l.), Michèle Renouf (m.) und Richard Edmonds (r.) beim Trauermarsch in Bad Nenndorf 2013.

Die Lady lädt ein

Der „Reichshof“ nach Manfred Roeders Tod

Manfred Roeder war eine der schillerndsten Personen der hessischen Naziszene. Lotta hatte zuletzt im Winter 2011/2012 (Ausgabe #46) ausführlich über ihn berichtet. Mit seinem „Reichshof“, den er gerne als „Keimzelle des Reiches“ bezeichnete, hatte er im hessischen Schwarzenborn/Knüll (Schwalm-Eder-Kreis) ein wichtiges Zentrum für die extreme Rechte geschaffen. Aufgrund Roeders zunehmenden geistigen Verfalls bestand Hoffnung, dass der Hof an Bedeutung verlieren würde. Das Gegenteil ist der Fall, obwohl Roeder zwischenzeitlich verstorben ist.

Manfred Roeder war eine der schillerndsten Personen der hessischen Naziszene. Lotta hatte zuletzt im Winter 2011/2012 (Ausgabe #46) ausführlich über ihn berichtet. Mit seinem „Reichshof“, den er gerne als „Keimzelle des Reiches“ bezeichnete, hatte er im hessischen Schwarzenborn/Knüll (Schwalm-Eder-Kreis) ein wichtiges Zentrum für die extreme Rechte geschaffen. Aufgrund Roeders zunehmenden geistigen Verfalls bestand Hoffnung, dass der Hof an Bedeutung verlieren würde. Das Gegenteil ist der Fall, obwohl Roeder zwischenzeitlich verstorben ist. Mit Lady Michèle Renouf hat Roeder eine gleichwohl schillernde wie gefährliche Nachfolgerin bekommen.

Das Gelände knapp unterhalb des Aussichtsturms auf dem Knüllköpfchen — 60 Autokilometer südlich von Kassel im Knüllgebirge — ist für ein extrem rechtes Tagungszentrum bestens geeignet. In der Nachbarschaft gibt es nur einige Bauernhöfe, eine große christliche Gemeinde und etwas weiter oben auf dem Knüll eine Jugendherberge. Der Hof liegt abseits der Öffentlichkeit, ist aber dennoch über die Autobahn A7 gut zu erreichen. Das große Haus bietet für kleine Konferenzen ausreichend Tagungsräume und Gästezimmer, der Garten ist weitläufig, zentral gibt es eine große Feuerstelle.

Reges Treiben auf dem Knüll

Zu Roeders aktivsten Zeiten in Mittelhessen Mitte der 1990er bis Mitte der 2000er Jahre fanden auf dem Knüll fast monatlich Veranstaltungen, die sogenannten Heimabende, statt. Außerdem lud Roeder zweimal im Jahr zu großen und gut besuchten Sonnenwendfeiern ein. Nationale und internationale Größen der Neonaziszene fanden sich ebenso ein wie Altnazis und Mitglieder regionaler „Kameradschaften“. Der Hof war ein generationsübergreifender Treffpunkt, dessen Bedeutung auch den Behörden klar war. So sagte Peter Stark, Abteilungsleiter a.D. des hessischen Landesamtes für Verfassungsschutz, vor dem NSU-Untersuchungsausschuss in Wiesbaden aus, dass das Amt eigene „Quellen“ auf den Veranstaltungen bei Roeder hatte und dass es auch sehr wahrscheinlich sei, dass das Bundesamt oder andere Landesämter durch eigene „Quellen“ informiert wurden.

Roeder gelang es über Jahre nicht, den Hof kostendeckend oder gar gewinnbringend zu bewirtschaften. Immer wieder klagte er in seinen Rundbriefen über Geldnot und das drohende Aus. Bei der Bewirtschaftung unterstützten ihn immer wieder jüngere Personen, die teilweise auch auf dem Hof lebten. Während seiner letzten Haftzeit — Roeder musste 2004 wegen Verunglimpfung des Staats eine mehrmonatige Strafe absitzen — betreuten seine ehemalige Sekretärin und der heute als Liedermacher „Reichstrunkenbold“ (vgl. Lotta #55) bekannte Philip Tschentscher den Hof. Tschentscher verfasste während der Zeit auch mehrere Rundbriefe von Roeders Deutscher Bürgerinitiative (DBI). Vor dem hessischen Untersuchungsausschuss bestritt er seine Autorenschaft. Roeder schoss sich selbst innerhalb der Szene immer weiter ins Aus. Sein unflätiges Verhalten und sein ungezügelter Sexismus galten vielen schon lange als Problem. Dennoch wurde er gerade von Jüngeren als Idol verehrt. Als ehemaliger Napola-Schüler und Soldat sowie als Rechtsterrorist hatte er eine große Anziehungskraft. Im Kontext der Recherchen rund um den NSU-Komplex wurde Roeders Name öfter genannt, da Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Andre Kappke 1996 bei einem Roeder-Prozess in Erfurt ihre Solidarität mit einem Transparent bekundet hatten. Roeder soll aufgrund seiner guten Kontakte nach Südafrika auch im Gespräch gewesen sein, als es darum ging, dem Kerntrio bei einer eventuellen Flucht ins Ausland behilflich zu sein. Man rückte aber wohl wegen mangelnden Vertrauens schnell wieder von dieser Idee ab.

Das Ende der Ära Roeder

Als Roeder 2004 aus der Haft entlassen wurde, wurde es ruhiger auf dem Knüll. Zwar fanden weiterhin Sonnenwendfeiern statt und internationaler Besuch, beispielsweise von Gruppen aus Russland oder US-amerikanischen Militaristen, fand sich auf dem Hof ein, aber mit zunehmendem Alter überwarf sich Roeder mit nahezu der gesamten extremen Rechten. Er witterte überall Verschwörungen gegen ihn, in seinen Rundbriefen beschimpfte er seine Exfrau und ehemalige Weggefährten aufs Übelste und bezichtigte sie, sich den Knüll unter den Nagel reißen zu wollen. Auch sein Sohn Konrad, der sich bis dahin um die geschäftlichen Belange des Vaters gekümmert hatte, wurde des Verrats bezichtigt. Konrad war es dann wohl auch, der den Verkauf des Hofes einleitete. Sein Vater musste das Anwesen 2013 verlassen und zu seinem Pfleger in die Nachbarstadt ziehen. Gut ein Jahr später starb Roeder und wurde sang und klanglos und in erstaunlicher Eile in Neukirchen beigesetzt. Über Roeders Sohn Konrad ist wenig bekannt, es schien dem Göttinger Anwalt jedoch wichtig, dass der Hof im Kreis Gleichgesinnter bleibt. Offiziell erworben wurde der „Reichshof“ von Ludmilla Ivan-Zadeh, genutzt wird er jedoch von deren Mutter, Lady Michèle Renouf. Renouf hatte damit erreicht, dass Roeder noch vor seinem Ableben ausziehen musste, das Haus der extremen Rechten aber weiterhin zur Verfügung steht, ohne dass auf den narzisstischen Roeder Rücksicht genommen werden muss.

Die Patin der HolocaustleugnerInnen

„Michèle Renouf has no long history of nazi politics, but has been obsessivly anti-jewish for about 20 years“, so wurde die neue Hofbetreiberin kürzlich vom britischen Antifamagazin Searchlight charakterisiert. Die gebürtige Australierin und Jetset-Frau unterstützte den Holocaustleugner David Irving bei seinem Prozess und während seiner Haftzeit. Seither nimmt sie in der internationalen Holocaustleugner-Szene eine zentrale Rolle ein. Sie sprach unter anderem 2006 bei der Holocaustleugner-Konferenz in Teheran und organisierte im November 2015 ein Fundraising für Horst Mahler im Londoner Charing Cross Hotel mit. Bereits in den 2000er Jahren war sie auf dem Knüll bei Roeder zu Gast. Sie knüpfte gute Kontakte in den Kreis um Ursula Haverbeck, die sie auch bei ihren Prozessen begleitete. Zur Seite stand ihr dabei immer der aus den USA stammende Roy Armstrong Godenau. Godenau kam als Soldat nach Deutschland und heiratete in die völkische Sippschaft seiner Frau Ingeborg ein. In den USA arbeitete er mit dem ehemaligen KKK-Führer David Duke zusammen und gilt auch heute noch als Verbindungsmann zum KKK. Sein Schwiegervater Siegfried Godenau war ein alter Weggefährte Roeders und völkischer Multifunktionär. Das Gelände der Godenaus, die Buchenmühle in Gilserberg, liegt nur 30 Kilometer vom Knüll entfernt. Früher fanden dort Lager der Wiking Jugend statt, heute können politisch Gleichgesinnte die Bungalows auf dem Gelände für ihre Urlaube mieten. Ingeborg Godenau ist heute eine wichtige Akteurin beim völkischen Sturmvogel, Roy Godenau Vorsitzender der NPD Nordhessen und steter Wegbegleiter von Michèle Renouf. In 2013 trat die Delegation der Holocaustleugner gemeinsam beim Trauermarsch im niedersächsischen Bad Nenndorf auf, dabei war neben Godenau und Renouf unter anderen auch Haverbeck. Beide sind im Netzwerk der stark antisemitischen Europäischen Aktion (EA) aktiv und auf fast allen EA-Veranstaltungen anzutreffen, Renouf als gern gesehene Rednerin und Godenau als ihr Übersetzer. Eine ihrer EA-Reden eröffnete sie mit der Bemerkung, dass sie aus dem „zionistisch besetzten Britannien“ stamme und dass sie sehr froh darüber sei, sich endlich miteinander vernetzen zu können und nicht nur über den „Predator“ zu sprechen. Dabei deutete sie auf ihren rechten Arm und vermaß ihn mit der linken Hand, ein angedeuteter Hitlergruß mit Augenzwinkern für die Anwesenden.

Der Knüll als neues altes Zentrum

Michèle Renouf scheint das Potenzial des Hofs auf dem Knüll erkannt zu haben. Seit sie ihn übernommen hat, finden dort wieder regelmäßig Veranstaltungen statt. Teilweise überlässt sie Partnerorganisationen das Programm, das Stellen von RednerInnen und die Mobilisierung. Sie selbst tritt als Hausherrin in Erscheinung. Veranstaltungen mit Vollverpflegung werden für 50 Euro pro Person und Wochenende angeboten, Mitglieder der veranstaltenden Organisationen erhalten Rabatt. Im Dezember 2015 lud erstmals Meinolf Schönborn mit seiner Organisation Recht und Wahrheit ein und führte damit die Tradition der Sonnenwendfeiern auf dem Knüll fort. Geboten wurden einschlägige Redner wie Marcus Trümpert und „Prof.“ Heino Janßen, für die musikalische Untermalung sorgte Frank Rennicke. Schönborn nutzt seither den Knüll regelmäßig für Veranstaltungen und Lesertreffen. Auch die Sommersonnenwende 2016 veranstaltete er auf Einladung „der Lady“ dort, erneut mit einschlägigen Rednern wie Gerd Ittner, der erst kürzlich in Dresden einmal mehr den Holocaust offen leugnete.

In diesem Frühjahr fanden bereits mindestens vier Veranstaltungen auf dem Knüll statt. Ende Januar wurde für ein Wochenendseminar eingeladen, bei der unter anderem Christian Bärthel als Vertreter der „Christen gegen die Islamisierung des Abendlandes“ sprach. Über Bärthels vielseitigen Aktivismus als „Reichsbürger“ und Redner bei THÜGIDA berichtete kürzlich der MDR ausführlich, sein Auftritt bei Renouf kam dabei allerdings nicht zur Sprache. Für Anfang Februar 2017 hatte Schönborn zu einem SS-Zeitzeugengespräch eingeladen und für das letzte Märzwochenende ein Stelldichein der ganz besonderen Art angekündigt. Zusammen mit Sascha Krolzig (Die Rechte), Rigolf Henning (Europäische Aktion) und Sascha Wagner (NPD Saarland) lud er zu einem strömungsübergreifenden Austauschtreffen ein.

Der „Reichshof“ und seine Bedeutung für die Szene

Mit der Übernahme des „Reichshofs“ hat Renouf eine wichtige und traditionsreiche Immobilie für die extreme Rechte erhalten und stärkt damit deren Infrastruktur. Für die nicht einmal 1.500 EinwohnerInnen zählende Gemeinde Schwarzenborn scheint es bisher nicht von Interesse zu sein, dass sich dort das Who-is-Who der nationalen und internationalen Holocaustleugner-Szene gerne und häufig einfindet, um an ihren Plänen für die „nationale Revolution“ zu spinnen und ihrem Antisemitismus freien Lauf zu lassen. Man scheint froh zu sein, dass sich dort nicht mehr wie zu Roeders Zeiten Skinheads mit Springerstiefeln herumtreiben. Die älteren, gesetzteren und gut gekleideten Herren und Damen stören die ländliche Idylle hingegen nicht. Als Roeders Sohn den Hof an die Renoufs Tochter verkaufte, hatte sich der damalige Bürgermeister und heutige Vizelandrat Jürgen Kaufmann (SPD) gegenüber der Lokalpresse dahingehend geäußert, dass er gemischte Gefühle habe, aber hoffe, dass es keine politischen Probleme geben würde. Bisher scheint Schwarzenborn tatsächlich keine Probleme mit der neuen Besitzerin und ihren Gästen zu haben.

Weiterlesen