„Ein Zeichen setzen“
Der Prozess wegen eines Brandanschlags auf Geflüchtete in Porta-Westfalica
Mit extrem rechten Einstellungen wollten die vier Angeklagten nichtszu tun haben, die wegen eines Anschlags auf eine Geflüchteten-Unterkunft vor Gericht standen und kürzlich vom Landgericht Bielefeld verurteilt wurden. Man sei unpolitisch und habe lediglich „ein Zeichen“ setzen wollen. Das Gericht wertete die Tat als gemeinschaftlich begangene schwere Brandstiftung.
Am späten Abend des 14. Septembers 2015 warfen im Ortsteil Eisbergen der ostwestfälischen Stadt Porta Westfalica (Kreis Minden-Lübbecke) zwei Männer jeweils einen Molotow-Cocktail gegen eine Unterkunft für Geflüchtete. Zum Zeitpunkt des Anschlages lebten dort 37 Menschen. Einer der beiden Brandsätze verfehlte das Küchenfenster, hinter dem sich ein Bewohner mit seiner Tochter aufhielt, nur knapp. Glücklicherweise reichte er nicht aus, um größeren Schaden anzurichten, das Feuer konnte von den Bewohner_innen gelöscht werden, nachdem sich die Täter entfernt hatten. Der zweite Brandsatz war am Zaun der Unterkunft gelandet und hatte sich nicht entzündet. Der Sachschaden war letztendlich gering, doch für die Bewohner_innen blieb der Angriff ein einschneidendes Erlebnis. Auf Grundlage der Spurensicherung am Tatort konnte die Polizei einen der Täter ermitteln — und über ihn drei weitere Tatbeteiligte, alle im Altersbereich Ende 20, Anfang 30.
Bewertungs- und Zuständigkeitsdifferenzen
Im Oktober 2016 begann der Prozess gegen drei Männer und eine Frau — zunächst vor dem Amtsgericht in Minden und wegen gemeinschaftlich versuchter schwerer Brandstiftung. Das Amtsgericht hatte den Fall zuvor in die Zuständigkeit des Bielefelder Landgerichts abgeben wollen, da es die Möglichkeit in Betracht zog, dass sich die Angeklagten des versuchten Mordes schuldig gemacht haben könnten. Doch das Landgericht beurteilte die Tat nach Aktenlage als versuchte schwere Brandstiftung und verwies das Verfahren zurück. Dass es letztendlich doch noch zum Prozess von dem Landgericht kam, ist auf die ersten Verhandlungstage vor dem Amtsgericht zurückzuführen, bei denen sich die beiden Molotow-Cocktail-Werfer Christian W. und Dennis R. zu den Vorwürfen geäußert hatten. R. ließ durch seinen Anwalt eine Erklärung verlesen. Man habe an besagtem Abend zusammen mit weiteren Personen Alkohol getrunken und über das Thema Geflüchtete diskutiert. Irgendjemand hätte dann angeregt, dass man „etwas tun“ müsse. Er, W. und Mario V. hätten dann gemeinsam die Molotow-Cocktails gebaut. Danach seien sie von Nadine K. mit dem Auto zur nahen Unterkunft gefahren worden, dort seien er und W. ausgestiegen. Dann habe er seinen Brandsatz entzündet und in Richtung des Hauses geworfen. Anschließend sei er geflohen. W. bestätigte diese Schilderung im Wesentlichen und führte zudem aus, er hätte den zweiten mitgeführten Brandsatz nicht angezündet und diesen auch nicht auf das Haus geworfen, sondern auf den Rasen davor. Auf Nachfrage gab er an, plötzlich Angst bekommen zu haben bei der Vorstellung, dass jemand verletzt oder gar getötet werden könnte. Diese Aussage dürfte mit dafür verantwortlich gewesen sein, dass der Fall abermals an das Landgericht verwiesen wurde, da nun ein hinreichender Tatverdacht einer gemeinschaftlich versuchten Tötung in Tateinheit mit versuchter schwerer Brandstiftung bestand.
Der Landgerichtsprozess
Der Prozess vor dem Landgericht in Bielefeld gegen die vier Angeklagten begann am 28. Februar 2017. Schon vor Beginn der Verhandlung hatte die Kammer den Angeklagten den Hinweis erteilt, dass ihr Handeln auch als versuchter Mord — heimtückisch begangen und mit niederen Beweggründen — bewertet werden könnte. Und somit ging es dann auch schwerpunktmäßig um die Einordnung der Tat, eingestanden hatten die Angeklagten diese ja bereits zuvor.
Als Zeug_innen und Sachverständige befragt wurden unter anderem Staatsschutzbeamte, ein Brandsachverständiger, ein Psychologe und drei Frauen, die am Tatabend vor dem Aufbruch zur Unterkunft mit den Angeklagten zusammen waren. Sudbara A., Bewohner der Unterkunft und Nebenkläger, berichtete dem Gericht, er habe sich zum Zeitpunkt des Anschlags mit seiner erst wenige Monate alten Tochter in der Küche der Unterkunft aufgehalten. Nur knapp einen Meter neben dem beleuchteten Küchenfenster habe der Brandsatz die Gebäudewand getroffen. A. schilderte, dass er seitdem in ständiger Angst um seine Kinder lebe und befürchte, dass sich Derartiges wiederholen könnte.
Reichskriegsflagge und Hitlerbild
Insbesondere von der Staatsanwalt und Nebenklage auf ihre politische Gesinnung angesprochen, betonten die Angeklagten im Prozess immer wieder, sie seien unpolitisch und keineswegs „rechtsradikal“. In gemeinsam genutzten Räumen der Hausgemeinschaft, in der zum Zeitpunkt der Tat neben V. auch die Angeklagten K. und R. lebten, hingen jedoch eine Reichskriegsflagge und ein Hitler-Portrait. Auch auf Facebook machten die Angeklagten kein Geheimnis aus ihrer politischen Einstellung. Beiträge der NPD sowie Artikel über den Anschlag auf eine Unterkunft im nahen Salzhemmendorf wurden geteilt, und W. wählte als Profilbild eine Reichskriegsflagge. Dazu befragt äußerte er: „Die Reichskriegsflagge steht für Deutschland. Für sonst nichts.“ Man habe, so die Wahrnehmung der Angeklagten, es als ungerecht empfunden, dass Geflüchteten beispielsweise Handys und Fahrräder zur Verfügung gestellt würden und mit der Aktion „ein Zeichen“ setzen wollen.
Urteile und Einschätzung
In ihrem Plädoyer forderte die Staatsanwaltschaft, die Angeklagten Dennis R., Mario V. und Christian W. wegen versuchten Mordes und die Angeklagte Nadine K. wegen Beihilfe zu verurteilen. Letztendlich wurden die drei Männer am 23. März 2017 wegen gemeinschaftlicher schwerer Brandstiftung und K. wegen Beihilfe verurteilt. Dabei hob das Gericht den rechten beziehungsweise rassistischen Tathintergrund hervor. R., V. und W. kassierten vierjährige Freiheitsstrafen, K. eine 18-monatige auf Bewährung.
Doch obwohl im Prozess der rassistische Tathintergrund letztendlich nicht verschwiegen wurde, zeigte sich die Schwierigkeit, rassistische Gewalt als solche zu thematisieren. Richter und Verteidiger fokussierten immer wieder auf den sozialen Status der Angeklagten, auf mangelnde Ausbildung, Arbeitslosigkeit oder mindere Intelligenz. Damit wurde einmal mehr versucht, Rassismus als Randgruppenphänomen darzustellen, ohne Verbindung zur Mitte der Gesellschaft. Auch bei anderen Anschlägen auf Geflüchteten-Unterkünfte in den letzten Jahren, bei denen die Täter_innen ermittelt werden konnten, kamen diese nicht aus der organisierten extremen Rechten, handelten jedoch mit rechter und rassistischer Motivation. Rassistische Gewalt als Teil eines gesamtgesellschaftlichen Diskurses zu sehen und als solchen auch in der juristischen Auseinandersetzung zu thematisieren, bleibt also nach wie vor eine Herausforderung.